Die Klimakrise wird das Leben auf der Erde und auch das des Menschen nachhaltig verändern. Der Bericht des Weltklimarats von 2022 lässt keinen Zweifel daran, doch der Mensch ist träge und will nichts verändern.
In den vergangenen Jahren musste der Mensch mit Krisen fertigwerden. Geradezu übergangslos glitt die Gesellschaft von den traumatischen Erlebnissen der Pandemie in den Krieg, der an den Grenzen Europas tobt, und von dort mitten hinein in eine Energie- und Wirtschaftskrise. Alle mussten in dieser Zeit lernen, mit Einschränkungen zu leben: Ausgangssperren und Maskenpflicht während der Pandemie, Arbeitslosigkeit, horrende Gas- und Strompreise und weniger Geld am Ende des Monats.
Das sind harte Einschnitte, für viele sogar die härtesten, die sie jemals erlebt haben. Die Hoffnung ist jedoch, dass irgendwann alles wieder so sein wird, wie es vor der Krise war.
Die unangenehme Nachricht ist: Diese Hoffnung ist eine Illusion. Was wir jetzt erleben, den Verlust von Wohlstand, ist sehr wahrscheinlich nur ein Vorgeschmack auf die größte aller Krisen der Zeit: die Klimakrise. Sie wird die Gesellschaft fundamental verändern – und das dauerhaft.
Sprechen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von einem Wandel des globalen Klimas, geht es nie um ein, zwei Jahre. Im Gegensatz zu Corona oder der Energiekrise werden auch Entlastungspakete oder Wiederaufbauhilfen wenig Abhilfe schaffen – auch wenn von der Politik weiterhin Normalität versprochen wird.
Die weltweite Erderwärmung löst Prozesse aus, an denen sich nationale Regierungen, die Vereinten Nationen oder internationale Institutionen wie der Internationale Währungsfonds Jahrzehnte abarbeiten werden. Die Anfänge dieser globalen Krise spüren Bewohner ärmerer Regionen oder in Klima-Hotspots wie der Sahelzone und den pazifischen Inselstaaten schon länger.
Der Zustand des Zurücksteckens ist sehr wahrscheinlich nur ein Vorgeschmack auf die größte aller Krisen unserer Zeit: die Klimakrise.
Doch auch in Deutschland ist die Krise angekommen. Nach mehreren Hitzesommern und folgenschweren Fluten weiß der Mensch auch hierzulande, was es heißt, in Zeiten des Klimawandels zu leben. Doch wie schlimm wird uns die Klimakrise treffen – und können wir uns schützen?
Alle sechs Jahre machen die Klimaforscher eine Art Inventur. Forscherinnen und Forscher aus der ganzen Welt werten alle wissenschaftlich relevanten Studien zum Klimawandel aus und veröffentlich unter dem Dach des Weltklimarats der Vereinten Nationen den „Sachstandsbericht“. Der aktuelle Report erschien 2022 in mehreren Teilen und hat erneut eine Prognose für die Zukunft abgegeben – sie enthält schlechte Nachrichten.
Demnach könnte der Anstieg der globalen Mitteltemperatur von 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau bereits früher erreicht werden als bisher angenommen. Der Grund: Weiterhin werden jedes Jahr Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2) und anderer Treibhausgase in die Atmosphäre entlassen – zum Beispiel durch Kohlekraftwerke, Zementfabriken, Autos, Flugzeuge oder die Landwirtschaft.
Der Anteil von CO2 ist allein in den vergangenen 150 Jahren von 280 ppm (CO2 pro eine Million Teilchen Luft) auf rund 420 ppm angestiegen. Die CO2-Kurve geht steil nach oben, die Temperaturkurven ziehen nach – die globale Mitteltemperatur hat sich bereits um rund 1,2 Grad erhöht. Meteorologen und Klimaforscher demonstrieren mit eindrucksvollen roten Balken zudem wegen der Häufung von extremen Hitzesommern in den vergangenen Jahren.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird damit das im Pariser Klimaabkommen beschlossene Erwärmungslimit von 1,5 Grad bereits in den frühen Dreißigerjahren erreicht – also in rund acht Jahren, so die Forscherinnen und Forscher in dem Bericht.
Die Häufung extremer Wetterlagen, etwa von Hitze, Stürmen und Starkregen, ist weltweit eine tragische Folge des Klimawandels.
Abgesehen davon, dass damit das international vereinbarte Ziel des UNO-Klimavertrags obsolet wird, riskiert die Weltgemeinschaft damit erhebliche Verwerfungen. So warnen Forscher davor, dass einige der sogenannten Klimakipppunkte überschritten werden. Kippelemente sind Teile des Erdsystems, deren klimabedingte Veränderung selbst einen bedeutenden Einfluss auf das Klima haben kann.
Das heißt: Wenn Kipppunkte überschritten werden, wird das Klima stark verändert. Oft handelt es sich dabei um einen sich selbst verstärkenden Prozess, der irreversibel ist. Er läuft sogar dann noch weiter, wenn die eigentlichen Ursachen selbst bereits behoben sind.
