Lässt das Prinzip der Kausalität Freiheit zu oder ist alles vorherbestimmt?
MoonHee beantwortet hier Fragen des alltäglichen Lebens oder Fragen, die ihr schon immer einmal stellen wolltet. In ihrem ersten Beitrag „Wie geht es dir heute? Danke, gut!“ findet ihr mehr Informationen dazu.
Antwort MoonHee:
Auf Ursache folgt Wirkung. Folgt daraus ein Determinismus? Ganz gleich, wie wir uns verhalten oder die Dinge zueinander stehen, alles ist schon festgelegt. Vielleicht ist alles schon im Universum eingeschrieben und vielleicht auch schon passiert. Vielleicht sind wir nur Erfüllungsgehilfen.
Intuitiv widerspricht das jedoch unseren eigenen Erfahrungen. Wir nehmen uns nicht nur als Bewusstseinswesen mit einem freien Willen wahr, wir empfinden uns auch als einzigartig und individuell. Kann es aber in einem in sich abgeschlossenen System so etwas wie Individualität geben bzw. ergibt das noch Sinn? Ein determiniertes Universum schließt Freiheit aus. Alles wäre berechenbar: Wenn A, dann B, aber auch: wenn B, dann auch A. Eine Ursache hat nur eine Möglichkeit, sich zu verwirklichen, und damit diese Möglichkeit sich verwirklicht, muss genau A sein. Ich habe Hunger, also esse ich. Ich esse, weil ich Hunger habe. Aber selbst wenn ich Hunger habe, bin ich nicht gezwungen zu essen, ich kann fasten, oder ich esse aus purer Langeweile, obwohl ich keinen Hunger habe. Natürlich könnte genau diese Reaktion in der Matrix eingeschrieben sein und ich kann gar nicht anders, als so zu handeln. Freiheit wäre dann ein Trugschluss. Veränderung und Entwicklung wären reine mechanische Abläufe.
Eine andere Variante wäre eine Art flexibler Determinismus, hier könnte ein Satz von Möglichkeiten zur Wahl stehen. Dennoch wäre die Zukunft per se nicht offen, sondern auf die eine oder andere Weise beschränkt und festgelegt. In einem abgesteckten Spielfeld, wie ein Computerprogramm, hätten wir „bedingte Möglichkeitszüge“. Was uns jedoch von einem Computerprogramm unterscheidet: Wir haben ein inneres Erleben, und Erleben ist etwas sehr Individuelles und Schöpferisches. Beides ist nur wahr, wenn die Zukunft noch vollkommen offen ist: Freiheit ist die Möglichkeit „der Möglichkeit aller Möglichkeiten“. Freiheit bezieht sich auf das Ganze und ist inklusiv. Dort, wo begrenzt und ausgeschlossen wird, ist keine wirkliche Freiheit.
Wir können uns darin täuschen, freie Wesen zu sein. Jedoch, dass wir denken und fühlen, darin können wir uns nicht täuschen. Schon allein, dass wir denken und zu einem inneren Erleben fähig sind, verweist darauf, dass wir nicht berechenbar sind. Durch Denken und Fühlen können wir uns nicht nur entwickeln, wir können sogar über uns selbst hinausgehen. Wir müssen nicht, aber wir können. Das ist auch eine Art von Freiheit. Der Mensch als denkendes Bewusstseinswesen besitzt die Fähigkeit zur Transzendenz. Was nichts anderes bedeutet, als neue Möglichkeitsräume zu erschließen. Denken ist das Erforschen des Möglichkeitsraums. Dann wird aus Undenkbarem Denkbares, aus Nichtgreifbarem Greifbares, aus Unfreiheit Freiheit. Alle Beschränkungen stellen eine Grenze im Denken dar, gehen wir darüber hinaus, eröffnet sich ein unendlicher Möglichkeitsraum. Ob und wie weit wir diesen nutzen, liegt an uns: Wie weit sind wir mündig und zur wahren Freiheit bereit?
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