Ich kenne einen jungen Mann, der sich die Anleitungen für seine Meditationspraxis aus Büchern geholt hat. Jeden Morgen um 5:00 Uhr setzte er sich auf eine harte Kokosfußmatte – für eine Stunde, einfach so, jahrelang. Es war ihm ein Bedürfnis.
„Ganz klar ein Morgenmensch“, sagt die Teilnehmerin, als ich die Geschichte erzähle. Sie erlebt es als Zumutung, dass unsere Kurse morgens um 6:30 Uhr mit der ersten Sitzmeditation beginnen. „Spirituelle Praxis bedeutet immer auch ein Stück Selbstüberwindung“, wende ich ein. „Reibung an unseren Grenzen weckt uns auf, denn Wachstum findet selten in der Komfortzone statt.“
Wenn es um das frühere Aufstehen zugunsten einer täglichen Meditationspraxis geht, ringen die meisten mit sich. Und es stellt sich die Frage: Wie viel Mühe muss ich mir geben, wie stark muss ich mich zwingen, wie viel Frust muss ich hinnehmen, um auf meinem inneren Weg voranzukommen? Bei zu viel innerem Zwang wird der Geist nervös und spröde, er weigert sich, überhaupt noch zu meditieren. Spirituelle Praxis lebt zwar von der Reibung, ist aber auch ein Balanceakt, immer nah an der Grenze entlang, aber nicht darüber hinaus.
Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 121: „Mit allen Sinnen"
Damit wir durch Meditation Einsicht gewinnen können, braucht es aktives Bemühen und allzeit frische Achtsamkeit. Ein ganzer Abschnitt auf Buddhas achtfachem Lehrpfad ist auf das Bemühen fokussiert, Pali „samma vayama“, manche übersetzen es auch als Anstrengung. Gemeint ist die Willenskraft, die wir brauchen, um die Wurzeln unseres Verhaltens zu durchleuchten und zu unterscheiden zwischen dem, was uns und anderen wohltut, und dem, was wir lieber lassen und nicht wiederholen sollten.
Vier Aspekte charakterisieren das optimale Bemühen: Abgrenzen und Loslassen sowie Erkennen und Fördern. Anders ausgedrückt: Wir grenzen uns ab gegen Verhaltensweisen, die uns und anderen Leid zufügen, wir lassen sie schnellstmöglich los. Verhaltensweisen dagegen, die uns selbst und anderen förderlich sind, erhalten und entfalten wir.
Wie aktivieren wir in uns die Kräfte, die unser Bestes hervorbringen? Wie stärken wir die Kraft, in unserem Leben sinnvoll zu handeln? Was hilft uns, das zu tun, was wir uns vornehmen, statt in einem Zustand träger Selbstzufriedenheit zu verharren?
Entschiedenheit, inneres Versprechen, Verpflichtung kommen hier ins Spiel. Es geht um eine Entschlusskraft, die aus der der eigenen Mitte aufsteigt, keinen Zweifel hegt und uns vertrauensvoll ins Unbekannte vorangehen lässt, auch wenn damit unangenehme Gefühle verbunden sind.
Das ist kein rigides Wollen und Müssen. Wir sind in diesem Prozess nicht verkrampft, starr oder eng mit uns selbst, wir zwingen uns nicht, im Gegenteil, wir geben uns einen freudigen Ruck, „Mach einfach, du weißt doch, dass es dir guttut. Du wirst dir anschließend dankbar sein, wenn du bemerkst, wie sehr etwa deine morgendliche Meditation dazu beiträgt, Klarheit zu gewinnen und entspannter durch den Tag zu gehen.“
Entspannt und mühelos, das ist mein Motto dieser Tage im Umgang mit Herausforderungen. Die Wirkung spricht für sich.
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