Eigentlich bestehen Heilung, Verständigung, Befreiung von Sucht und in die Irre führendem Denken immer aus derselben Maßnahme: dem oder der anderen, der Beziehung zu etwas – zum Job, zum Partner, zur Religion – Raum zu geben.
Raum geben im Atmen, im Vorstellungsvermögen, konkret-körperlich und konkret im Gespräch, sei es eins unter Freunden oder ein therapeutisches, seelsorgerisches Gespräch, ist immer das Mittel der Wahl und stets erfolgreich.
Wir stellen auf diese Weise einen „common ground“ her, ein gemeinsames Feld des Gedeihens, in dem tief geatmet, gefühlt und gewünscht werden darf. Wünsche haben eine solche Kraft! Sehnsüchte dürfen zugelassen werden, und die größte von allen ist vielleicht, die zu sein, die man und frau im tiefsten Inneren ist. Diese zu gebären, ein „coming-out“ zu erleben, vielleicht als Lebenskünstlerin – ich habe es immer wieder bezeugen dürfen in meinen Gruppen: Nichts wird stärker ersehnt als das. Und dieses Ausdrücken-Dürfen, mit Leib und Seele, als Geschenk für die Welt!
Ich bezweifele, dass wir von Natur aus egozentrisch und habgierig sind, ich habe es nicht so erlebt. Wir werden dazu gemacht, verführt, in verschiedenster Weise gezwungen. Zwang erzeugt Widerstand und Ressentiments, und die kreative Kraft, da zu sein und zu schöpfen für die Wesen, ist zum größten Teil gebunden in verzehrenden inneren und äußeren Kämpfen. Dennoch gab und gibt es immer „das Rettende“, und Menschen wie Sigmund Freud, Karen Horney, Virginia Sartir, Maria Montessori, Rudolf Steiner, Ruth Cohn, Alfred Adler, Erich Fromm, Ivan Illich, Dorothee Sölle und ach (!) die ganzen Theologinnen und Pädagogen der Theologie der Befreiung, dazu Dichterinnen aller Couleur und aller Sprachen, Malerinnen und Maler wie Gabriele Münter, Frieda Kahlo, Aktivistinnen und Aktivisten wie Jane Goodall, Joanna Macey, Marshall Rosenberg, Eugen Drewermann und so viele andere, säen den Boden seit Langem mit Mitgefühl, Solidarität, Herzenswärme und einer Bereitschaft, anderen Raum zum Wachsen, Heilen und Durchatmen zu geben, die wir nur allzu leicht und allzu schnell vergessen.
Raum geben, übrigens auch mir selbst, meinen vitalen Bedürfnissen nach Feier und Glanz, Harmonie und Beitragen zum großen Ganzen, macht glücklich und frei von Ersatzhandlungen und Ersatzbefriedigungen. Um diese Wege nachzuvollziehen und unseren eigenen daraus zu machen: Das kann und wird starke Ängste auslösen, und vielleicht bleiben wir hinter unseren Visionen zurück. Doch einmal von der wahren Erfüllung geträumt, gibt es kein wirkliches Zurück mehr, vielleicht nur einen Stillstand zum Atemholen, zum Feinjustieren des inneren Kompasses.
Ich sehe so viel Liebe auf der Welt, Mut und immer wieder Mut zum Neubeginn, auch unter widrigsten Umständen. Man denke nur an all die Wesen – Kleintiere, Pflanzen oder Mineralien, die unentwegt am Erhalt dieser Erde weben! Sie alle geben uns Raum, um umzudenken, tiefer zu denken und unseren ganz persönlichen Beitrag zu leisten, damit das Lebendige blühen und Frucht tragen darf und kann.
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