Update Menschenrechte: Geschichtliche Veränderungen und neue Gefahren, vor allem Klimawandel, Digitalisierung und Globalisierung erfordern eine Neuformulierung der Grundrechte des Menschen – oder besser die Ergänzung der alten.
Der deutsche Jurist, Schriftsteller und Dramatiker Ferdinand von Schirach formuliert in seinem 32-Seiten-Büchlein „Jeder Mensch“ sechs ergänzende neue Grundrechtsartikel. Schirachs Vorschläge haben für einigen Wirbel gesorgt. Wer aber gehofft hat, in diesem Büchlein Erläuterungen zu seinen Thesen zu finden, wird enttäuscht. Außer den Artikeln selbst enthält der Band nur noch einen geschichtlichen Abriss der Menschenrechte von der amerikanischen über die französische bis zur europäischen Verfassung.
Der Autor gibt zu, dass die Rechte ziemlich allgemein gehalten sind, manche, so meine ich, sind zugleich Pflichten. „Artikel 1 – Umwelt: Jeder Mensch hat das Recht, in einer gesunden und geschützten Umwelt zu leben.“ Dies beinhaltet die Pflicht, für die Umwelt zu sorgen. Artikel 2 fordert die Hoheit über die eigenen Daten. Diese Hoheit geht mit dem Schutz vor Ausforschung und Manipulation einher. Sie seien „verboten“, heißt es dort. Auch hier schwingt die Pflicht mit, die darin bestehen kann, Daten weder zu erheben noch zu speichern oder erhobene Daten zeitnah zu löschen. Artikel 3 wendet sich gegen den ausufernden Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI): (…) Wesentliche Entscheidungen muss ein Mensch treffen.“ Weiter geht es in Artikel 4 mit der Forderung, dass Äußerungen von Amtsträgern der Wahrheit entsprechen müssen.
„Artikel 5 – „Globalisierung“ dringt darauf, dass nur solche Waren und Dienstleistungen angeboten werden, die unter Wahrung der universellen Menschenrechte hergestellt und erbracht werden. Schließlich sollen, so „Artikel 6“, diese Rechte von jedem Menschen vor dem Europäischen Gerichtshof einklagbar sein, wenn sie systematisch verletzt werden.
Es gibt Parallelen zu den fünf Silas, die Thich Nhat Hanh aufgestellt hat. Dies betrifft vor allem die Achtung vor dem Leben, Artikel 1 und 5, sowie die Vermeidung von Lügen, Artikel 4. Die Frage der digitalen Selbstbestimmung ist aber so neu, dass es dazu noch keine konkrete buddhistische Position gibt.
Obwohl vieles an diesen Artikeln utopisch ist, wie etwa das Recht auf Wahrheit, wäre es durchaus wünschenswert, wenn sie breit diskutiert und sich schließlich sogar in Gesetzen niederschlagen würden.
Rezensent: Willi Reis
Ferdinand von Schirach
Jeder Mensch
Luchterhand Literaturverlag 2021
32 Seiten
Buch: 5,00 €, E-Book: 3,99 €
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