Die Meditationslehrerin Hildegard Huber leitet seit 2006 das Vipassana-Meditationszentrum im bayrischen Sonnenthal. Für ihre Verdienste in der buddhistischen Lehre bekam sie den ‚Annual Benefactor of Buddhism Award for teaching Buddhism and Vipassana Meditation' in Chiang Mai, Thailand, verliehen.
Nur selten erhalten ausländische Lehrer diese Auszeichnung. Wie es dazu kam, dass sie ihr Leben der Lehre Buddhas widmete, und wie sie diesen Weg konsequent lebt.
Wann haben Sie angefangen zu meditieren?
In meinen Zwanzigern reiste ich oft nach Thailand. Meine Freunde dort meinten immer, ich sollte im Tempel meditieren, das wäre das Richtige für mich. Aber ich drückte mich drei Jahre lang davor, wollte lieber das Leben genießen, als an einen Ort zu gehen, von dem ich annahm, dass das Leben dort endete. 1992 dann gab es bei einer Massage einen Moment tiefer Entspannung und es überkam mich ein Gefühl umfassender Dankbarkeit gegenüber dem Dasein. Ich fragte mich: „Was kann ich Gutes tun?" und wie ein Blitz kam die Antwort: „Meditiere!" Das war kein Denken in diesem Augenblick. Danach konnte ich gar nicht mehr anders. Ich begann in einem Tempel in Nordthailand meinen ersten Kurs. Zehn Tage sollten es werden. Am Ende verlängerte ich um einen Tag. An dessen Ende verlängerte ich um einen weiteren. Dann noch einen. Und so ging das weiter. Ich blieb schließlich acht Monate dort.
‚Das Leben genießen' und ‚Meditation im Tempel' – das klingt nach Gegensätzen ...
Im Gegenteil – dort wird einem bewusst, wo die Hindernisse sind, die ein Leben in Liebe, Freude und Leichtigkeit vereiteln. Wenn man die beseitigt, kann man überhaupt erst das Leben genießen. All das, was wir uns so sehr wünschen, wird dadurch möglich.
Was haben Sie vorher in Ihrem Leben gemacht?
In den Achtzigerjahren jobbte ich in einer Disco an der Bar, in den Neunzigern führte ich mit meiner Schwester einen Bioladen. Ich wollte nie in dieses Laufrad ‚leben, um zu arbeiten' hinein. Es war mir immer wichtig, genug Zeit zu haben, um das zu suchen, was ich ahnte, was aber für mich zunächst nicht sichtbar war. Das gab mir genug Geld und Zeit, um nach Asien zu reisen und schließlich der Lehre Buddhas zu begegnen.
Wie kam es dazu, dass Sie Meditation lehren?
Das ging so: Der Abt des Tempels, Ajahn Tong, war und ist mein Lehrer. Er begleitet seine Schüler fortwährend bei der Meditation und sieht, wie weit der Einzelne mit seinen Erkenntnissen ist. Danach vergibt er die Lehrerlaubnis. Nach zwei Monaten im Tempel wurde ich Assistenzlehrerin. Später, in Deutschland, kamen Leute auf mich zu und baten, gelehrt zu werden. So begann ich mit einem kleinen sonntäglichen Kreis. Es folgten Wochenenden und 1994 organisierte ich den ersten längeren Kurs mit Ajahn Tong in Deutschland. Seitdem findet dieser Kurs jährlich hierzulande statt, teils unter seiner Leitung, teils unter der Leitung seiner Assistenzlehrer. 1998 erhielt ich vom Tempel das Zertifikat mit der vollen Lehrerlaubnis. Seit 2004 lehre ich nur noch und habe sozusagen das weltliche Leben aufgegeben.
Haben Sie keine Existenzängste?
Überhaupt nicht. Im Gegenteil, mein Leben ist dadurch fruchtbarer geworden. Es ist überraschend: Ich habe kein Einkommen und trotzdem ist alles da. Ich erkannte: Wenn ich Mut habe, mein Leben zu leben, muss ich mich nicht sorgen.
2004 regte Ajahn Tong an, hier ein Zentrum zu etablieren. Wir gründeten einen gemeinnützigen Verein und suchten ein Objekt, das sich als Zentrum eignet. Dies hörte ein Schüler von mir, der den Reichtum von Vipassana erlebt hatte. Aus Wertschätzung heraus bot er an, die Einsiedelei Sonnenthal bei Landshut zu erwerben und der Lehre Buddhas zur Verfügung zu stellen. Nun ist das Haus voller Gäste.
Wie finanziert sich das Zentrum?