Ein typischer Kipppunkt ist das Abschmelzen des grönländischen Eisschilds. Dieser ist mehrere Tausend Meter dick. Schwindet das Eis, verliert der Schild an Höhe, die Eiskappe befindet sich in immer tiefer liegenden und damit wärmeren Regionen, die Schmelzprozesse beschleunigen sich. Irgendwann hat das Eis keine Chance mehr, auf die ursprüngliche Größe anzuwachsen, selbst wenn es insgesamt wieder kälter wird. Dann ist der Kipppunkt überschritten, und es gibt kein Zurück mehr.
In einem kürzliche erschienenen Bericht des Fachmagazins „Science“ warnen Wissenschaftler der englischen University of Exeter davor, dass es bereits bei den heute erreichten rund 1,2 Grad Erwärmung „möglich sei“, dass es zu solchen Kippeffekten komme – dafür gebe es erste Anzeichen. Dazu zählen laut der Studie das Abschmelzen des grönländischen und des westantarktischen Eisschilds, das Abtauen der Permafrostböden sowie das großflächige Absterben der tropischen Korallenriffe.
Auch die Abholzung des Amazonaswaldes könnte so ein Kipppunkt sein. Steigt die Erwärmung auf 1,5 Grad, würde es „wahrscheinlich“, dass die Schwelle bei einigen dieser Orte erreicht werde.
Das bedeutet nichts Gutes – auch nicht für die Menschen. Der Weltklimabericht enthält nicht ohne Grund erstmals ein eigenes Kapitel über Wetterextreme. Die Häufung extremer Wetterlagen, etwa von Hitze, Stürmen und Starkregen, ist weltweit eine tragische Folge des Klimawandels. Übersetzt heißt das: Mit mehr materiellen Schäden, hohen Kosten für den Wiederaufbau oder Entschädigungen, aber auch Krankheiten im Zuge der Hitzesommer und Verletzungen durch Katastrophen ist zu rechnen.
Die Aussichten sind beunruhigend: In Südeuropa könnten künftig Dürren zunehmen, im Norden eher Starkregen – und überall ist mit einer Zunahme von Hitzewellen zu rechnen.
Mit steigenden Temperaturen würden laut dem Bericht auch kombinierte Extremwetter möglich: Durch den Klimawandel steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Hitzewellen und Dürren oder Starkregen und Stürme gleichzeitig auftreten, was Gefahr für den Mensch bedeutet.
Die Menschen müssen deshalb nicht nur dem Treibhauseffekt Einhalt gebieten, sondern sich auch dringend besser vor diesen Folgen schützen. Auch in Deutschland und Europa sind Frühwarnsysteme für Starkregen und Stürme und Warnketten bei Unwetter nötig. Wir brauchen hitzeresiliente Städte mit mehr Parks und weniger Beton, aber auch Rückhaltebecken und Überflutungsflächen an Flüssen, um Überschwemmungen abzuwehren.
Alte Menschen und Kinder müssen besser vor Hitzewellen geschützt werden, Anwohner von Flüssen sollten einen Risikocheck ihrer Häuser machen. Unstrittig ist angesichts dieser dramatischen Lage, dass der globale CO2-Ausstoß so schnell wie möglich sinken muss. Die Treibhausgase, die heute ausgestoßen werden, sind das Problem von morgen.
Das alles lässt nur einen Schluss zu: Der Mensch sich in den nächsten Jahren verändern. Tun sie dies nicht freiwillig, werden sie von den Ereignissen zu Veränderungen gezwungen werden. Die Klimakrise als die größte Krise unserer Zeit lehrt uns: So, wie es einmal war, wird es nie wieder sein.
Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung № 123: „Buddha heute"
Dies einzusehen, fällt vielen schwer. Es ist nicht leicht, sich auf Veränderungen einzulassen und vorausschauend und präventiv zu handeln. Das liegt in der Natur des Menschen, meinen einige Historiker. In den vergangenen zehntausend Jahren seien Resilienz und Nachhaltigkeit noch nie die große Stärke des Menschen gewesen, erklärt etwa der Historiker Helmuth Trischler, Leiter des Deutschen Museums in München. Große Teile der Gesellschaft seien in „historischen Entwicklungspfaden“ gefangen, also in eingeschriebenen kulturellen Verhaltens- und Denkweisen. Es brauche viel Aufwand, um die eingetretenen Pfade zu verlassen.
Wenn Menschen sich nicht freiwillig verändern, werden sie von den Ereignissen zu Veränderungen gezwungen werden.
Bereits vor Tausenden von Jahren hätten es Menschen versäumt, ihre Städte resilient zu machen. Sie hielten sich eher an Leichtsinn statt an Vorsicht, vertrauten Göttern, statt sich mit dem realen Leben auseinanderzusetzen, sie griffen schnell zu lukrativen Angeboten, statt sich die langfristigen Folgen anzuschauen. „Oftmals mussten ganze Städte aufgegeben werden, weil Naturkatastrophen zu viele Opfer forderten und Zerstörungen anrichteten.“
Diese anthropologische Konstante müsste also erst einmal durchbrochen werden. Dafür bleibt jedoch nicht mehr viel Zeit. Der uneinsichtige Mensch – Homo insapiens – muss endlich Einsicht haben.
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