Eine meiner ältesten Freundinnen ist jetzt auch in meinem Alter. Und sieht relativ entspannt dabei aus, obwohl sie im Umgang mit ihren Söhnen - Stichwort Ordnungsmaßnahmen und Man Bun - immer wieder leicht in Stress gerät. An ihrem Geburtstag hat der eine gerade noch einen Gutschein aus der Hüfte geschossen, der andere beglückte sie mit etwas Getöpfertem. Was wissen Kinder schon über die Bedeutung eines 50. Geburtstags?
Wenn ich ihr gegenübersitze wie bei ihrem Geburtstagsfrühstück, das sie sich alleine gönnen wollte und bei dem sie dann doch meine Spontaneität als Gesellschafterin getestet hat, dann sehe ich sie als 15-Jährige vor mir. Damals habe ich sie kennengelernt, während einer Sprachreise. Es war für uns beide der erste Solo-Trip ins Ausland und sie fiel mir damals schon als quirlige, aktive Person auf. Nach einer Kontaktpause sah ich sie eines Tages in der Cafeteria an der Uni wieder, und bevor ich ihr Gesicht gesehen habe, erkannte ich sie bereits an ihrer lebendigen Art der Bewegung.
Nicht, dass sie nicht auch chillen könnte – das gönnt sie sich natürlich doch hin und wieder und konsequent, wenn ihre Buben ihren Aktionsradius ausweiten. Im Hängestuhl, mit einem Buch oder in Gesellschaft des Sandmännchens konzentriert sie sich auf die Ruheoasen, die das Leben ihr schenkt. Oder beim Brotbacken, Reisen oder Zuhören. Sie ist eine wunderbare Zuhörerin, obwohl ich in ihrem Gesicht lesen kann, wenn ihr meine Erzählungen zu sehr ins Abstruse abdriften. Doch sie wartet geduldig damit, in purer Ehrlichkeit zu antworten, wie abstrus sie meine Erzählungen empfindet. Oft holt sie mich damit auf den Boden der Realität zurück; schafft sie es nicht, verfolgt sie meine gedanklichen Höhenflüge mit heiterer Gelassenheit.
Unzertrennlich waren wir nie und doch sind die Bande seit 35 Jahren so stabil, dass Hinsetzen und Losreden wie am Schnürchen klappt. Und obwohl wir dabei keine Zeit verschwenden, wird die Liste an Themen, die wir von Treffen zu Treffen mitnehmen, nicht wirklich kürzer. Das mag daran liegen, weil wir alles in unser Leben packen, was uns interessiert. Und weil die Schnittstellen der jeweiligen Interessen fließend sind, bleibt genügend Stoff für den Austausch. Uns ausschließlich auf die drei Ks zu beschränken war und ist uns fremd – auch wenn wir diese Stadien natürlich kennen. Und sie mit positiver oder negativer Faszination verfolgen. Und darüber kann man ebenfalls laaaaaaaaange reden. Auch über die Prägungen des Elternhauses, die man hinter sich zu lassen versucht. Und die Visionen, die man für die Kinder hat. Und für sich selbst. Und überhaupt und generell ...
Ach, Freundinnen sind etwas Wunderbares. Begleiterinnen, Diskussionspartnerinnen, Komplizinnen – sie holen einen aus Löchern, wahlweise von Wolke 7. Sie lachen einem die Tränen weg und sie lachen mit uns, bis uns die Tränen kommen. Sie lassen sich die Ohren abknabbern, wenn das Lamentieren nicht mehr aufhören will, und fühlen mit, auch wenn die Situation surrealer nicht mehr werden kann. Und machen einen Punkt, wo man Gefahr läuft, die emotionale Grammatik zu vergessen. Jetzt in der Fastenzeit kann man auf einiges verzichten – auf Freundinnen nicht. Punkt.