Alles läuft über ‚Dana', freiwillige Spenden, die laut Buddha eine heilsame Handlung darstellen. Es gibt keinen Zwang, keine Kontrolle. Im Sonnenthal gehört mir nichts. Die Freiheit, nichts zu besitzen, ist für mich der größte Luxus. Und sogar die Nachbarn, die gar nicht so genau wissen, was ‚die da in der Einsiedelei machen', helfen uns gerne, geben Nahrungsmittel oder räumen mal den Schnee. Die sehen einfach, dass wir nichts Unrechtes machen.
Warum lehren Sie buddhistische Einsichtsmeditation?
Das sucht man sich nicht aus. Es lehrt sich durch mich. Mein Leben war vorher nicht ‚befruchtet'. Ich wusste zwar, dass es da ist, aber sah es nicht. Man muss genau hinschauen, dann sieht man es. Anfangs zögerte ich und hatte Angst, es zu lehren, wollte mich lieber verstecken, aber nun ist da kein ‚Ich' mehr, das diesen Konflikt erleben könnte. Nun möchte ich möglichst vielen Leuten den Weg zeigen, es zu erfahren.
Sie sagten gerade oft ‚es'. Was ist ‚es'?
Mit ‚es' meine ich das Leben, den Weg, Dhamma – die Lehre Buddhas, die Leidlosigkeit, Nirvana, das Göttliche ... Viele Begriffe, aber das ist alles eins. Das kann man nur durch Praktizieren erleben. Dann bleiben keinerlei Zweifel.
Warum sind Sie nicht in einer christlichen Tradition geblieben?
Die Einsichtsmeditation ist grundsätzlich nicht religiös. Man muss keineswegs das Christentum verlassen, um Einsichtsmeditation zu üben. ‚Es' ist in uns. Wir müssen lernen hinzuschauen. Dazu nehme ich Buddhas Pfad, denn der lehrt uns Einsicht mit seiner einzigartigen Methode der rechten Achtsamkeit. Und die gibt es so im Christentum nicht. Ich empfinde es, als sei ich von der Lehre und der Tradition gefunden worden, nicht umgekehrt.
Muss man Nonne oder Mönch werden, um sich gänzlich in die buddhistische Tradition zu begeben?
Nein. Auch Laien können diesen Weg erfolgreich beschreiten. Wäre ich selbst im Tempel in Thailand, würde ich das tun. Aber hier würde es die Menschen eher befremden, schon rein äußerlich. Hier gibt es eben diese Tradition nicht. Sehen Sie: Es ist mir ganz wichtig, dass die Leute in meiner Heimat Deutschland die Lehre in ihrer eigenen Sprache hören können. Ich muss aber erwähnen, dass ich die rein weiße Kleidung, die man als Laie im Tempel trägt, seit 1992 beibehalten habe. In anderen Farben fühle ich mich unwohl, ich kann nicht anders.
Ist Ihr Lehrer erleuchtet?
Der Tradition gemäß sagt man das über einen Mönch erst nach seinem Tod. Ajahn Tong wird aber von den Thais jetzt schon wie ein Erleuchteter geschätzt und behandelt. Er ist einer der ranghöchsten Lehrer für Einsichtsmeditation in Thailand und bekam kürzlich sogar einen Ehrentitel aus Burma. Zu meiner Lehrtradition möchte ich gerne noch etwas sagen: Neben Zen, tibetischen und anderen Wegen ist das Vipassana des ursprünglichen Buddhismus nur eine Variante. Im Vipassana gibt es wiederum verschiedene Techniken aus verschiedenen Ländern. Und aus Thailand stammen wieder verschiedene Lehrweisen. In der Tradition Ajahn Tongs ist Dhammacari das einzige Meditationszentrum in Deutschland. Es gibt daneben noch drei thailändische Tempel bei Frankfurt, Ulm und am Bodensee, wo man an bestimmten Abenden unsere Meditationstechnik kennenlernen kann.
Was macht man, wenn man meditiert?
Es ist achtsames Verbeugen, achtsames Gehen und achtsames Sitzen mit Beobachtung des Atems. Dies dient als Basis zur umfassenden Bewusstmachung. Man soll letztlich auf alles achten, was man gerade macht. Diese Meditationstechnik führt zur Einsicht, zum Klarblick. Es gäbe dazu noch viel zu sagen ... Es ist ein Weg des Praktizierens, nicht des Studierens. Es ist ein Pfad, der zum Ziel führt.
Ist das so leicht, wie es gerade klingt?
Oh nein. Sich selbst vom Leid zu befreien ist die härteste Arbeit, die wir tun können. Der Weg ist mühsam, aber es ist tatsächlich möglich, die Frucht, das Freisein von Leid zu erreichen.
