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Vor ein paar Tagen fiel es mir gleichsam wie Schuppen von den Augen: Welche Wesen sind in unseren Gesellschaften befugt, die politischen Vertreter*innen ihrer Interessen zu wählen? Und vor allem: Wer ist nicht befugt bzw. in der Lage dazu?

Und dann fächerte sich das Panorama auf, das wir auch als Drama bezeichnen können, wenn wir wollen, immer mit dem Gefühl, so eine richtige Demokratie eigentlich doch nicht zu haben, denn: Ich fühle mich immer seltener vertreten. Irgendwie lässt man die Politik an sich vorbeirauschen. Warum eigentlich überhaupt noch wählen, wenn die Interessen der Kinder und Jugendlichen nicht mit Volldampf und höchst kreativ vertreten werden? Und während man noch gehofft hatte, dass Entscheidungsträger durch die offengelegten Wunden in der Pflege zur Einsicht gekommen wären wie auch in Schulen und Kindergärten, so müssen wir jetzt lernen, dass sich nichts geändert hat. Oder nur zum Schlechteren.

Als ich gestern aus dem Pflegeheim, in dem meine 93-jährige Mutter liegt, kam, drängten sich mir ein paar Schlussfolgerungen auf, die utopisch anmuten mögen, dabei eigentlich nur logisch zu nennen sind. Die drei Schlussfolgerungen lauten:
1. Wer nicht wählen darf, dessen Interessen werden nicht vertreten.
2. In Zeiten, in denen die Angst wächst, wächst auch die Selbstsucht.
3. Daraus folgt, dass die Lobbyist*innen, die sich empathisch mit den Interessen der Nichtwähler*innen verbinden, ebenso abnehmen.
Lassen Sie mich versuchen, diese drei Punkte zu erläutern.
Zu 1. Wer alles darf nicht wählen, hat aber eindeutige Interessen, die geschützt werden sollten? Beginnen wir mit dem, was viele von uns sicherlich völlig versponnen finden: Unsere Erde (Klima, Elemente, Mineralien, Pflanzen, Tiere). Wie viele Plätze im Parlament würden wir ihr geben?
Neugeborene, Säuglinge, Kindergartenkinder, Schulkinder. Oder sollten Eltern mehr Wählerstimmen haben, nach Anzahl ihrer Kinder? Ab wann dürfen Jugendliche wählen, wieso lassen wir deren Energie verkümmern?
Menschen mit besonderen Bedürfnissen.
Senioren, kranke (alte) Menschen, sehr alte/sehr kranke Menschen: Sie sind, wie Kinder MIT ihren Betreuer*innen zu zählen, d. h. jede*r Betreuer*in/jede*r Sozialarbeiter*in/Krankenschwester/-pfleger hat eine zusätzliche Stimme.
Menschen, die bei uns in Deutschland für deutsche Menschen arbeiten (in der Krankenpflege, Altenpflege; Erntehelfer*innen, Sexarbeiter*innen, Bauhelfer*innen, Leiharbeiter*innen müssen prozentual vertreten werden.
Die Verbeamtung von Lehrer*innen und Theolog*innen muss ein Ende haben. Sie sollten kündbar und wählbar von ihren Schützlingen sein. Damit würde es eine Erneuerung von innen von den fähigsten, menschlich reifsten Angehörigen von zwei Berufen geben, die eher an geistiger Besitzstandswahrung interessiert sind. Anstatt sich in einer Demokratie zu engagieren, in der die sogenannten Minderbemittelten immer stärker an den Rand gedrängt werden, anstatt uns mit ihrer Kreativität und praktischen Lebensweisheit zu erfreuen.

Wählen

Man stelle sich einmal vor, dass wir uns kaum mehr sorgen und fürchten müssten, dass wir die anstehenden Herausforderungen nicht würden meistern können. Wir wüssten einfach, niemand würde zurückgelassen, diskriminiert und unsere große, oft verdrängte Angst, was eine heilsame Antwort auf das Elend sein könnte: Die Menschen, die sich genau darum intensiv kümmern, säßen ja im Parlament, würden genauso geachtet wie die, die in fortschreitender Digitalisierung oder Waffenproduktion unser Heil sehen. Jede*r müsste jede*n achten, auch die im Verborgenen leben, noch oder wieder ohne Stimme.

Bitte, stiften wir einander freundlich, aber BESTIMMMT an, genau hinzusehen.
Nicht nur in die Ecken und Keller der Wohnhäuser, sondern auch in den Ecken und Keller unserer Dörfer, Städte und Landschaften. Bitte, fühlen wir uns zuständig für mehr als bis zum Gartenzaun oder für die, uns ähnlich sind oder sehen.
Der Dalai Lama würde sagen, diese Denke sei altmodisch geworden. Die universelle Perspektive hat nichts mit eingebildeter, falscher Größe zu tun, vielmehr mit Großherzigkeit, Offenheit und Mut.

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Bilder © unsplash

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann

Monika Winkelmann, geboren 1952, Mutter einer erwachsenen Tochter, geschieden seit 2019, hat 1980 mit 28 Jahren ihr erstes Meditationswochenende in Hamburg besucht. Diese tiefgreifende Erfahrung sowie ihr Leben als Alleinerziehende der Tochter Lisa, geb. 1984,  bewirkten, dass sie viele Jahre a...
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