Viele sehen es nicht, Schreibende und Kommunizierende auch nicht, dass beides auch zum Gebiet der Kommunikation gehört, das heißt, dass es sich um Künste handelt, die gelehrt und gelernt werden (können).
Es handelt sich also um Aktivitäten, die kunstvoller, eleganter, vielseitiger, stimmiger, zugespitzter, einfühlsamer, deutlicher, verhaltener, unterhaltsamer gestaltet werden können. Um Kunstfertigkeiten, die wir zwar fast allesamt in unserem Alltag leben und von anderen genießen oder uns darüber ärgern, aber das ist uns meist nicht bewusst.
Alle oder fast alle Menschen sprechen miteinander (und mit sich selbst sowieso), fast alle müssen zumindest in ihren Ausbildungen und Berufen schreiben können. Wie ich schon öfter sagte oder schrieb, interessieren mich die „Fortschritte“, die jemand auf diesen Wegen macht oder machen kann. Die Kunst des Vortrags müsste man eigentlich auch noch miteinbeziehen, die Rhetorik. Es leuchtet sicherlich jedem ein, dass es sich bei diesen Künsten – oder immer, bei den Künsten? – um auf Dialog, Begegnung, Verständnis und Verständigung, Berührung und Verbindung, Klärung und Durchdringung angelegte Aktivitäten handelt. Das Tagebuchschreiben als Zwiegespräche der Seele oder mit der Seele gehört auch unbedingt mit hinein, auch wenn es aus der Mode gekommen ist. Dicht gefolgt von den Briefen, den handgeschriebenen natürlich.
Erreiche ich mein Gegenüber heute leichter, auch bei schwierigen Themen, als vor zehn Jahren? Drücke ich mich präziser aus? Kann ich besser zuhören, ohne in Gedanken zu kritisieren und mich vom Mitgeteilten oder von der tieferen Bedeutung dahinter abzuwenden? Kann ich ungeschminkt schreiben oder aussagen, was mich bewegt und wie es mich bewegt, ohne dabei brutal zu werden, zu mir, zu anderen? Aber auch ohne das Brutale völlig zu verstecken, wenn es doch da ist? Kann ich im Tagebuch, im Brief so sprechen, als redete ich von Seele zu Seele, von Herz zu Herz? Und, wenn ich es nicht kann, schreibe ich dann „wenigstens“ Gedichte? Oder Mini-Essays, Aphorismen, Haikus, Wortelfchen, Dreizeiler?
Kann ich aus einer Zeitungsnotiz eine Erzählung formen und aus einem Roman einen Aphorismus? Ich frage, kann ich eigentlich noch ernsthaft spielen und spielerisch todernst sein? Kann ich alle fünfe gerade sein lassen, über meinen Schatten springen, mein Herz in der Hand, und dir ein Wort zuwerfen wie einen Federball?
Wir erkennen, wie viel Spaß und wie viel Übung das Wort, das mit Leben erfüllte Wort, das aus dem ganzen Körper kommt, verträgt. Ich könnte mein Schreiben auch nennen: Schreiben aus dem ganzen Körper und habe das auch oft getan. Daher vertragen sich Sprechen, Sich-Mitteilen, Miteinander-Reden, Schreiben, Vortragen, so gut mit In-Stille-Sitzen, erdnah. Oder gut gegründet, geerdet stehen.
Wenn ich dem zustimmen kann, was der Titel ausdrückt, dann zweifele ich nicht mehr an dem Wert unbezahlter Beziehungsarbeit, ob in der Familie, auf der Straße oder am Arbeitsplatz. Es erfordert große emotionale Kraft und Übung auf allen Kanälen, die Sprache der hohen Wahrnehmung und Mitteilung zu erlernen. Oder besser, zu verlernen, was sich da alles an Seltsamkeiten draufgesetzt hat auf unsere natürlich vorhandene Fähigkeit des Austauschs von Atemluft. Diese Dinge haben mit Fertigkeiten im digitalen Raum nicht die Bohne zu tun. Wir brauchen ihn aber, den digitalen Raum, und Grundkenntnisse, um uns diesen Raum zu erschließen und uns für ihn zu erwärmen, damit er uns und unseren Werten dient.
Es hat sich noch nicht herumgesprochen, wie Babys die Sprache ihrer Mütter beim Beobachten ihres Gesichts und Fühlen ihrer Haut und Hände einsaugen, beim Trinken und Genährtwerden lernen. Geborgenheit, Zärtlichkeit, Beantwortet-Werden, Gesehen-, Gehört-, Gestreichelt-Werden, Herumgetragen-Werden in warmen, in müden Armen, dabei vertraute Körper und Düfte riechen, die Orientierung geben ... andere Stimmen identifizieren lernen. Dieses Lernen und Tauschen findet täglich vieltausendfach statt. Emotionale Präsenz, Verfügbarkeit, Mitschwingen sind angesagt, überhaupt schwingen. Hochkomplexe Fertigkeiten und Fähigkeiten, die meist gering oder gar nicht oder höchstens nach bestandenen therapeutischen, sozialen Ausbildungen bezahlt werden. Mütter, Großmütter, Ersatzmütter und Menschen in sozialen Berufen müssen um die Kontinuität ihrer Berufe, ihrer Bezahlung, ihrer Renten bangen.
Während ich in den vergangenen Tagen drei Vorträge bzw. Diskussionen über künstliche Intelligenz (KI) angehört habe. Mit geringem Vergnügen. Forschung in KI wird unterstützt und sehr gut bezahlt und hochgehängt. Auf einem gefährdeten Planeten mit ängstlichen Kindern und Eltern, mit Geflüchteten ungeahnten Ausmaßes an den Grenzen unserer wohlhabenden Länder, mit Ungleichheit fördernden Maßnahmen der Digitalisierung, die zum Teil ohne Sinn und Verstand, von Angst getrieben, gefördert werden soll: Auf so einem Planeten mit dem Befund, den wir alle kennen sollten, braucht es menschliche Qualitäten, wie oben implizit oder explizit beschrieben, die mit Kreativität und einer lebendigen Wertedebatte einhergeht, brauchen unsere Wünsche nach Kontrolle und Wettbewerbsfähigkeit dringend eine kritische Überprüfung und eine existenzielle Befähigung aller zum Maßhalten, zur Empathie, zum Altruismus, zu einer Definition von Gesundheit, die Krankheit und Tod, Kontemplation und Altern in Würde einschließt.
Wer aufgefordert wird, aus der Seele zu sprechen, an einem sicheren Ort: Der kann gar nicht anders, so meine ich, als seinen oder ihren Lebensentwurf zu überdenken.
Schreib mal wieder, an dein Kind, deine Kollegen oder stell einen kleinen Vortrag ins Netz, um sie aufzumuntern, sag ihnen, woran du wirklich glaubst und arbeiten möchtest! Sag ihnen, dass dir selbstgesteuerte Autos den Buckel herunterrutschen können, dass du gleich ein Spiel vorschlagen willst, in dem alle nach Herzenslust kreativ und ehrlich sein dürfen.
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