Santacitta Bhikkhuni, eine österreichische Hotelierstochter, ist heute eine der wenigen voll ordinierten buddhistischen Theravada-Nonnen. Sie kämpft für einen zeitgemäßen Buddhismus, die Gleichberechtigung von Frauen und den Schutz der Erde.
Santacitta Bhikkhuni – mit diesem Namen ist für buddhistische Insider bereits viel gesagt: Bhikkhunis, voll ordinierte Nonnen, gibt es in der Theravada-Tradition des Buddhismus nur sehr wenige. Santacitta Bhikkhuni, die heute in den USA lebt, ist die Einzige, die aus Österreich stammt.
Über Jahrhunderte galt die weibliche monastische Linie im Theravada-Buddhismus, der ältesten buddhistischen Tradition, als unterbrochen und damit ausgestorben.
Seit den 1980er-Jahren bemühten sich buddhistische Nonnen, auch mit Unterstützung von Mönchen und der Wissenschaft, den Nonnenorden wiederzubeleben.
Heute wird es kaum mehr in Zweifel gezogen, dass dies gelungen und die Bhikkhuni-Linie im Theravada-Buddhismus wiederhergestellt ist. Und Santacitta Bhikkhuni hat dazu einen maßgeblichen Beitrag geleistet.
Dabei lag es keineswegs auf der Hand, dass die 1958 in Bruck an der Mur geborene Hotelierstochter mit solider Ausbildung im Hotelfach einmal als buddhistische Lehrnonne und Klostergründerin in den USA landen würde.
Nach Jahren des Studiums der Kulturanthropologie und einer Karriere als Performerin im Wiener Serapionstheater landete sie in Thailand im Kloster des großen buddhistischen Reformers Ajahn Buddhadasa (1906–1993). Eine existenzielle Krise hatte sie gewissermaßen im Blindflug und „per Zufall“ dorthin gebracht, wie sie es selbst ausdrückt.
Seit dieser Zeit in den späten 1980er-Jahren ist Santacitta Bhikkhuni Buddhistin
Bis 1992 lebte sie in Thailand und kehrte nur sporadisch nach Österreich zurück. Das ist bis heute so geblieben. Doch über all die Jahre pflegte Santacitta Bhikkhuni ihre familiären und freundschaftlichen Beziehungen in die alte Heimat, so auch zur Autorin dieses Beitrags, mit der sie über 40 Jahre Freundschaft verbinden.
Alle paar Jahre besucht Santacitta Bhikk huni Österreich und gibt Belehrungen, so werden die Auslegungen der buddhistischen Texte genannt. In deutscher Sprache erklärt sie einmal pro Monat online Suttas des Buddha.
Santacitta Bhikkhuni steht in der Waldtradition des Theravada-Buddhismus. Sie selbst verwendet lieber den Begriff „früher Buddhismus“. Die Theravada-Tradition wird oft abwertend als „Hinayana“, „kleines Fahrzeug“, bezeichnet. Wissenschaftliche Vergleiche von Quellen aus verschiedenen Sprachen zeigen, dass es in allen Schulen des Buddhismus eine frühe gemeinsame Schicht von Texten gibt. Daher sei der Begriff „früher Buddhismus“ historisch exakter.
Santacitta Bhikkhuni schöpft aus mehreren spirituellen Quellen. 2002 traf sie bei der großen Kalachakra-Zeremonie in Graz ihren tibetischen Lehrer Shechen Rabjam Rinpoche und erhält seither auch Unterweisungen im tibetischen Buddhismus.
Patriarchale Strukturen im Kloster
Ihre buddhistische Grundausbildung erhielt die Novizin in Großbritannien in Amaravati, einem weltweit renommierten Theravada-Kloster der Ajahn-Chah Linie. Dort lebte und studierte sie von 1992 bis 2008 und erhielt ihren Namen Santacitta („friedvoller Herz Geist“). Bis heute ist sie dankbar für die ausgezeichnete Ausbildung, die sie als Frau in Amaravati erhalten konnte.
Allerdings stieß sie an Grenzen durch patriarchale Strukturen und Machtverhältnisse. Diese machten sich nicht nur im Klosteralltag bemerkbar, sondern vor allem in der Verweigerung der höchsten Ordensweihe für Frauen.
