Der organisierte Buddhismus in Deutschland ist auch für andere europäische Länder typisch. Das Spektrum reicht von weltoffenen Säkularisierern bis zu traditionstreuen Linienhalter.
Die 1955 als „Deutsche Buddhistische Gemeinschaft“ gegründete und 1958 in „Deutsche Buddhistische Union“ (DBU) umbenannte Dachorganisation buddhistischer Gruppen in Deutschland reklamiert für sich, alle Haupttraditionen des Buddhismus und somit den Buddhismus als Ganzes in Deutschland zu vertreten. Buddhisten gehören bekanntlich unterschiedlichen Schulen an. Die DBU umfasst zurzeit 63 Mitgliedsgemeinschaften, deren Größe von knapp über einem Dutzend bis zu mehreren Tausend Einzelmitgliedern reicht, dazu zählen noch etwa ein halbes Dutzend Gemeinschaften in Warteposition. Insgesamt gehören dem Dachverband der deutschen Buddhisten etwa 15.000 Personen an, wobei der tibetische Buddhismus mit 28 Gruppen die größte und mit Abstand mitgliederstärkste Fraktion bildet. Die überwiegende Zahl der Mitgliedsgemeinschaften sind Gruppen mit einem strengen Traditionsbezug, denen die „Reinhaltung“ und Bewahrung der eigenen Linie der Kitt ist, der sie zusammenhält. Trennscharfe Abgrenzungsmerkmale gegenüber anderen Strömungen fungieren als identitätsstiftende Orientierungen, wobei die zugrunde liegenden Unterschiede viele Jahrhunderte zurückdatieren und sich heute nur noch in Fragmenten historisch belegbar aufarbeiten lassen.
Neben Gruppen, die sich den verschiedenen Traditionen zuordnen, gibt es innerhalb der DBU noch einen Zusammenschluss von Einzelmitgliedern, die „Buddhistische Religionsgemeinschaft“ (BRG), der auch traditionsunabhängige Buddhisten angehören. Mit ihr haben sich die Einzelmitglieder, derzeit über etwa 2.200, und dazu 2.500 assoziierte Mitglieder, die keine Beiträge zahlen und nicht über Stimmrechte verfügen, ein eigenständiges Forum geschaffen. Die DBU verfügt also über eine Dualstruktur in Form von Gruppen- und Einzelmitgliedschaften. Die organisatorische Trennlinie verläuft somit nicht wie in den asiatischen Ländern zwischen Ordensbuddhisten und Laien. In erster Linie ist die DBU ein Dachverband von Gruppen, die über diese Institution ihre Einzelinteressen regulieren und Synergieeffekte anstreben. Die Delegierten der Einzelmitglieder haben nur geringe Mitspracherechte von vier Prozent aller Stimmen auf den Jahresversammlungen der DBU – und das, obwohl die Einzelmitglieder in der Summe mehr als die Hälfte des gesamten Beitragsaufkommens einzahlen. Auf den Ratssitzungen haben sie derzeit nur ein „Gastrecht“.
