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Diskurs

Diese Kolumne möchte ich dem Maß widmen. Was hat es für einen Sinn, über die Gier zu reden? Über das ‚Zuviel’ in jeder Hinsicht? Was die einen zu viel haben, haben die anderen zu wenig, es ändert sich nur das Vorzeichen, einmal +viel, einmal -viel. Das ist eine einfache Rechnung.

Ja, wir sind betroffen, wir reden, wir schreiben, wir unterschreiben, manchmal spenden wir auch. Viele von uns sind zu dick, nicht, weil sie krank sind, nein, sondern ganz schlicht, weil sie zu viel essen. Macht nichts, seit neuestem sind sie doch krank. Adipositas nennen wir das. Drogenkrank, nikotinkrank, esskrank, sexkrank, kaufkrank, computerkrank, spielkrank, eigentlich sind wir eh alle krank. Echt gut, so sind wir zumindest nicht selbst verantwortlich, Krankenkassa zahlt, der Papa Staat soll das richten, schließlich sind wir krank. Manche werden auch eingesperrt. So weit, so gut. Doch was steckt dahinter? In armen Zeiten gibt’s keine Fettsucht, keine Kaufsucht, keine Computer-/Spielsucht, keine Drogen, auch Alkohol muss bezahlt werden. Haben wir vielleicht doch von allem zu viel?
Auf die Frage „Was brauchst du wirklich, damit du ein gutes Leben hast?“ sind die Antworten meist einfach und stereotyp: Gesundheit, genug Geld, Familie, Beruf. Ja, und alles, was man sich mit genug Geld so kaufen kann. Aber was ist genug? Ayurveda sagt in den meisten Bereichen, was genug ist: 1 Handvoll festes Essen, ¼ Handvoll Wasser, der Rest soll leer bleiben, sechs bis acht Stunden Schlaf, kein Alkohol, selbstverständlich keine Drogen, vom Sex auch nur ein Maß voll, je nach Alter und Gesundheit und Jahreszeit, vom Wohlstand soll man teilen, das Wissen kostenlos weitergeben, der Arzt soll nur so lange Geld nehmen, solange seine Leute gesund sind, man soll in Demut und Ehrlichkeit, in Gebet und Ehrfurcht vor der Schöpfung, in Freude und Dankbarkeit leben. Ja, das alles wissen wir eh, aber ....

Das untrügliche Zeichen für ‚im Gleichgewichtsein’ ist, dass wir wissen, was für uns gut ist und es auch tun! Das untrügliche Zeichen für Ungleichgewicht ist, dass wir zwar wissen, was gut wäre, es aber nicht tun. Dann regiert: „Ja, ich weiß eh, aber ....“

 

 

Alles in Maßen – auch das Maß! Es geht wohl darum, das persönliche Maß zu finden. Doch was ist mein Maß? „Ja, ich weiß eh, aber ....“ – entsteht es nicht vor allem dadurch, dass in den meisten (westlichen) Menschen das Grundgefühl „ICH BIN NICHT GUT GENUG“ vorherrscht? Wir machen entweder zu viel oder zu wenig, wir machen es schlecht oder besser als alle anderen, wir tun und tun und sind nie gut genug. Wie sollen wir mit dieser Grundenergie herausfinden können, was das eigene gute Maß ist? Und auch da gibt Ayurveda, die unendliche Wissenschaft, die richtigen Antworten. Die richtige Pflege der Sinnesorgane, die den rechten Gebrauch der äußeren Sinne ermöglichen, die rechte Entwicklung der Intelligenz, des ‚Buddhi’, einer Ebene des Geistes, die entscheidet, was für uns gut ist, und – wie ein Türlsteher – darauf achten soll, was von außen nach innen gehen darf. Wenn diese Ebene nicht gut geschult ist, sind die Grenzen offen und die Diskussion, ob wir die Grenzen wieder bewachen und schließen sollten, wäre auf dieser Ebene sinnvoll und heilsam.
Ayurveda ist eingebettet in die Lehre des Yoga und des Tantra, aber was haben wir in unserer Gier daraus gemacht? Ayurveda ist eine Schickimickiwellnessmarke (Ich hab eh Ayurveda gemacht, ich war 2 Wochen in Sri Lanka oder Indien!), Yoga ist Power-Yoga (Wie bleibe ich ewig glatt und jung?) und Tantra eine Sexpartie (Wie kann ich noch mehr besseren Sex haben?) geworden. Ach, und auch in Indien gilt das Ansteigen der Wirtschaftszuwachsrate am meisten (die Reichen werden auch dort noch unvorstellbar reicher ....).
Was bleibt uns also, was bleibt mir noch zu sagen übrig (um nicht noch mehr in die Savonarolaecke zu rutschen)?
Ayurveda ist eine Lebenslehre, die von nichts anderem redet als vom rechten Maß!
Sie redet vom rechten Weg, der da geht über Selbst-Erfahrung, Selbst-Wahr-Nehmung und Selbst-Erkenntnis – und, leider, leider, da geht kein Weg vorbei. Ayurveda muss man lernen und dann leben!
So wünsche ich Ihnen einen leichten Weg!

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Renata Mörth

Renata Mörth

Renata Mörth, geboren 1945, ist Pharmazeuthin und Psychotherapeuthin und führt seit 1980 das Ayurverdahaus Nexendorf. www.ayuverda-verein.at  
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