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Achtsamkeit & Meditation

Menschen tun sich oft schwer, die Vergangenheit loszulassen und für Veränderung offen zu sein, das gilt auch für Religionsgemeinschaften. In der Psychotherapie kann das Loslassen geübt werden, und dies gibt auch Hoffnung für den Buddhismus im Westen.

Menschen gehen mit Herausforderungen unterschiedlich um. Manche ziehen sich ängstlich zurück und bleiben in alten Mustern hängen. Andere sind mutig und wagen Neues. Ähnlich verhält es sich mit Staaten und Religionsgemeinschaften.


Wenn in Gesellschaften Altes nicht mehr funktioniert, kommt es vor, dass Regierende Ängste schüren und sich abschotten. Aber es gibt auch Politiker*innen, die Mut verkörpern und vorangehen. In den Religionen ist es ähnlich: Einige Vertreter*innen halten an alten Grundsätzen fest und berufen sich auf Überlieferungen und Traditionen. Andere sprechen sich für eine zeitgemäße Deutung von alten Schriften aus und fordern Reformen.


Der Buddhismus hat sich mit der Verbreitung im Westen verändert. Manche im Westen sehen im Buddhismus eher eine Lebensphilosophie als eine Religion, was bei anderen für Kritik sorgt. Wie gehen wir mit Neuem um? Wann und in welchen Bereichen ist es sinnvoll, sich von Traditionen zu verabschieden und Neuerungen zuzulassen?
Auf diese Fragen gibt es keine allgemeingültigen Antworten. Helfen kann hier jedoch die Einsicht, die im Buddhismus viel geübt wird, dass alle Phänomene wie Erfahrungen, Gedanken und Emotionen vergänglich sind. Weil sie sich ständig wandeln, kann es Leiden verursachen, wenn man an ihnen festhält. Hier gibt es Parallelen zur Psychotherapie. In der Arbeit mit Klienten kann man den Begriff von inneren Landkarten verwenden. Gemeint sind geistige und emotionale Landkarten, die Menschen im Laufe des Lebens entwickeln, um sich in der Welt zurechtzufinden.

Religiöse Vertreter*innen halten oft an alten Grundsätzen fest. Sie berufen sich dabei auf Überlieferungen und Traditionen.

Als Kind wird man dabei von den Eltern unterstützt. Die Eltern sollen beispielsweise helfen, ein Grundvertrauen in einen selbst, in andere Menschen und in die Umwelt aufzubauen. In der Schule werden die Landkarten erweitert, um die Kinder und Jugendlichen auf das Berufs- und Erwachsenenleben vorzubereiten.
Landkarten können je nach Lebenssituation verschieden sein. Wer aus einer armen Familie kommt, ist mit anderen Lebensrealitäten konfrontiert als eine Person, deren Eltern vermögend sind. Hinzu kommen die inneren Leitmotive, mit denen sich Menschen in ihren Landkarten bewegen. Manche lassen sich durch Mitgefühl, Achtsamkeit, Freude, Gelassenheit und Dankbarkeit leiten. Andere hingegen sind voller Ärger, Wut, Machtbesessenheit und Gier.


Weil alles vergänglich ist, müssen Menschen ihre inneren Landkarten adaptieren, was nicht bedeutet, dass man alles über Bord schmeißen muss. Viele Bereiche auf den bisherigen Landkarten können Gutes beinhalten. Auch kann es vorkommen, dass zu viel oder zu schnell Veränderung überfordern. Im Falle von Krisen oder Schicksalsschlägen sind unter Umständen größere Transformationsprozesse notwendig. Diese Veränderung kann schmerzhaft sein.
In der Psychotherapie wird Menschen geholfen, ihre inneren Landkarten zu verändern und zu gestalten. Diese Entwicklung ist nicht immer einfach und Veränderung kann lange dauern. Viele Personen klammern sich an ihre alten Landkarten. Sie stecken vielleicht in unglücklichen Jobs oder Beziehungen fest. Andere verzweifeln, flüchten in den Alkohol oder nehmen Drogen.

VeränderungOft scheitert die Psychotherapie, weil Menschen zu stark in alten Lebenskonzepten hängen bleiben und sich gegen einen Neubeginn sträuben. Oder es gibt Personen, die verlangen, dass sich alle anderen wie die Familie, die Verwandten, die Partnerin oder die Arbeitskollegen anpassen, doch bei ihnen selbst soll alles beim Alten bleiben.
Ähnliches kann man auf anderen Ebenen beobachten, zum Beispiel im Buddhismus. Dieser ist Veränderungen unterworfen, vor allem wenn er in andere Kulturen kommt. In Asien hat sich der Buddhismus in patriarchalen Gesellschaften entwickelt. In Teilen der buddhistischen Welt herrschte früher sowie teilweise auch noch heute die Ansicht, dass nur Männer zur Erleuchtung fähig seien. Diese Diskriminierung hat unglaublich viel Leid verursacht.