Verbandsbuddhismus als Organisationsprinzip
Das primäre Verständnis der DBU als Vertreterin von Gruppen ist einer der Gründe für die immer wiederkehrende Kritik an Rat und Vorstand der Vereinigung. Ein Beispiel dafür ist der Umgang mit den Missbrauchsskandalen der letzten Jahre. Nachdem über diese Vorfälle in der Presse zu lesen war, erwartete die Öffentlichkeit natürlich eine Stellungnahme des offiziellen Vertretungsorgans. Doch Rat und Vorstand waren jedes Mal in einem Dilemma, geht doch die von dem Skandal betroffene Gruppe davon aus, dass sich die DBU als „ihr“ Interessenvertretungsorgan schützend vor sie stellt, schließlich sind sie ja deswegen dem Zusammenschluss beigetreten und zahlen dafür regelmäßig Beiträge. Demgegenüber erwarten Betroffene und kritische Buddhisten natürlich ein ethisches Urteil, das sich aus den Grundüberzeugungen der Lehre speisen muss. In der Vergangenheit haben fast alle Stellungnahmen zu solchen Skandalen die institutionelle Loyalität höher bewertet als die Interessen der durch Missbrauch geschädigten Menschen. Nicht ganz unähnlich dem Schutz missbrauchender Priester vonseiten der katholischen Amtskirche wurde alles auf dem Rücken der Opfer ausgetragen. Diese sollten sich doch an Gerichte wenden, hieß es beispielsweise in einer Stellungnahme des Rates vom August 2017, nachdem sich durch einen offenen Brief von Betroffenen und mehrere Presseberichte der Skandal um den Rigpa-Guru Sogyal Rinpoche (1947–2019) nicht länger vertuschen ließ – und er war nur einer von vielen! Während die Süddeutsche Zeitung ausführlich über die Leidensgeschichten dieser Menschen berichtete, fanden sie in der DBU-Verbandszeitschrift „Buddhismus aktuell“ keine Stimme. Eine offene und schonungslose Auseinandersetzung mit diesem Thema und insbesondere den guruistischen Machtstrukturen und Scientology-ähnlichen Zuständen in einigen Mitgliedsgemeinschaften gab es im Zentralorgan des deutschen Buddhismus bisher nicht.
Immerhin wurde auf der letzten Mitgliederversammlung der DBU im Oktober 2020 eine „Ethische Selbstverpflichtung“ mit Mehrheit angenommen, die eine „AG Ethik“ erarbeitet hatte. Allerdings lag sie lediglich als freiwillige Selbstverpflichtung zur Abstimmung vor. Gegen den Widerstand von tibeto-buddhistischen Vertretern wurde jedoch die Veröffentlichung einer Whitelist duchgesetzt, sodass die Liste der Unterzeichner der Selbstverpflichtung eingesehen werden kann. Aufgrund der Tatsache, dass viele von Missbrauch betroffene Menschen Hilfe suchten, wurden vor einiger Zeit zwei „Ansprechpersonen für Missbrauchsfälle im buddhistischen Kontext“ benannt. Beide sind Psychotherapeutinnen. Dieses Angebot ist von Überlebenden von Missbrauch auch bereits in Anspruch genommen worden. Aber erfüllen diese beiden Frauen nicht vor allem eine Kummerkastenfunktion? So heißt es auf der DBU-Website: „Es geht [...] nicht um objektive Aufklärung oder Schlichtung zwischen Konfliktparteien.“ Es sind entschiedene Maßnahmen bis hin zur Etablierung einer Trennungskultur notwendig. Was fehlt, ist der juristische Beistand um Betroffene bei gerichtlichen Schritten und Schadenersatzansprüchen gegen Missbrauchs-Gurus zu unterstützen.
Die Bandbreite des Buddhismus
Neben den offiziellen, das heißt den kirchenhaft oder vereinsmäßig organisierten und teilweise mit asiatischen „Mutterschulen“ eng verbandelten Gruppen gibt es in Deutschland auch die freien und flexiblen Gemeinschaften von Menschen, die meistens auf lokaler Ebene zusammenkommen und die Lehre als Gleichberechtigte ohne „Guru-Bezug“ studieren und sich über ihre gemeinsame Praxis austauschen. Diese dezentralen Gemeinschaften bilden den Gegenpol zu weltumspannenden Erleuchtungskonzernen wie Rigpa oder Shambala. In kleinen und autonomen Gruppen ist das Interesse an authentischen und traditionsübergreifenden Texten der Lehre noch am ausgeprägtesten. Der Buddhismus ist eine vielschichtige Lehre. Über seine Kerngehalte gibt es eine große Bandbreite von Auffassungen. Einigkeit herrscht letztlich weder unter den Buddhisten noch unter den akademischen Buddhismusforschern.
