Zunächst eine kleine und hoffentlich nicht übertrieben vorsorgliche Warnung: Dieses Buch handelt von der Liebe eher in einem handfesten als spirituellen Sinn. Es handelt also von Eros und nicht von Agape. Es ist in der Tat, wie im Untertitel versprochen, eine kuriose Geschichte – oder ist es doch eher eine Geschichte von Kuriositäten?
Jedenfalls nimmt der Autor die Leser mit auf eine Tour d’Horizon durch die Kulturgeschichte der Sexualität, indem er diesen Aspekt menschlichen Lebens in den unterschiedlichsten geschichtlichen und kulturellen Kontexten vorstellt. Dabei geht es nicht nur um das Exotische und auch nicht nur um das Erotische, das dem Leser und Betrachter da als „kurios“ präsentiert wird, sondern auch um Kontinuitäten – wie etwa den Kuss. Dessen Geschichte reicht wenigstens 120.000 Jahre zurück, wie der Fund von DNA eines Bakteriums im versteinerten Zahnbelag eines Neandertalers oder einer Neandertalerin belegt.
Dies ist nur ein Beispiel für die merkwürdigen Informationen, die der Autor in Fülle liefert. Und das nicht in einer trockenen Abhandlung. Dieses Buch ist alles andere. Vielmehr ist es ein mit augenzwinkernden Kommentaren versehenes Bilderbuch für Erwachsene und neugierige Kinder. Was heißen soll, dass das Buch mit seinen Bildern, die deutlich mehr Raum einnehmen als der Text, sowohl der Unterhaltung als auch der Aufklärung dient. Auch wenn da vieles zur Kategorie „unnützes Wissen“ gehören mag.
Die Bilder sind jedenfalls das Besondere an diesem Buch – allesamt Artefakte mit einer besonderen, aber nicht immer offensichtlichen Beziehung zur menschlichen Sexualität. Ausgewählt, wie der Autor schreibt, ohne zwischen „künstlerischen Meisterwerken, rätselhaften Zeugnissen und trivialen Kleinigkeiten“ zu unterscheiden, vorgestellt in lockerer historischer Abfolge. Das geht von der 12.000 Jahre alten steinernen Darstellung eines Liebesakts über das antike Grabmal für eine aus gleichgeschlechtlichen Liebespaaren bestehende militärische Elitetruppe bis hin zur Voyager Golden Record, mit der 2012 auch das auf ihr aufgezeichnete EEG einer frisch verliebten Frau seine lange Reise ins All antrat.
Dabei wechselt Brooke-Hitching zwanglos zwischen verschiedenen Kulturen: europäischen, asiatischen, afrikanischen. Auch den präkolumbischen Kulturen Mittelamerikas hat er ein eigenes, etwas blutrünstiges Kapitel gewidmet. Das inhaltliche Schwergewicht liegt jedoch auf Europa, insbesondere Großbritannien und seinen kulturellen Wurzeln. Ein wirklich gelungenes „Coffeetable-Book“, das nicht nur schöne Bilder, sondern auch lesenswerte Texte bietet.
Rezensent: Ralf SoGen Boeck
Edward Brooke-Hitching
Liebe – Eine kuriose Geschichte in 50 Kapiteln
Buch: Knesbeck Verlag, 2024
256 Seiten, Print: 39,10 €
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