In eine ähnliche Richtung geht die Äußerung: „Frauen können genauso wie Männer die Erleuchtung erlangen.“ Denn eine solche Aussage bedeutet, dass Männer als Maßstab herangezogen werden.
Mittlerweile sind nicht nur im Westen, sondern auch in Asien immer weniger Menschen bereit, die alten patriarchalen Strukturen zu akzeptieren. Auch wenn sich im Buddhismus manche Strömungen mit der Gleichberechtigung noch immer schwertun, zeichnet sich langsam ein Wandel ab. Im Juni 2022 erhielten beispielsweise erstmals in der neueren Geschichte des tibetischen Buddhismus mehr als 140 Novizinnen die vollständige Nonnenordination, vergleichbar mit einer Priesterinnenweihe im Christentum.

Warum Religion sich mit Veränderung schwertut

Gefeiert wurde die Zeremonie im kleinen Königreich Bhutan am östlichen Rand des Himalajas. Dieser Schritt war wichtig. Denn jahrhundertelang mussten im tibetischen Buddhismus Frauen Novizinnen bleiben. Sie waren damit von der höheren Weihe ausgeschlossen. Nun können in Bhutan Nonnen endlich auch höhere religiöse Ämter bekleiden, etwa als Äbtissin. Sie sind den Mönchen formal gleichgestellt. Bleibt zu hoffen, dass damit im tibetischen Buddhismus die Veränderungen in Richtung Gleichberechtigung von Frauen weitergehen.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung № 123: „Buddha heute"

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Ähnlich verhält es sich mit dem Thema gleichgeschlechtliche Liebe. Auch hier hat der Buddhismus mit der Verbreitung im Westen frühere Ansichten aufgegeben. Hochrangige Vertreter*innen machten in diesem Bereich einen Lernprozess durch. So meinte der Dalai Lama früher: „Vom Standpunkt eines Buddhisten sind Mann-zu-Mann-Beziehungen und Frau-zu-Frau-Beziehungen immer ein sexuelles Fehlverhalten.“ Inzwischen sagt der Dalai Lama, dass er nichts gegen die Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule habe.
Im Westen ist es bereits in vielen Ländern möglich, dass gleichgeschlechtlich liebende Menschen heiraten können. Dieser Trend setzt sich auch in buddhistisch geprägten Regionen Asiens fort. Als erstes Land in Asien führte Taiwan 2019 die Ehe für alle ein. Einige Buddhist*innen befürworteten diesen Schritt. Festzuhalten ist allerdings, dass sich der Großteil der buddhistischen Organisationen in Taiwan an der Debatte darüber nicht beteiligte und schwieg.


Im Westen stehen heute die meisten Buddhist*innen queeren Menschen offen gegenüber. Trotzdem fehlt in vielen Zentren und bei vielen Lehrer*innen eine Reflexion darüber, was queere Menschen brauchen. Inklusion bedeutet, dass in Dharma-Vorträgen nicht nur auf heteronormative Lebenswelten Bezug genommen wird. Auch Menschen, die sich nicht der binären Geschlechtsordnung zuordnen lassen, sollen sich in buddhistischen Zentren wohlfühlen.
Bei der Gleichberechtigung von Frauen und queeren Menschen geht es nicht um das Festhalten an Identitäten, sondern darum, Veränderung zu schaffen, Diskriminierung zu beseitigen und Leiden zu verringern.

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Christian Höller

Christian Höller

Christian Höller, MSc., ist akademisch ausgebildeter Psychotherapeut und Coach in Wien. Seine Fachrichtung ist Integrative Therapie. Seine Praxis befindet sich im vierten Bezirk. Er ist unter anderem spezialiert auf folgende Themen: Achtsamkeit, Spiritualität, Krisen, Burn-out, Lebensbegleitungen...
Kommentare  
# Meisenbacher , Uwe 2024-06-23 15:25
hr Artikel ist ein zutreffender, heilsamer Aufklärungsbeitrag für den Buddhismus.

Und hier noch, dazu meine Sicht der Dinge zu den unheilsamen Dogmen und Aberglauben im Buddhismus.

Hallo liebe Dharma praktizierende,

befreit Euch ( wenn Ihr noch nicht befreit seid ) von den unheilsamen Dogmen und
Aberglauben , wie , Wiedergeburten, Göttern , Dämonen , Höllenhunden, Gespenstern , Orakeln, Jenseitswelten , Esoterik, Mystik, unsinnigen Ritualen , leeren Zeremonien , übernatürlichen Kräften , Frauenunterdrückungen usw.

Es ist nicht unbuddhistisch, Missstände, Dogmen und Aberglaubensüberlieferungen im Buddhismus zu kritisieren und in Frage zustellen.

26oo Jahre nach Buddhas ableben, sollten Buddhisten die überlieferten buddhistischen Weisheiten auf ihre Wirkung und Tauglichkeit hin, auf die gegenwärtige Lebensrealität überprüfen.

Schon der Buddha betonte, dass auch seine eigene Lehre (wie alle Dinge) dem Wandel
unterliegt und stets in der Darstellungsform der jeweiligen Zuhörerschaft und ihrem
spezifischen historisch-sozialen Kontext angepasst werden muss.

Mit freundlichen, aberglaubensfreien, heilsamen, buddhistischen Grüßen.

Uwse Meisenbacher
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