Gewalttaten, Verbrechen und Kriege können Menschen für ihr ganzes Leben zeichnen. Trotzdem gibt es Wege, um innerlich ein wenig freier zu werden – eine Auseinandersetzung mit der Traumaheilung und Bewältigung von Gewalterfahrungen.
Nicht wenige Menschen erleiden im Laufe ihres Lebens ein schweres Trauma.
UNO-Angaben zufolge macht ein Drittel aller Frauen mindestens einmal im Leben körperliche, psychische und sexuelle Gewalterfahrungen. Eine Studie des wissenschaftlichen Dienstes der deutschen Gesundheitskasse AOK hat ergeben, dass drei Viertel der Schutzsuchenden aus Syrien, Afghanistan und Irak durch traumatische Erlebnisse schwer belastet sind. Jede fünfte Person wurde gefoltert.
Ein Trauma ist wie ein Brandmal auf der Seele. Bei der Bewältigung haben Menschen unterschiedliche Strategien. Manche flüchten sich in eine Sucht, um den Schmerz zu betäuben. Andere wirken wie Getriebene. Sie stürzen sich in die Arbeit oder in neue Projekte, um vergessen zu können.
Traumaheilung und Bewältigung von Gewalterfahrungen: Einblick und Unterstützung
Andere Betroffene bleiben dagegen in der Opferrolle gefangen und wollen diese nicht verlassen. Besonders schlimm ist es, wenn in der Kindheit traumatisierte Menschen später Partnerschaften eingehen, in denen Gewalt ausgeübt wird. Andere Betroffene sind voller Aggressionen gegen sich selbst. Es gibt aber auch Menschen, die Schweres erlebt haben und später gewalttätig werden. Rachefantasien können ebenfalls eine Folge von Gewalterfahrungen sein. Werden diese umgesetzt, kann ein Teufelskreis entstehen.
Für die Heilung ist es notwendig, dass ein Trauma uneingeschränkt anerkannt wird. Betroffene brauchen einen sicheren Ort, wo sie sich geborgen fühlen. Sie benötigen achtsame Menschen, bei denen sie sich ihr Leid und ihre Verzweiflung von der Seele reden und weinen können. Dabei sollen alle Emotionen zugelassen werden. Auch Wut, Hass und Rachegedanken sollen nicht unterdrückt werden. Denn dahinter steht ein großer Schmerz, der gesehen und versorgt werden will. Dafür braucht es Zeit und Geduld. Heilsam ist, wenn man traumatisierten Menschen mitfühlend, achtsam und mit Herzenswärme begegnet. Es reicht, einfach da zu sein, zuzuhören und Trost zu spenden, insbesondere im Prozess der Traumaheilung und Bewältigung von Gewalterfahrungen
Was im Kleinen funktioniert, kann auch im Großen helfen. In einigen Ländern wie in Südafrika, Guatemala, Peru und Chile setzten Verantwortliche nach dem Sturz von diktatorischen und rassistischen Regimes sogenannte Wahrheitskommissionen ein. Hier ging es darum, traumatisierte Menschen zu hören und Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren. Damit wird das Leid nicht verschwiegen, sondern anerkannt. Auch hier ist es wichtig, dass dies mit Mitgefühl und Achtsamkeit erfolgt. Viele Betroffene wünschen sich, dass die Unrechtspersonen vor Gericht gestellt und verurteilt werden. Doch das ist leider nicht immer der Fall. Oft streiten die gewalttätigen Personen alles ab, und es gibt keine Beweise. Besonders schlimm ist es, wenn Betroffenen nicht geglaubt wird.
Mit verschiedenen Persönlichkeitsanteilen arbeiten
In einer Psychotherapie kann die Imagination eine heilsame Kraft sein. In Imaginationen können sich Betroffene vorstellen, wie die Verantwortlichen gefasst und verurteilt werden oder wie sie diese zumindest gedanklich mit ihren Handlungen konfrontieren.
In Religionen gibt es ähnliche Verarbeitungsmuster. Dazu gehört die Überzeugung, dass ein höheres Wesen wie Gott die Gerechtigkeit herstellt. Demnach müssen Sünderinnen und Sünder nach dem Tod in einer Hölle Buße tun. Menschen dagegen, die viel gelitten und Gutes getan haben, kommen in den Himmel oder in ein Paradies, wo es ihnen gut geht. Hinduisten und Buddhisten haben die Vorstellung von Karma. Demnach bringt jede psychische und geistige Handlung entsprechende Folgen mit sich.
Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung № 124: „Frei Sein!"
In der Psychotherapie kann auch die Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen hilfreich sein. Diesem Konzept zufolge, verfügt jeder Mensch über unterschiedliche Anteile. So kann ein Persönlichkeitsanteil rachsüchtig sein, ein anderer ist voller Schmerz, während ein weiterer in der Opferrolle bleiben will. Vielleicht gibt es auch einen mitfühlenden Anteil, der für den verletzten Anteil sorgen möchte. In diesem System könnte auch ein kluger und weiser Anteil seine Stimme erheben. Auch wenn dieser Weisheitsanteil vielleicht anfangs noch klein ist, wissen verletzte Menschen tief im Inneren, dass eine starke Verbitterung selbstzerstörerisch wirken kann.
Traumaheilung und Bewältigung von Gewalterfahrungen
Die Psychotherapie unterstützt Menschen, damit in heiklen Situationen nicht sofort die frustrierten oder wütenden Anteile die Kontrolle übernehmen, sondern die mitfühlenden und weisen Anteile gestärkt werden. Dies kann unter anderem geschehen, indem man die Perspektive wechselt, Distanzierungstechniken übt und Empathie fördert.
Vielleicht ist im Weisheitsanteil auch eine innere Stimme wahrnehmbar, die verzeihen möchte. Tatsächlich ist Vergebung der beste Weg, um innerlich frei zu werden. Doch das fällt manchen Menschen sehr schwer und ist nicht immer möglich. Auch das ist zu respektieren.