Wie viele Buddhisten es in Deutschland tatsächlich gibt und wie hoch der Anteil der Buddhisten, die die DBU vertritt, damit schlussendlich ist, liegt völlig im Dunkeln. Zuverlässige Zahlen stehen nicht zur Verfügung. Schätzungen sprechen von bis zu 300.000 Buddhisten. Der religionswissenschaftliche Medien- und Informationsdienst e. V. (REMID) nennt für 2015 eine Zahl von insgesamt 270.000 Buddhisten, davon stammen 140.000 aus asiatischen Ländern. Diese Zahl geht auf eine Schätzung der DBU selbst zurück, die REMID übernommen hat. Die vielen asiatischen Buddhisten sind innerhalb der Institution DBU so gut wie gar nicht vertreten. Wenn diese Zahlen korrekt sind, dann würde die DBU etwa fünf Prozent der Buddhisten in Deutschland vertreten.
Abgrenzung von Häretikern
Mithilfe eines „buddhistischen Bekenntnisses“, auf das sich die Mitgliedsgemeinschaften vor einigen Jahren verständigten, bemüht sich die DBU um eine doktrinäre Standardisierung, doch ist der gemeinsame Nenner aller unter dem Dach dieser Vereinigung zusammengeschlossenen Gruppen sehr klein. Überall erkennbar ist eine starke Abschottung innerhalb der jeweiligen Gruppen, was einen innerbuddhistischen Dialog erschwert. „Unity in diversity“ ist so mehr Wunschvorstellung als Wirklichkeit. Als auf der letzten DBU-Mitgliederversammlung die „Buddha-Stiftung – Netzwerk für säkularen Buddhismus“ einen Antrag auf Aufnahme als Mitgliedsgemeinschaft vorlegte, wurde nach massivem Widerstand aus den Reihen traditionell denkender Delegierter die Abstimmung über die Aufnahme dieser säkular-buddhistischen Gruppe abgelehnt, obwohl sich sogar Nils Clausen, der neue erste Vorsitzende der DBU, für die Aufnahme einsetzte. Als hörten die Alt-Buddhisten und -buddhistinnen zum ersten Mal von dem Begriff „säkular“ im buddhistischen Kontext, hieß es, man müsse erst einmal intern klären, ob säkularer Buddhismus überhaupt noch als Buddhismus zu betrachten sei. Eine „AG säkularer Buddhismus“ wurde beauftragt, als Diskussionsgrundlage ein Thesenpapier zu entwickeln, als was säkularer Buddhismus denn eigentlich zu bestimmen sei. Der Sprecher der Stiftung, Jochen Weber, war über diese Zurückweisung so enttäuscht, dass er seine langjährige DBU-Fördermitgliedschaft beendete. Diese Mittel sollen künftig dem Förderprojekt Buddhi-Refuge in Thailand zukommen.
Aus dem Lager des organisierten deutschen Verbandsbuddhismus schlägt säkularen und anderen, nicht dogmenkonformen Buddhisten oft Ablehnung entgegen, insbesondere tibetische Fraktionen wollen sie am liebsten sofort exkommunizieren. Um den eigenen Authentizitätsanspruch zu sichern, versucht man, die säkularen Buddhisten auszugrenzen: „Es stellt sich die Frage, warum Anhänger dieser säkularen Ausrichtung unbedingt darauf beharren, Buddhisten zu sein, auch wenn sie nicht an Grundlehren des Buddha, wie die Wiedergeburt und Karma glauben, die in der Tradition als grundlegend für die Zufluchtnahme erläutert werden“, so Oliver Petersen in seinem Bericht über die Antrittsvorlesung von Carola Roloff, einer tibeto-buddhistischen Nonne und Gastprofessorin für Buddhismus an der Universität Hamburg „Tibet und Buddhismus“.
