Macht Liebe resilienter, oder führen resiliente Menschen bessere Beziehungen? Optimal ist, wenn Liebe und Resilienz Hand in Hand gehen und sich gegenseitig stärken.
Woran liegt es, dass einige Menschen glücklichere Beziehungen führen als andere? Ist es eine Frage der Persönlichkeit? Der Lebenserfahrungen? Des Glücks? Oder der Resilienz? Führen resiliente Menschen bessere Beziehungen? Oder ist es die Liebe, die uns resilienter macht?
Es ist komplex. Wer wir sind und wen wir lieben, ist das Ergebnis vieler persönlicher, biografischer und kultureller Einflüsse. Eine Prise Glück ist hilfreich, hat aber noch keine Liebe dauerhaft glücklich gemacht. Denn Liebe ist nicht nur ein Gefühl. Liebe ist eine Entscheidung.
Die wenigsten Menschen hören das gern. Wir wollen an das Märchen von der Liebe glauben. Doch was die Märchen verheimlichen: Das eigentliche Abenteuer beginnt, wenn der Rausch der Hormone endet und die einst bedingungslose Liebe bröckelt. Was wir anfangs faszinierend fanden, stört uns plötzlich, und die Ideologie der Wegwerfgesellschaft verspricht, dass beim nächsten „Swipe nach rechts“ alles besser wird.
Menschen machen ihre Partner zum Objekt ihrer Vorstellungen, Bewertungen und Sanktionen.
Die Krux daran: Wir nehmen uns überall mit hin. In jeder Beziehung treffen unterschiedliche Bedürfnisstrategien, Prägungen und Lebenswelten aufeinander. Und wenn wir ehrlich sind, halten wir unsere eigene Sicht der Dinge meist für kleines bisschen wahrer, wichtiger und richtiger. So machen wir einander zum Objekt unserer Vorstellungen, Bewertungen, Bedingungen und Sanktionen. Und das kostet uns die Verbundenheit zueinander. Verbundenheit ist jedoch nicht nur der Schlüssel zur Liebe, sondern auch zur Resilienz.
Denn soziale Beziehungen gehören zu den wichtigsten Schutzfaktoren gegenüber Problemen, Krisen und Stress. Wer in einer Beziehung lebt, fördert gleich mehrere Resilienzfaktoren, zum Beispiel Kontrollüberzeugung und Kohärenzgefühl. Zusammen verfügen Menschen einfach über mehr Strategien, Fähigkeiten und Kompetenzen. Doch auch die Qualität der Beziehung ist wichtig: Denn je zufriedener das Paar, desto stärker der Effekt.
Wer liebt und geliebt wird, dessen Gehirn schüttet vermehrt Neurotransmitter wie Dopamin und Oxytocin aus. Das Belohnungssystem ist dann besonders aktiv, was auf die Resilienz wirkt wie der Zaubertrank der Galier.
Paare haben Studien zufolge auch einen gesünderen Lebensstil und ein geringeres Risiko für akute oder chronische Krankheiten. Die Beziehungszufriedenheit korreliert sogar positiv mit der Lebenszufriedenheit, dem psychischen Befinden, der Leistungsfähigkeit sowie einer günstigeren Entwicklung der Kinder. Im Umkehrschluss zeigen Studien, dass Einsamkeit die Sterberate erhöht, insbesondere bei Männern.
Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 122: „Resilienz"
Resilienz braucht also Liebe. Aber braucht Liebe auch Resilienz? Unbedingt! Denn Resilienz ist gekennzeichnet von Eigenverantwortung, Optimismus, Problemlösekompetenzen und Strategien zur Selbstregulation — beste Voraussetzungen, um auch in der Liebe Krisen gemeinsam zu überwinden.
Wer jedoch wenig resilient ist, kann schlechter mit Stress umgehen. Stress führt zu Anspannung. Und bei dauerhafter Anspannung kippt das Nervensystem in einen Modus der Überaktivierung. Infolge dieser dauerhaften Erregung agieren Menschen egozentrischer, reizbarer und weniger empathisch.
Liebe und Resilienz, das sind also zwei, die sich mögen und brauchen. Doch sind es nun die Resilienten, die besser lieben, oder ist es die Liebe, die uns resilienter macht? Vielleicht ist die Antwort ganz kurz: Ein Kreis hat keinen Anfang.
Hintergrund
Sieben Kriterien und Schutzfaktoren für eine dauerhaft glückliche Beziehung
1. Bedingungslose Liebe
Verbindlichkeit der Beziehung
Zugewandtheit, Fürsorge und Leidenschaft
2. Positivität als Basis
Positive gemeinsame Erlebnisse
Fokussierung auf das Gute statt auf das Defizitäre
3. Balance
zwischen Autonomie und Bindung, Nehmen und Geben, Führen und Folgen, Nähren und Genährt-Werden
zwischen Eigenverantwortung und Beziehungsverantwortung
4. Verpflichtung
Emotionale Bedeutsamkeit für beide Partner
Entwicklung und Pflege des Wir-Gefühls (gemeinsame Visionen, Ziele, Rituale)
5. Egalität
Respekt- und rücksichtsvoller Umgang
Gleichwürdigkeit und Wertschätzung
6. Gemeinsame Bewältigungsstrategien
Respektvolle Kommunikation (Basis: Zuhören)
Konfliktbewältigungskompetenzen
7. Anpassungsfähigkeit
Akzeptanz der Veränderung
Bedürfnisorientierung statt Verhaltenskorrektur
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