Veränderung bedeutet meist auch Trennung. Veränderungen gehören zum Leben und sind wichtig. Jedoch ist Trennung, im Gegensatz zur Einheit und zum Ganzen, irgendwie belastend! Wie geht man am besten damit um? Warum ist sie trotzdem so wichtig?
MoonHee beantwortet hier Fragen des alltäglichen Lebens oder Fragen, die ihr schon immer einmal stellen wolltet. In ihrem ersten Beitrag „Wie geht es dir heute? Danke, gut!“ findet ihr mehr Informationen dazu.
Antwort MoonHee:
Alles Sein ist Veränderungen unterworfen. Nichts ist von Dauer. Was wird, vergeht. Obwohl das eine unleugbare Tatsache ist, möchten wir das nicht wahrhaben.
Für Buddha stand fest: Das Leben ist Leiden. Wir alle kennen das: Die Endlichkeit und Vergänglichkeit allen Seins machen den Menschen leidend. In den buddhistischen Vier Edlen Wahrheiten werden die Ursache sowie die Aufhebung des Leidens thematisiert. „Die Erste Edle Wahrheit besagt, dass alles Leben Leiden ist, die Zweite deckt die Ursache des Leidens auf, die Dritte spricht von der Vermeidung des Leidens und die Vierte Edle Wahrheit mündet in dem rechten Weg der Leidbefreiung, dem Achtfachen Pfad (rechte Erkenntnis, rechte Gesinnung, rechte Rede, rechtes Handeln, rechter Lebensunterhalt, rechte Anstrengung, rechte Achtsamkeit, rechte Sammlung). Als Grund allen Leidens wird der immer wiederkehrende Kreislauf von Geburt und Tod, von Werden und Vergehen angesehen, verursacht durch die Anhaftung an Phänomene, die uns als etwas erscheinen, was sie nicht sind, und die daraus resultierenden negativen Handlungen wie Gier, Verblendung und Hass.“
Der Buddhismus vertritt weder einen Nihilismus noch einen Eternalismus. Die Welt und ihre Phänomene sind keine Illusion. Sie sind, aber nicht aus sich selbst heraus – sie existieren im Abhängigen Entstehen. Weil das eine ist, ist auch das andere. Ist das andere nicht, dann ist auch das eine nicht. Es ist wichtig, dass wir das richtig verstehen. Nicht der stete Wechsel von Werden und Vergehen führt zu Leid, daran können wir nichts ändern, sondern das Ankämpfen dagegen, resultierend aus der Anhaftung an diesem und jenem. Auch wenn das Leben aufgrund seiner Unbeständigkeit Leiden ist, ist eine Befreiung vom Leiden möglich. Sie liegt allerdings in uns selbst und nicht außerhalb von uns. Leid, Sorgen, negative Gedanken und Gewohnheiten halten nicht an uns fest, sondern wir an ihnen. Das Leben ist insofern Leiden, als wir das eine wollen und das andere nicht. Wir haben bestimmte Vorstellungen und Wünsche, wie etwas sein müsste. Stimmen diese nicht mit der Realität überein, dann sind wir unglücklich.
Deshalb ist die Ursache allen Leidens die Anhaftung – weil sie immer auch Ablehnung bedeutet. Leid ist immer eine Form von Zerrissenheit und Trennung: Weil wir zwei sind und nicht eins, leiden wir. Hingegen ist Glück dort, wo Einheit ist.
Obwohl wir uns alle nach Einheit sehnen, missverstehen wir sie bzw. denken wir sie zu klein. Einheit ist nicht das Gegenteil von Vielheit oder Veränderungen. Einheit ist nichts Statisches. Einheit ist Einheit, weil es in ihr keine Trennung gibt – sie schließt ein und nicht aus. Veränderungen sind natürlich und notwendig. Ohne Bewegung wäre kein Leben möglich. Es gäbe weder uns noch das Universum. Auch wenn sich alles unaufhörlich verändert, sind wir dennoch ein Teil des großen EINEN Ganzen. Die Natur trennt nicht. Ebenso stellt sie sich auch nicht gegen den Lauf der Dinge. Wir sind es, die trennen und Grenzen ziehen.
Alles Leid beginnt, weil wir uns irrtümlicherweise als getrennte und isolierte Wesen wahrnehmen. Da wir von uns selbst ausgehen, sehen wir Trennungen, wo keine sind.
Veränderungen werden als schmerzhaft empfunden, weil wir gerne das, was wir haben oder kennen, festhalten. Das Ich denkt in Haben und Verlust. Da es sich als isoliertes Wesen wahrnimmt – darin liegt das Ich-Sein –, will es mehr und nicht weniger. Aus der Sicht des Ich stellen Veränderung, Verlust ein Versagen dar, ein Art Mangel am Ich. Leid ist dort am stärksten, wo wir dagegenhalten oder, anders gesagt, wo das Ich regiert. Je mehr wir mit der Veränderung mitgehen, sie annehmen und zulassen, desto weniger belastet sie uns. Die Befreiung von Leid und Schmerz liegt einerseits im Loslassen und andererseits im Annehmen: dem Loslassen des Egos, das eine zu wollen und das andere nicht, und der Annahme der Situation, wie sie ist. Der Mensch findet Freiheit vom Leiden, wenn er in Akzeptanz lebt. Denn Annahme ist Einssein: Sind wir eins mit uns selbst, sind wir es auch mit der Welt. Jenseits des getrennten Ichs sind wir mit allem verbunden, was ist. Dort gibt es nur Einheit und keine Trennungen. Dann stellen Veränderungen, Vielfalt und Andersartigkeit keine Bedrohungen mehr dar.
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