Abhängig von Wechselwirkungen: Der renommierte Physiker Carlo Rovelli hat mit seinem neuesten Buch „Helgoland“ eine Interpretation der Quantentheorie vorgelegt, in der er Bezüge zur buddhistischen Lehre Nagarjunas herstellt.
Seine Grundkritik gilt der Auffassung, dass die Wirklichkeit aus im Raum umherfliegender Materie bestehe. Stattdessen sieht er als Grundlage der Realität die Wechselwirkung von Teilchen und Wellen, die nicht isoliert beschrieben werden können. Unabhängig von Wechselwirkung existiert nichts. Seine Theorie: Die Welt sei unabhängig von Bewusstsein, bestehe aber nicht aus unabhängigen Dingen. Der Mensch, ebenfalls nicht unabhängig, stehe als Teil der materiellen Welt in Wechselwirkung. Alle Beziehungen seien relativ, abhängig vom Beobachter oder von anderen Teilchen und Wellen. Auch das Ich stehe in Wechselwirkung und habe kein inhärentes Sein. Anknüpfend an Darwins Evolutionstheorie entwickelt er zudem ein Konzept der Materie, dem Information und Bedeutung zugrunde liegen. Mit der Entstehung des Lebens werden zufällige Prozesse durch die Intentionalität der Lebenserhaltung abgelöst. Das menschliche Gehirn bilde Realität nicht einfach ab, sondern gestalte sie aktiv. Ein sehr lesenswertes, aber nicht einfaches Buch, das naturwissenschaftliche Grundkenntnisse erfordert.
Rezensent: Willi Reis
Carlo Rovelli
Helgoland: Wie die Quantentheorie unsere Welt verändert
Buch: Rowohlt Buchverlag 2021
208 Seiten
Print: 22,62 €; E-Book: 19,99 €
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