Wir alle sind von Mustern betroffen, die sich wiederholen. Verlieben wir uns vielleicht immer in den gleichen Typ Partnerin oder Partner? Machen uns bestimmte Kolleginnen oder Kollegen oft wütend? Kommen wir immer in ähnliche Situationen, in denen wir uns nach alten Mustern ausnützen lassen? Wie frei und lernfähig sind wir wirklich?
Manchmal lohnt es sich, sich mit bestimmten Mustern zu befassen – wie folgende Geschichte zeigt: Eine Frau kam in die Psychotherapie. Sie erzählte, dass sie sich in einen Mann verliebt hat. Zunächst sei alles wunderschön gewesen. Beide hatten gemeinsame Interessen und träumten von der Gründung einer Familie. Doch als die Frau nach einem Jahr in seine Wohnung zog, wurde sie überkritisch. Viele kleine Makel ihres Partners, die sie vorher schon kannte, nervten sie nun. In der Psychotherapie erzählte die Frau, dass sie dieses Muster von früher kennt. Sobald eine Beziehung tiefer geworden sei, habe sie Angst bekommen und irgendwann die Flucht ergriffen.
Es stellte sich heraus, dass sie in einer Beziehungsangst gefangen war. Ihre Sehnsucht nach einer festen Partnerschaft ist groß. Gleichzeitig hat sie Angst vor Verletzungen, womit sie den Partner auf Distanz hält. Oft liegt der Ursprung von Bindungsängsten in der Kindheit. Denn die erste Bindung, die wir als Menschen aufbauen, ist meist die zu den Eltern. Die Betroffene erzählte, dass ihre Mutter kühl und bestimmend gewesen sei. Die Mutter hatte durch eine Fehlgeburt ihr erstes Kind verloren, doch für die Trauer blieb keine Zeit. Ihr Vater stürzte sich in die Arbeit und war wenig zu Hause.
Die Frau erzählt, sie könne sich nicht erinnern, dass sie von ihrer Mutter zärtlich berührt wurde. Auch ließ die Mutter der Tochter wenig Freiheiten. Es gab einen geregelten Tagesablauf. Wenn die Tochter nicht gehorchte oder schlechte Schulnoten bekam, wurde sie bestraft, etwa mit Stubenarrest und Taschengeldentzug. Die Mutter war streng, sie gab die Regeln vor und duldete keinen Widerspruch. Die Tochter hatte später im Erwachsenenleben verinnerlicht, dass Liebe damit zusammenhing, abhängig und ausgeliefert zu sein. In der Psychotherapie lernte sie, sich ihren Ängsten zu stellen und mit diesen gut umzugehen. Sie sprach auch viel mit ihrem Partner. Sie brauchte von ihm Zeit und Freiräume, um sich tiefer auf ihn einlassen zu können. Sie ging mit ihren Freunden aus, sie hatte in der Wohnung einen eigenen Bereich, den sie selbst gestaltete. Ihr Partner zeigte Verständnis und vertraute ihr.
Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung № 124: „Frei Sein!"
Besonders heilsam war, dass sie sich ihrem ängstlichen inneren Kind zuwendete. Der buddhistische Mönch Thich Nhat Hanh (1926–2022) schrieb dazu: „Um gut für uns zu sorgen, müssen wir zurückgehen und gut für das verwundete Kind in uns sorgen. Es wäre wichtig, wenn Sie sich ihm einmal am Tag zuwenden würden. Sie können es zärtlich umarmen wie ein großer Bruder oder eine große Schwester.“
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