Wer aus den Reihen der tibetischen Buddhisten so argumentiert, muss achtgeben, dass er am Ende nicht mit gleichem Maß gemessen wird. Wie viel authentischer Buddhismus steckt eigentlich noch im Vajrayana? Seine große Säule, der Tantrismus, ist nicht buddhistischen Ursprungs, jedenfalls findet sich im Pali-Kanon nichts darüber. Wiedergeburt und Karma zu „Grundlehren“ des Buddha zu erklären, ist ebenfalls anfechtbar, da sie den Hindu-Religionen seiner Zeit entstammen und sie der spätere Buddhismus als vorhandenes Gedankengut lediglich übernahm. Darüber hinaus steht die relativierende und vorwiegend motivationale Mahayana-Ethik im Widerspruch zur radikalen Handlungsethik des frühen Buddhismus. Wer also den säkularen Buddhismus als nicht authentisch ablehnt und seinen Repräsentanten keinen Zutritt gewährt, kann mit Fug und Recht auch andere Traditionslinien ausgrenzen, bis am Ende einzig er als wahrer Geisthalter dasteht. Tatsächlich sind aber all die spirituellen Stammbäume und ruhmreichen Traditionslinien, die angeblich auf Buddha selbst zurückgehen sollen, in keiner Weise wissenschaftlich belegt. Die buddhologische Forschung hat gezeigt, dass viele der mythischen Gründergestalten nachträgliche Schöpfungen sind.
Leitidee: Offenheit statt dogmatischer Verhärtung
Im westlichen Buddhismus finden wir heute beides: Traditionspflege und Traditionskritik, manifestiert in den Extremen der strengen Orientierung an asiatischen Formen einerseits und einer radikalen Verwestlichung andererseits. Der historischen Mythologisierung des Buddhismus, insbesondere durch tibetische Buddhisten sowie durch die Anhänger der Schule des Reinen Landes in China, Japan und Korea, steht heute eine Rationalisierung der Lehre durch traditionsübergreifende Buddhisten und die Vertreter eines säkularen Buddhismus gegenüber. Die DBU spiegelt die tatsächliche Breite der buddhistischen Lehre derzeit nicht wider. Anstelle von Vielfalt zeigen sich deutliche Tendenzen in Richtung Abkapslung und dogmatische Verhärtung. Möglicherweise haben die Reformkräfte mit dem neuen Rat, der bei der letzten Mitgliederversammlung der DBU im Oktober 2020 gewählt wurde, Oberwasser gewonnen. Notwendig ist grundsätzlich beides: buddhistische Traditionsbewahrung und die gleichzeitige Abkopplung von tradierten Denk- und Handlungsmustern, die inhuman sind und nicht in moderne und aufgeklärte Gesellschaften passen. Der Buddhismus im Westen muss endlich „westlich“ werden. Dabei gehört die Guru-Devotionalität ganz gewiss auf den Prüfstand! Sie ist ohnehin ein späteres Phänomen und findet sich im frühen Buddhismus nicht. „Geheime Lehren“ und außerweltliche Überlieferungen passen nicht in die Lebenswirklichkeit liberaler Kulturen. Insbesondere die Narrative der allwissenden asiatischen Meister und der lebenden Buddhas, denen die so liebenswerten, aber ewig naiven westlichen Schülerinnen und Schüler gegenüberstehen entpuppen sich immer öfter als bloße Legitimationen brutaler Machtausübung, um feudalistische und ausbeuterische Kulte zu etablieren und am Leben zu erhalten. Es sind die allgemeinen Muster menschlicher Macht und Herrschaftsausübung. Da unterscheiden sich buddhistische Gruppen grundsätzlich nicht von anderen.
In der öffentlichen Wahrnehmung hat sich das Bild des Buddhismus in den letzten Jahren ohnehin stark verändert. Wo er früher als Prototyp einer „Vernunftreligion“ galt und vor allem als Lehre der Friedfertigkeit wahrgenommen wurde, finden sich heute immer öfter Bilder sektoiden Gebarens und der Legitimation, wenn nicht gar der Anstachelung ethnischer Konflikte. Im Westen waren in den letzten Jahrzehnten charismatische Repräsentanten der Lehre wichtiger als die schriftliche Überlieferung. Wo sich auf diese gestützt wird, dominiert eine wörtliche Textexegese, und es gibt nur geringe Bereitschaft, sich diesen Schriften im Kontext ihrer historischen Entstehung und damit ihrer Bedingtheit zu nähern. So herrschte lange Zeit eine Haltung, die eigenen kulturellen Werte ganz unreflektiert über Bord zu werfen und vollständig in die gedanklichen Systeme fernöstlicher Schulen einzutauchen. An die Stelle der Integration des Fremden in die eigene Kultur trat die Etablierung subkultureller Parallelwelten.
Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 115: „Rede mit mir!"
Die Altvorderen, die gerade die Aufnahme der Säkularisierer aus lehrdogmatischen Gründen blockierten, sind genau diejenigen, die in Großmut und Gelassenheit jahrzehntelang die Präsenz von Gurus in ihren Reihen duldeten, die unter anderem durch rassistische und fremdfeindliche Äußerungen in Erscheinung traten, sowie durch zahlreiche Missbrauchsskandale. Die Abschottung gegenüber Häretikern korrespondiert im organisierten deutschen Buddhismus mit dem Fehlen einer Trennungskultur gegenüber Personen und Gruppen mit ganz offensichtlichen ethischen Verfehlungen. Vielleicht liegt die Zukunft des organisierten Buddhismus in Deutschland eher in einem Vertretungspluralismus, wie es ihn etwa in Taiwan gibt, wo sich die Buddhistinnen und Buddhisten des Landes in unterschiedlichen Vereinigungen zusammengeschlossen haben.
Hans-Günter Wagner ist ein traditionsübergreifender Buddhist. Er war fünfzehn Jahre in China beruflich tätig und studierte dort den chinesischen Buddhismus. Heute ist er Chinesisch-Lehrer und Übersetzer buddhistischer Prosa- und Lyrikwerke.
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"Am 29.12.2019 stellte die Buddha Stiftung – Netzwerk säkularer Buddhismus schriftlich und formgerecht den Antrag auf Aufnahme als Mitglied in der DBU. Claus Herboth [Anmerkung: Mitglied des dreiköpfigen Vorstands der DBU i.S.v. § 26 BGB] hat den Vorstand der Stiftung besucht und festgestellt, dass sie die Aufnahmekriterien erfüllt.
Der Rat sieht nach der Antragsbegründung keinen Widerspruch zur buddhistischen Lehre. Insoweit mit der Aufnahme dieser Gruppe jedoch eine Grundsatzentscheidung der DBU über säkularen Buddhismus getroffen werden soll, kann und will der Rat diese nicht allein treffen."
Anmerkung: Die Aufnahmekriterien für buddhistische Gemeinschaften - sowie auf Antrag des Rates (über den die Mitgliederversammlung entscheidet) auch andere juristische Personen wie Stiftungen - sind in erster Linie die Zustimmung zum 'Buddhistischen Bekenntnis' (ich werde darauf noch zurückkommen), Darlegung und Praxis des Dharma, eine Mindestanzahl von 10 Mitgliedern und ein mindestens dreijähriges Bestehen zum Zeitpunkt der Antragstellung.
"Für die buddhistische Gemeinschaft Buddha Stiftung – Netzwerk säkularer Buddhismus ist Dr. Jochen Weber als deren Vertreter auf der MV gegenwärtig. Dr. Jochen Weber, der Vertreter stellt die Gemeinschaft der Mitgliederversammlung vor.
Das Thema Säkulärer Buddhismus wird kontrovers diskutiert und man stellt fest, dass es hier noch erheblichen Informationsbedarf und Auseinandersetzung mit dem Thema bedarf. Deswegen wird beschlossen, um den Antrag der Gruppe nicht abzulehnen, darüber abzustimmen ob über den Antrag zu einem späteren Zeitpunkt abgestimmt werden soll.
[...]
Der Antrag über die Aufnahme der Buddhastiftung – Netzwerk säkularer Buddhismus auf dieser MV abzustimmen, wird abgelehnt."
