„Religion ist das Opium des Volkes“, wie Karl Marx sagte und nicht nur er entlarvte die verführerische Funktion all der Meister, Propheten, Gurus, Religionen und Philosophien der Menschheit.
Wir wissen nicht, wann und warum gerade der Mensch sich seiner Ausgeliefertheit und Hilflosigkeit im Leben bewusstgeworden ist. Jedenfalls haben wir die Angst entwickelt, die uns all die Jahrtausende dazu getrieben hat, Götter und Göttinnen zu erfinden, die uns helfen sollten, trotz dieser Angst – mehr oder weniger lang – halbwegs gut zu überleben. Bis heute wissen wir nicht, ob Löwen, Affen und all die anderen Tiere Götter haben, auch Mausreligionen sind unbekannt, es dürfte daher also eine ziemlich exklusiv menschliche Performance sein.
Nun, die haben wir gelernt, perfekt, opferbereit, hintertrieben, gefährlich, auch hilfreich allemal. Wir Menschen opfern gerne auf allen möglichen Altären, den Opfertischen der GöttInnen, der Despoten, der Vaterländer und Ideologien – wenn’s sein muss, auch unser Leben. Irgendjemand hat sich einmal die Mühe gemacht, die GöttInnen Indiens zu zählen, es sind mindestens 300.000! Das ist auf jeden Fall lustig und abwechslungsreich, alle dürfen sich genau die passenden aussuchen und ordentlich anbeten, die helfen dann auch sicher. Gefährlicher wird die Religion, wenn sich irgendeiner der Männer einbildet, dass ausgerechnet er von dem einen, einzigen Gott die neuen Gesetzestafeln gemailt bekommen hat. Noch gefährlicher wird es, wenn diese Auserwählten sich einbilden, dass ihr Volk das allereinzigste ist und somit ausnahmslos alle, auch die Anderen, die sogenannten Ungläubigen, ihren Regeln, Gesetzen und Ritualen folgen müssen.
Dass Gott, so es ihn gibt, keine Religion hat, ist noch nicht durchgedrungen. Diese gesellschaftlichen Musterdecken kann man beliebig über alle Völker und Zeiten, alle politischen und religiösen Systeme drüberbreiten, unter ihnen finden wir jeden Irrsinn des Menschseins. Schon der Titel dieses Heftes löst in mir ungeduldigen Ärger aus, alles nur Meister, Gurus und Verführer, ja!? Ich bin eine Guresse, wenn’s recht ist. Trotz all der Angst vor dem Leben und Sterben haben wir all die Jahrtausende unseren Ayurveda, unser Wissen vom Leben, entwickeln müssen, wir haben darin Meisterschaft erlangt, sonst hätten wir es nicht bis heute geschafft. Mit Ackerbau und Viehzucht über Architektur, Wasserbau, Medizin, Physik, Technik und Kunst haben wir uns die Erde untertan gemacht. Wir haben Schuhe, Autos, Flieger, Raketen und Städte gebaut, Kriege geführt und alles zerstört, das Patriarchat mit Demokratie verwechselt, aber auch Mozart und Michelangelo, Maria Callas und Madame Curie und all die anderen MeisterInnen gehören zu der Truppe.
„Dona nobis pacem!“ Ach ja, wer soll uns Frieden GEBEN? Gott, Guru, Meister, Religion, Politik? Seit neuestem auch wieder mal ein Führer? Und bitteschön, was ist Frieden? Auch da haben wir unendlich viele Definitionen, aber was ist Frieden wirklich? Wovor, von wem, von was und für was? Wir haben hier in Mitteleuropa seit 74 Jahren ‚Frieden‘, ist das schon viel zu lang, weil ja nichts schwerer zu ertragen ist als eine Reihe von glücklichen Tagen? Wir hatten Frieden und wie viel wirklichen Frieden und wirkliche Freude hatten/haben wir?
In Zeiten wie diesen ist es wichtig, sich keine Angst einreden zu lassen, keine leichte Übung, aber dringend überlebensnotwendig. Für uns, die Demokratie, das endlich zu erschaffende MaPachat (Matriarchat+Patriarchat) und Frieden auf unserer Mutter Erde!
In diesem Sinn: Bleiben Sie cool, wie immer das ausschaut!
Ihre Renata Mörth
Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 107: „Guru, Meister und Verführer"
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