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Was für ein wundervolles Wort: Barmherzigkeit! Ich mag es schon lange, schon immer, aber ich habe mich nicht so richtig getraut, es in mir zum Blühen zu erwecken. Bei „Mitgefühl“ schwingt einfach nicht so viel mit.

Vielleicht geht es ja auch anderen Nichtkirchgängern, aber in Wahrheit frommen, gottgläubigen Menschen wie mir ähnlich: Wir mögen den Kontext nicht, in dem bestimmte Begriffe häufig verwendet wurden und werden, ohne dass das Leben mancher Gottesfürchtiger selbst damit Schritt gehalten hätte. Außerdem glaube ich, dass vielen von uns Deutschen der Glaube an das Wahre, Schöne, Gute nach den bitteren Erkenntnissen des Holocaust und seiner Befürworter und Betreiber ein für alle Mal vergangen war. Woran sollten wir noch, sollten andere glauben? An den Sieg des Guten im Menschen? An dessen Güte und Barmherzigkeit? Nein. Das Gegenteil war der Fall. Wer an Edelmut, Liebe und Solidarität glaubte, und damit an Selbstüberwindung, war schneller denunziert und verraten, als er denken konnte. Wir sollten das Gegenteil lernen: Abstumpfung und Rohheit, einfache lügnerische Mantras statt des Ave-Maria, Selbstbereicherung und Schutz von Angehörigen der eigenen „Rasse“, unabhängig davon, ob sich diese schuldig gemacht hatten oder nicht. Barmherzigkeit, Empathie, Schutz und Rettung aller Geschöpfe vor jedwedem unnötigen Leiden – das waren ja gerade die verweichlichenden Tugenden, die schon den Babys and deren Müttern ausgetrieben werden mussten. Das geht viel schneller, als man denken möchte, weil wir Menschen so ungeheuer sensibel sind. Man versetze uns unter Schock, schreie uns ungehemmt an, drohe uns mit drastischen Strafen und entziehe uns, was wir nun einmal als Menschen benötigen: Essen, Trinken, Basishygiene und Medizin, Schutz und menschliche, eventuell auch tierische Wärme, und wir mutieren zu denen, die sie haben wollen: abgestumpft, in uns gekehrt oder sprungbereit aggressiv, innerlich ausgehöhlt, zwanghaft geworden, bereit zur Unterwerfung für Essen, Trinken, Schutz, menschliche Zuwendung. Und man garniere das Ganze mit drohenden, sadistischen Strafen.

Man kann also Menschen und auch Haustieren, Säugetieren, natürliches mitgeschöpfliches Empfinden und Verhalten, das man bei allen Babys und liebevoll aufgezogenen Kleinkindern beobachten kann, abtrainieren. Zwang, Gewalt, Liebesentzug, Stehlen, Verrat, Lügen … Das fühlen auch und besonders ganz junge Kinder. Ich wundere mich oft, wie gering das Vergehen, Vertrauen zu missbrauchen, Versprechen zu brechen, sich anständig zu verhalten, eingeschätzt wird. Auch heute noch. Damit tun wir uns keinen Gefallen. Das heißt nicht, dass ich für Strafen eintrete, schon gar nicht für drastische und sadistische Strafen. Nein, ich trete ein für Transparenz, für Verantwortung, für Vertrauenswürdigkeit, für Langmut, Großzügigkeit, Offenherzigkeit, Ehrlichkeit, Barmherzigkeit. Ich finde es zum Beispiel gut, Dienst für die Gemeinschaft als „Strafe“ zu tun, auch etwas zurückzuzahlen, auch den Geschädigten zu fragen, was er oder sie braucht, um sich ausgesöhnt zu fühlen … Da gibt es noch viel kreative Arbeit zu leisten.

Barmherzigkeit

Traumata werden Menschen, Tieren, der Erde und den Elementen durch allerlei Geschehnisse zugefügt. Das ist alles schwerwiegend genug. Warum wir noch Kriege hinzufügen müssen, ist mir ein Rätsel. Wie ist es möglich, zu glauben, dass Krieg je irgendjemandem genützt hätte? Im Gegenteil, die Langzeitfolgen liegen so unglaublich klar auf der Hand … Barmherzigkeit üben mit unserer Unvernunft als Menschen? Ich weiß nicht so recht. Mir will scheinen, dass wir moralisch uneindeutig sind, noch nicht imstande, klare Grenzen zu setzen und die Überschreitungen vernünftig und angemessen zu sanktionieren. Das gilt für rassistische Gewalttaten, Ausbeutungsverhältnisse und Aufhetzung wie für Kindesmissbrauch und Vergewaltigung Minderjähriger und Abhängiger.

Die Barmherzigkeit fehlt dann auf der anderen Seite: Ist unser Herz bei den Kindern, Müttern, bei den illegal hier Lebenden, den Geflüchteten, den Gescheiterten, den Traumatisierten, den seelisch und geistig Erkrankten? Die wir vielleicht selbst waren oder sind? Dann wissen wir, was zu tun ist. Großmut entwickeln, barmherzig sein. Und wenn wir wie Idioten wirken: Egal. Das Gute trotzdem tun.

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Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
Kommentare  
# Isolde Schnorbach 2021-07-02 08:43
Gnade und Barmherzigkeit sind christliche Werte, die wir "pflegen" sollten, wenn wir Menschen sind. Das Gute trotzdem tun, das ist auch mutig. Schöner Artikel, danke!
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