Grundsätzlich: die Erfüllung der Aufnahmekriterien ist conditio sine qua non für eine Aufnahme; sie begründet jedoch keinen Anspruch darauf. Ansonsten nochmals zur Verdeutlichung: der Aufnahmeantrag wurde nicht abgelehnt, sondern die Abstimmung darüber vertagt; mit 23 Stimmen gegen 17 bei 5 Enthaltungen. Ich persönlich halte das für eine wenig sinnvolle Entscheidung, da für die Befriedigung eines Informationsbedarfs über ein neues Mitglied immer eine dreijährige Probezeit vorgesehen ist, nach deren Ablauf eine erneute ('endgültige') Abstimmung der Mitgliederversammlung vorgesehen ist. Drei Jahre sollten da jedenfalls ausreichend sein. Andererseits war ich bei der Diskussion nicht anwesend und weiss daher nicht, warum man diese Option nicht nutzen wollte oder für unzureichend hielt.
Kommen wir zum 'buddhistischen Bekenntnis', das Herr Dr. Wagner als "doktrinäre Standardisierung" charakterisiert und dazu meint, dass "der gemeinsame Nenner aller unter dem Dach dieser Vereinigung zusammengeschlossenen Gruppen sehr klein" ist. Konkret sieht dieser "gemeinsame Nenner" so aus:
1. Die drei Zufluchtsobjekte Buddha, Dharma, Sangha.
2. Die vier 'edlen Wahrheiten'. Dabei ist übrigens in Bezug auf die erste der aryasatya (duhkha) nicht von einem 'Kreislauf der Wiedergeburten' die Rede, sondern von einem 'Daseinskreislauf'.
3. Die drei Seinsmerkmale (trilakṣaṇa); erweitert um die aus der tibetischen Tradition stammende ergänzende Formel 'Nirvana ist Frieden'.
4. Das Bekenntnis zur Einheit aller Buddhisten (im Sinne von 1., 2. und 3.) sowie Verpflichtung zu einem achtungsvollen und offenen Umgang miteinander. Das ist der traditionsübergreifende Ansatz der DBU.
5. Die Pañcasīla als gemeinsame ethische Grundlage.
6. Die vier brahmavihārās / apramāṇa als gemeinsame Grundlage sozialer Praxis.
Ich weiss nun nicht, welche Ansprüche an und Vorstellungen von einem "gemeinsamen Nenner" Herr Dr. Wagner hat - mir erscheint diese "doktrinäre Standardisierung" als Definition, was ein Verband wie die DBU unter 'Buddhismus' versteht hinreichend und auch klar. Und sonderlich "klein" finde ich diesen "Nenner" nicht - aber das ist wohl persönliche Geschmackssache. Was ihm da fehlt (oder zu viel ist?), verschweigt uns Herr Dr. Wagner leider. Wenn er das 'buddhistische Bekenntnis' einmal gründlich studieren würde, wäre ihm womöglich auch etwas klarer, "wie viel authentischer Buddhismus [...] eigentlich noch im Vajrayana" steckt. Was "authentischer" Buddhismus nach dem Verständnis der DBU ist, steht genau dort - das definiert nicht Herr Petersen mit seinem nach meinem Empfinden etwas albernen Spruch. Dass Herr Dr. Wagner für diesen Spruch auch noch implizit Bhikṣuni Jampa Tsedroen (Carola Roloff) in Mithaft nimmt - wobei man sich auch als säkularer Buddhist keinen zacken aus der Krone bricht, wenn man jemanden mit seinem Ordinationsnamen anspricht - ist schlicht unsauber.
Aber gut - ich will mich nicht weiter über das polemische DBU-bashing Herrn Dr. Wagners auslassen. Ich halte bei diesem Thema eine maßvolle Polemik sogar für durchaus angebracht, da sie die konträren Positionen verdeutlicht, um die es in diesem Diskurs eigentlich geht. Wobei es mE wünschenswert gewesen wäre, Herr Dr. Wagner hätte sich mehr auf deren Verdeutlichung konzentriert als auf einen pauschalen Rundumschlag.
