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Wenig hat mich im vergangenen Jahr so stark bewegt wie die Übung, meine Geduld und ihre Grenzen kennenzulernen. Bei manchen Themen ging es darum, meine Grenzen zu erweitern, in anderen Feldern wollten die Grenzen auch enger gefasst werden. 

Dabei übte ich immer, echte Freundlichkeit zu praktizieren. Ich wusste lange nicht, wie Ehrlichkeit und Freundlichkeit zusammengehören. Die Handlungen eines Menschen kritisieren, aber freundlich verbunden bleiben, was sich in verschiedener Weise in Wort und Tat ausdrücken kann, hat gute Früchte getragen. Alle Freundlichkeit tut letztlich auch uns selbst gut, oder genauer, sie muss stets mit uns selbst beginnen. Damit meine ich, dass die Übung in zwei Richtungen geht: Wir praktizieren Akzeptanz und Freundlichkeit uns selbst und anderen gegenüber. Sie hinterlässt gleichsam einen Abdruck in uns, der nach außen und innen wirkt, und dieser macht uns froh.

Eben habe ich das Wort „kritisieren“ noch einmal gelesen und dabei gedacht, auch dieses Wort einmal unter die Lupe zu nehmen. Was genau meinen wir eigentlich damit? Wann fühlen wir uns kritisiert, und wie kritisieren wir andere? Und die anderen, wie machen sie das, und wie sollten sie es tun, damit wir uns besser, freier mit deren Kritik fühlen?

Brauchen wir überhaupt den Begriff „Kritik“? Sind es nicht letztlich Urteile, die wir fällen? Ein kritisches Bewusstsein finde ich allerdings gut, ich verbinde das mit Offenheit und der Erlaubnis, Fragen stellen zu dürfen, Zweifel anzumelden, Neugier an weiterer und tieferer Erforschung eines Gegenstands zu zeigen.

Wenn ich also an Weihnachten denke, empfinde ich erst einmal eine große Liebe zu uns Deutschen. Das war nicht immer so. Mir war unsere Art, in das Weihnachtsfest so vieles an Wünschen, Bemühungen, Geschenken hineinzulegen, eher peinlich. Vielleicht, weil diese Bemühungen manchmal oder allzu oft nur Bemühungen blieben, die sich nicht realistisch anfühlten, je älter ich wurde. Das Fest der Liebe wollte und sollte es sein, war es aber faktisch meist nicht. Stattdessen war es der höchste Feiertag im Jahr, mit zwei Feiertagen, an denen fast nichts lief. Soldaten wurden nach Hause geschickt, jeder bekam irgendwelche Sonderzulagen oder -rationen, abhängig vom Ort, wo er gerade weilte, man fuhr und reiste lange Strecken nach Hause oder zu der von der Sippe übrig gebliebenen alten Tante, Arbeitgeber drückten ein Auge zu, wenn eigentlich fast jeder zwischen Weihnachten und Neujahr freihaben wollte. Das war und ist die gute, segensreiche Erinnerung.

Weihnachten war und ist für Kinder eine Qual, die getrennt lebende Eltern, Alkoholkrankheiten, Armut verschiedener Art und Gewalt erleben mussten, denn alle Dysfunktionalität kam und kommt Weihnachten auf den Tisch. Für Jugendliche konnte es eine Qual sein, wenn Heuchelei das Wort hatte, Gehorsam gefordert wurde, Spiritualität und Religion gebraucht wurden, um sich in Stimmung zu versetzen. Weihnachten war ein Traum, oder konnte ein Traum sein, wenn man noch sehr jung war und dem Zauber des Christkindes erlegen war. Wenn man eigene Kinder hatte und alles, aber auch alles, vom ersten Spekulatius bis zum Kerzen- und Mandarinenduft, dem Schuheputzen am 5. Dezember und den Erwartungen, die sich aus dem abgegebenen Wunschzettel speisten, noch im Vordergrund stand. Unsere alten Weihnachtslieder finde ich immer noch schön, und geflötet habe ich als Kind, und manchmal auch später, leidenschaftlich gerne, wie auch Gedichte mit Inbrunst auswendig gelernt.

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Wahrhaftigkeit, Echtheit und Freude: Ja, sie gehören zusammen, müssen zusammengehen. Dazu gehören so viel Stehvermögen und Toleranz, Selbstreflexion und Gespräch, dass es richtig Arbeit ist. Die Engel bei den Hirten auf dem Felde einzuladen, braucht Intuition und kindlichen Glauben, der sich oft erst nach der Lebensmitte (wieder) einstellt. Kindlicher Glaube, der gleichzeitig reif ist und abwägen kann, kostet, auch wenn er später völlig gratis ist.
Meine Bilanz heute, sieht gut aus: Dieses voll aufgeladene, manchmal von seinen Ursprüngen völlig entfremdete Weihnachten hat uns Deutsche oder deutsch sprechende Menschen immer zusammengehalten, bis hin zu den Schlachtfeldern und mit Händen geschaufelten Gräbern in Sibirien, Frankreich, überall. Es ist ein Frevel, Verwandte und Gräber alleine zu lassen, man schämt sich Jahrzehnte hinterher für solche Unterlassungssünden. Sobald man dem Jahrmarkt der Kaufsucht abgeschworen hat und man die Wohnungslosen vor der Sparkasse mit hellen Augen wahrnimmt, webt man goldene Fäden in das Altartuch dieses Festes.

Als Zen-Praktizierende weiß ich, wovon ich spreche. Wir sind alle Menschen und üben die gleichen Tugenden. Großzügigkeit, Geduld, Toleranz, Ehrlichkeit, Offenheit ... Ich finde, um an den Anfang zurückzukehren, dass man in Sternstunden kritische Gedanken in einer Einbettung aus Güte äußern kann. Manchmal gelingt es mir, und ich drücke einfach ganz ehrlich und frei aus, was für mich Weihnachten geht und was nicht. Ebenfalls übe ich, das ohne Nachdruck zu sagen, also mit Selbstbewusstsein. Man lässt sich selber frei und die anderen damit auch. Ohne unverbindlich zu sein. Dabei über den Tellerrand der eigenen Familie, hin zur Menschheitsfamilie denken und danken. Dabei die Erde, unsere Mutter, fest im Blick.
Das, liebe Leser, ist Glück.

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Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
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