Über die Jahre reifte in der Nonne der Entschluss, Amaravati zu verlassen. Ihr Engagement für die Gleichberechtigung von Frauen erklärt sich nicht nur aus sozialen, sondern auch aus psychologischen Gründen.
Santacitta Bhikkhuni: „Es macht etwas mit dem Geist, wenn sich Frauen freiwillig oder gezwungen in eine untergeordnete Position begeben. Wenn der Geist nicht mutig ist, wie will er da erwachen?“ „Schließlich“, so ist sie überzeugt, „kann ein Mensch auf dem buddhistischen Pfad nicht alles auf dem Meditationskissen ausmachen, sondern muss die gewonnenen Einsichten auch leben.“
2008 – und mittlerweile Lehrnonne (Ajahn) – brach Santacitta gemeinsam mit ihrer Mitschwester Ajahn Anandabodhi auf, um in den USA mit Unterstützung der US-amerikanischen Saranaloka-Stiftung nach neuen Wegen für einen weiblichen Buddhismus zu suchen.
Drei Jahre später verließen die beiden Nonnen, die in der Hierarchie von Amaravati ganz oben standen, die Linie von Ajahn Chah auch offiziell, was in der buddhistischen Welt hohe Wellen schlug. Die Bhikk huni-Ordination der beiden Frauen fand im Herbst 2011 unter großer Aufmerksamkeit der weltweiten buddhistischen Öffentlichkeit im Spirit Rock Meditationszentrum statt.
Klimaschutz als spirituelle Aufgabe
In Kalifornien, in den Sierra Foothills, bauten die bei den Nonnen das Aloka-Waldkloster auf, einen Ausbildungsort für Frauen. Die sich verschärfende Waldbrandgefahr im Zuge des Klimawandels setzte ihrem Projekt sehr zu. Nach wochenlanger Evakuierung im Jahre 2021 entschieden sie schließlich, das Waldkloster aufzugeben.
Die Klimakatastrophe steht auch im Mittelpunkt der Lehrtätigkeit von Santacitta Bhikkhuni.
Sie ist überzeugt, dass die Ausbeutung von Frauen, von Indigenen und der natürlichen Grundlagen des Planeten dieselbe Wurzel haben: Unwissenheit und patriarchale Strukturen. Deshalb sind Gleichberechtigung und die Begegnung auf Augenhöhe ein so wichtiges Prinzip in ihrem Wirken, auch als buddhistische Lehrerin.
Als solche versteht sie sich als spirituelle Freundin, die behilflich ist, auf dem Weg voranzukommen. Diese Haltung macht ihre Unterweisungen und Lehrreden lebensnah und frisch. Und sie macht auch lange und intensive Gespräche möglich, wie sie die Autorin mit der Nonne führen konnte und die in einem Buch zusammengefasst sind.
„Wenn du nicht entkommen kannst, musst du eben hinein und hindurch“, lautet der Spruch, den Santacitta Bhikkhuni auf ihrem Notebook kleben hat.
Vieles aus ihren jungen wilden Jahren findet sich auf eine gezähmte und buddhistisch transformierte Art in ihrer Arbeit wieder. Santacitta Bhikkhunis Beschäftigung mit Kulturanthropologie führt zu Überlegungen, was der Kern der buddhistischen Lehre und was kulturelles Beiwerk ist.
Sie sucht nach Formen, wie die buddhistische Lehre zeitgemäß vermittelt werden kann. Ihre Affinität zur Kunst findet ihren Ausdruck in der Gestaltung des Aloka Earth Rooms, der von ihr gerade entwickelt wird.
An diesem Ort der Praxis soll durch künstlerische Elemente das Verbundensein mit dem lebendigen Planeten erlebbar werden. Wenn den Menschen bewusst wird, dass sie ein Teil des Planeten sind, erkennen sie, dass sie sich selbst zerstören, wenn sie nicht die Lebensgrundlagen schützen.
Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 129: „Kraftquellen"
Mehr Informationen zur Arbeit von Santacitta Bhikkhuni: www.alokavihara.org
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