Hier finden Sie einen Auszug von "Meditation und Aktion vereinen" von Geseko von Lüpke, aus Ursache\Wirkung №. 128: „Verbundenheit".
Wir verdrängen die ökologische Realität und halten zerstörerische Systeme aufrecht. Tiefenökologin Joanna Macy spricht im Interview über Wege aus der Krise und warum wir ein kollektives Erwachen brauchen.
U\W: Joanna Macy, wie würden Sie den Zustand der heutigen Welt beschreiben?
Joanna Macy: Wir erleben die letzten Jahre eines industriellen Wachstumssystems, das auf einer ständigen Ausbeutung der Rohstoffe basiert und die lebenserhaltenden Systeme dieses Planeten zerstört. Unabhängig von dem, was wir jetzt dagegen unternehmen, ist es sicher, dass künftige Generationen dazu verdammt sein werden, in einer schwer geschädigten Umwelt zu leben.
Darauf reagieren viele Menschen mit Angst. Die soziale Hysterie wächst und äußert sich in religiösem Fundamentalismus, in Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit. Oder die Menschen fühlen sich von der Angst gegenüber all den Problemen wie gelähmt und lenken sich mit flacher Unterhaltung ab, die von einer milliardenschweren Medienindustrie angeboten wird. Das bedeutet, sie machen dicht.
Ich glaube, dass von all den Gefahren, die uns drohen – sei es der Klimawandel, die Umweltverschmutzung, das Artensterben –, keine Gefahr so groß ist wie die der Verdrängung. Denn dann passiert all das unkontrolliert. Doch selbstorganisierende Systeme – ob es nun eine Gemeinde, eine Nation oder ein Planet ist – korrigieren Fehlentwicklungen durch Rückkopplung. Jedes System, das seine Rückkopplung abblockt, begeht Selbstmord. Jedes System, das sich weigert, die Konsequenzen seines Handelns zu sehen, ist suizidal.
Wie kommt es zu dieser gefährlichen Verdrängung?
Wir glauben, so zerbrechlich und klein zu sein, dass es uns in Stücke reißen würde, wenn wir es uns erlauben, unsere Gefühle über den Zustand der Welt anzuschauen. Wir fürchten eine tiefe Depression oder Lähmung. Tatsächlich ist das Gegenteil richtig. Wenn wir die Gefühle aussprechen, merken wir, dass wir nicht isoliert sind, sondern dass dieser Schmerz weit über das kleine Ego hinausgeht. Wir sehen, dass er Konsequenzen hat, die jenseits unserer individuellen Bedürfnisse und Wünsche liegen. Wir erfahren dann nämlich eine Art größerer Identität.
Wenn wir den Schmerz, den wir für die Welt fühlen, unterdrücken, dann isoliert uns das. Wenn wir ihn akzeptieren, anerkennen und darüber sprechen, dann wird er zum lebendigen Beweis der Verbundenheit mit allem Lebendigen. Und er setzt Hilfsbereitschaft frei. Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass der Schmerz über den Zustand der Welt und die Liebe für die Welt untrennbar miteinander verbunden sind. Das sind nur zwei Seiten derselben Medaille.
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Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 128: „Verbundenheit"
Keine Gefahr heute ist so groß wie die der Verdrängung.
Wir erleben die unterschiedlichsten Krisenphänomene auf ökonomischen, sozialen, ökologischen Ebenen. Sind das verschiedene Krisen oder nur Symptome einer einzigen Problematik?
Die drohenden Gefahren und das Leid der Menschen auf diesem Planeten sind der Ausdruck davon, dass die herkömmliche Art, die Welt wahrzunehmen und zu verstehen, vor dem Bankrott steht. Diese Einsicht ermöglicht es aber auch, uns für ein sehr viel größeres Verständnis des Lebens zu öffnen. Der Kern dieser neuen Sichtweise liegt darin, die Welt in einem größeren lebendigen Kontext wahrzunehmen.
Unsere Stellung in der Welt verändert sich grundlegend, wenn wir sie als ein lebendiges System verstehen und uns selbst als einen Teil eines im weitesten Sinn lebendigen Erdkörpers definieren. Diese Perspektive kann die Art unserer Beziehung zur Welt, unsere Kreativität, die Lebensqualität verändern und inneren und kollektiven Wachstum ermöglichen.