Das Thema ist im Grunde auch nicht neu - es geht um Akkulturation des Buddhismus in unsere Kultur bzw. in die sich bildende globale Einheitskultur mit ihren stark 'westlich' geprägten, nicht zuletzt säkularistischen Anteilen. Und da gibt es, seit der Buddhismus in der westlichen Kultur Fuß gefasst hat, eben auch zwei sehr unterschiedliche Ansätze. Den des Imports einer Religion, gar einer Glaubensreligion (mit mehr oder weniger großen Anteilen kultureller Mimikry), den das Petersen-Zitat recht treffend verdeutlich - und den einer praktischen, säkularen Lebensphilosophie. Wobei letzterer Ansatz keineswegs neu ist, sondern sogar der ältere - es soll hier genügen, auf Schopenhauer (auch ein "Altvorderer", Herr Dr. Wagner ...) zu verweisen. Selbstredend geht es jedoch nicht um Seniorität und es geht auch nicht um ein entweder/oder, sondern um ein sowohl / als auch. Das macht die sichtbar gewordenen Vorbehalte in der DBU (die ausweislich des Abstimmungsergebnisses allerdings auf grob die Hälfte der Mitglieder begrenzt sein dürften) durchaus kritikwürdig. Zumal es hier ja nicht um ein Konkurrieren geht; die unterschiedlichen Ansätze richten sich ja offensichtlich an unterschiedliche Zielgruppen. Und diese duale Charakteristik - auf einer Seite eine vorwiegend durch Glaube und Devotion gekennzeichnete Volksreligion, auf der anderen eine außerordentlich fruchtbare, auf epistemische und ethische Probleme konzentrierte Philosophie, deren Folgerungen auf Umsetzung in der Lebenspraxis angelegt sind - ist ebenfalls nicht neu, sondern hat seit jeher in den asiatischen Herkunftsländern koexistiert. Jedenfalls weist es nach meiner Auffassung in eine falsche Richtung, wenn sich die DBU dieser 'säkularen' Option der Akkulturation verschließen würde - aber überzogene Polemik ist da nicht wirklich hilfreich. Jedenfalls ist Akkulturation die eigentliche Kernaufgabe der DBU und da sollte sie möglichst breit aufgestellt sein. Dass dies nicht zu einer Beliebigkeit von Lehren und Praktiken führen sollte, versteht sich und das macht die Vorbehalte, den geltend gemachten 'Informationsbedarf' bei einer doch sehr jungen bzw. gerade erst entstehenden 'Tradition' (falls der Begriff hier überhaupt angebracht ist) auch ein Stück weit verständlich. Aber da hat die DBU mit ihrem buddhistischen Bekenntnis ein durchaus brauchbares Instrument zur Integration und Bündelung der Anstrengungen unterschiedlicher Traditionslinien und eben auch unterschiedlicher Ansätze bei der Rezeption des Buddhismus. Die Zersplitterung durch einen Verbandspluralismus (ein drohender Wink mit dem Zaunpfahl?) hielte ich für Akkulturationsbestrebungen eher für kontraproduktiv - dafür geben die Muslime Deutschlands ein hinreichend deutliches Beispiel.
Es ist äußerst bedauerlich, das es nur so wenig kritische Stimmen gibt und die Konsequenzen zugunsten eines ehrlichen und authentischen Buddhismus nicht wahrnehmbar sind.
Es ist nicht unbuddhistisch, Missstände, Dogmen und Aberglaubensüberlieferungen im Buddhismus zu kritisieren und in Frage zustellen. 26oo Jahre nach Buddhas ableben, sollten Buddhisten die überlieferten buddhistischen Weisheiten auf ihre Wirkung und Tauglichkeit hin, auf die gegenwärtige Lebensrealität überprüfen.
Schon der Buddha betonte, dass auch seine eigene Lehre (wie alle Dinge) dem Wandel unterliegt und stets in der Darstellungsform der jeweiligen Zuhörerschaft und ihrem
spezifischen historisch-sozialen Kontext angepasst werden muss.
Buddhas Pfad der Weisheit, „mache das Heilsame, lasse das Unheilsame
und entwickle deinen Geist, ist eine gut zu praktizierende Anleitung.
Mit freundlichen, aberglaubens- , dogmenfreien, heilsamen,buddhistischen Grüßen
Uwe Meisenbacher