Dieses Buch weist einen spirituellen Weg, der mitten ins Leben führt, vor nichts haltmacht und gerade darin so ungemein menschlich ist. Genau deswegen ist es mein ‚Evangelium der Liebe‘.
Ich war noch keine 18 Jahre alt, da fuhr ich mit zwei Schulkameraden nach Taizé. Dort, in der alten romanischen Dorfkirche, ging mir das Herz auf und eine unerklärliche und unerwartete Woge der Liebe durchflutete mich. Allem fühlte ich mich da verbunden. Ich war verliebt: in Gott und die Welt, diesen Ort und natürlich auch in ein Mädchen aus dem Nachbarzelt. Religion und Eros begegneten mir als eine Einheit. Die Welt war schön und ich war glücklich. Das Leben hatte einen Sinn.
So ging es los. Ein Geschenk war mir gemacht. Und – ohne, dass ich das damals so hätte sagen können – nun wuchs in mir der Wunsch, mich seiner würdig zu erweisen: Ich wollte etwas weitergeben von dem, was mir widerfahren war – und ich wollte es verstehen. Also beschloss ich, Theologie zu studieren, und schrieb mich an der kirchlichen Hochschule Bethel ein. Allein dort fand ich nichts von dem, was mir heilig und wichtig war. Nicht in der Theologie, aber in der Philosophie. Ich stieß auf Platon – und verliebte mich erneut: in ihn, seine Philosophie, seine Bücher.
Eines war darunter, das mich besonders faszinierte, von dem ich aber annahm, dass ich es mir bis zuletzt aufheben müsste: das Symposion, zu Deutsch ‚das Trinkgelage‘, meist urbanisierend mit ‚Gastmahl‘ wiedergegeben. Es ist das Buch Platons über Liebe und Erotik. Und es ist das Buch, mit dem ich schon beim ersten Lesen in Resonanz ging. Denn ich ahnte: Hier würde ich eine Deutung jener wundersamen Schwingung meines Herzens, jener Sehnsucht und jenes Glückes finden, die mich seit den Tagen von Taizé bewegten. Und genau so ist es.
Ich wechselte die Fakultäten, studierte Philosophie, promovierte über Platons ‚Metaphysik der Lebendigkeit‘ – und ließ dabei das Symposion aus. Ich fühlte wohl, dass ich erst die theoretischen Grundlagen der Philosophie Platons ergründen müsse, bevor ich mich seiner Philosophie des Eros zuwenden könnte – oder seiner ‚erotischen Lebenskunst‘, wie ich das heute nenne.
Je mehr ich mich neben der Philosophie aber mit Spiritualität zu befassen begann, desto mehr zog es mich zu diesem Text. Und dann las ich ihn gründlich: „Eros ist ein Mittler zwischen Mensch und Gott“, heißt es darin. Und das verstand ich sofort. Ja, diese glühende, leidenschaftliche, schönheitstrunkene Liebe, die mir als jungem Mann ins Herz gelegt wurde, sie ist eine spirituelle Kraft. Sie lässt mich erahnen, ‚dass alles mit allem verbunden ist’, wie die Apollon-Priesterin Diotima im Symposion lehrt. Und sie erfüllt meine Seele, wo ich mich dem Leben hingebe, mich ihm ausliefere und von der Schönheit der Welt berühren lasse.
All das, was ich aus eigener Erfahrung kannte, kam darin zur Sprache. Und nicht nur das: Ich verstand auch, was mir bei meiner akademischen und spirituellen Suche immer gefehlt hatte; was ich in den Kirchen genauso vermisste wie beim Zen-Sesshin: diese Erotik, die Sinn und Sinnlichkeit umfasst, die Leib und Seele durchdringt und selbst noch Sexualität und Spiritualität verbindet.
Dieses Buch, so kann ich heute sagen, weist – zugegeben in oft schwer verständlicher Sprache – einen spirituellen Weg, der mitten ins Leben führt, vor nichts haltmacht und gerade darin so ungemein menschlich ist. Und genau deswegen ist es mein ‚Evangelium der Liebe‘.
DR. PHIL. CHRISTOPH QUARCH, geb. 1964, arbeitet als freischaffender Philosoph und Theologe mit eigenem Seminar- und Vortragsprogramm. Initiator der Zeitschrift ‚Wir – Menschen im Wandel’. Autor und Herausgeber von knapp 30 Büchern, zuletzt: ‚hin & weg. Verliebe dich ins Leben’. J. Kamphausen 2011. Weitere Information: www.lumen-naturale.de
Sehr sehr restriktiv.
Bin ich erst später draufgekommen.