Was macht der Lehrer dabei?
Ich führe die Schüler in die Technik ein, zeige ihnen genau, worauf die Achtsamkeit zu richten ist. Dann führe ich mit jedem der Teilnehmer – das sind maximal 15 – ein Einzelgespräch, um zu sehen, ob er auf dem richtigen Weg ist und sich nicht in irgendwelchen unguten Zuständen verliert. Erkenntnisse liefere ich keine, denn die müssen die Schüler selbst machen. Ich bin da, damit die Schüler ihren eigenen Weg sicher gehen können.
Gibt es ein Schweigegelübde?
Ja, während des Kurses unterhalten sich die Schüler gar nicht miteinander. Erst dann merkt man, was man eigentlich alles sagen will. Das ist sehr lehrreich. Besonders hinderlich ist das Austauschen von persönlichen Meditationserfahrungen, denn die sind immer höchst individuell und nicht übertragbar. Wenn der eine etwas vom anderen hört, erwartet er Gleiches und ist dann blockiert für seine eigene Erfahrung.
Welchen Stellenwert hat die Gemeinschaft in Dhammacari?
Man übt grundsätzlich für sich selbst. Es gibt aber eine Stunde Arbeitsmeditation am Tag. Da werden alltägliche Dinge wie Kochen, Putzen oder Gartenarbeit verteilt und gemeinsam verrichtet. Ziel ist es auch hier, möglichst achtsam zu sein.
Kann man in Ihrem Zentrum einfach vorbeischauen und meditieren?
Man muss sich anmelden. Es gibt Kurse von unterschiedlicher Dauer. Leider müssen wir zu beliebten Zeiten wie Ferien jetzt schon häufig absagen, da wir ausgebucht sind. Eine Erweiterung ist geplant. Wenn genug Spenden da sind, gehen wir das an. Allerdings wird es immer so sein, dass die Gruppengröße begrenzt bleibt. Das Einzelgespräch mit dem Lehrer soll auf jeden Fall erhalten bleiben.
Sie erwähnten vorhin Leidlosigkeit – sind Sie frei von Leid?
Dazu möchte ich Ihnen etwas aus meinem Leben erzählen: Ich selbst hatte 2004 Krebs diagnostiziert bekommen. Für die meisten wäre das sicher eine Horrormeldung. Aber durch die Meditation erkannte ich: Die Krankheit ist ein Hinweis, dass ich auf etwas achten soll, ein Zustand, der ‚geheilt' werden will. Auf körperlicher Ebene tat ich das körperlich Mögliche: Operation, Chemotherapie und Bestrahlung. Aber diese ‚Reparatur' auf körperlicher Ebene ist nicht unbedingt die Heilung. Wahre Heilung findet auf der geistigen Ebene statt. Im Göttlichen, im Nirvana ist alles heil, leidlos. Und wenn man das in sich erkennt, fällt die Krankheit weg. Das Ziel ist die Freiheit von Leid, von Krankheit. Deshalb gehen wir ja diesen Weg.
Möchten Sie noch etwas sagen?
Es ist mir ein Herzenswunsch, dass die Menschen diese wunderbare Lehre bekommen – dass sie erkennen, dass dieses wunderbare Leben in uns ist. ‚Es' ist nicht außen zu finden. Aller Mangel in uns ist heilbar!
Das Interview führte Marcus Bauer. Er ist TV-Journalist sowie Yoga- und Meditationslehrer aus Köln. Er praktiziert selbst Vipassana seit 1988.
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es ist wirklich ein sehr interessanter Beitrag. Nur halte ich persönlich nichts von Meditationen, wenn sie eine Vorgabe oder eine Regel haben. Ich meditiere morgen nach dem Kaffee ca. 10 -15 Minuten täglich etwa 5 Mal die Woche und lasse während dieses Zeit einfach nur alles geschehen.
Ich beschäftige mich seit 8 Jahren mit energetischer Heilung. Vor etwa 3 Jahren begann bei mir dann plötzlich ein Prozess des Erwachens. Den Auslöser kenne ich bis heute nicht. Ab diesem Zeitpunkt kamen dann immer so eine Art Wissensschübe, die Literatur dann später überflüssig machten.
Ich habe nahezu vollständige Leitfreiheit erreicht, wobei es nur ein Prozess von Erkenntnissen war, den ich nicht als harte mühsame Arbeit bezeichnen kann.
Wer Interesse hat, dem empfehle ich mein kleines E-Book: www.leid-erlösung.de
Gruß
Thomas