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Langsam wird mein Kopf wieder leichter. Woran ich das merke? Ich mag wieder lesen, ja sogar Nachrichten höre ich mir ab und zu an. Und wenn ich auf die letzten Monate zurückblicke, ist es auch höchste Zeit geworden.


Ein Zeichen, dass meine Gedanken für lauter Input keine Arabesken mehr drehen, ist, dass ich hin und wieder vor Mitternacht ins Bett komme. Früher saß ich und saß ich und saß ich. Denn ich tendiere dazu, meine Tage gut durchzutakten und darauf zu vergessen, dass ich vielleicht einmal ATMEN sollte. Und reflektieren, was mir so zustößt. Oder was ich mir eintrete – je nach Stimmung. Von beidem hatte ich in den letzten Monaten einiges, manches angenehm, manches weniger. Doch so richtig nachdenken konnte ich erst, wenn sich die Nacht über den Tag gestülpt hatte und es draußen nichts mehr gab, was mich vom Verarbeiten abhielt. Da hatte mein Aufnahmekanal Feierabend. Nur die Beobachtung meines Haus-und-Hof-Igels beim Knabbern der karamelisierten Sonnenblumenkerne, das Musizieren der Windspiele und der Duft von Sandelholz-Räucherstäbchen gingen. Irgendwie schon eigenartig, dass ich nichts anderes tat als sitzen. Gut, Musikhören musste sein, doch selbst das ging mir manchmal auf die Nerven.
Jetzt ist wieder See-Zeit. Und auch hier spüre ich eine Veränderung. Hatte ich in den vergangenen Badesaisonen mindestens ein Schreibheft dabei, bleiben sie jetzt zuhause. Meine letzte Tagebuch-Eintragung stammt vom 15. April. Für Chronisten ist das vielleicht ein Aufschrei-Grund, für mich ein sicheres Zeichen dafür, dass es nichts mehr zu bewältigen gibt. Denn wenn ich Blätter um Blätter um Blätter gefüllt habe in den vergangenen Jahren, dann deshalb, weil ich mir über ganz viel klar werden musste. Männer, Kinder, Freundinnen, Leben, Arbeit, Gesundheit – die Aufzählung ist keine Priorisierung, wohl gemerkt. Ich hatte mir einfach vorgenommen, nicht faul irgendwelche Lebensentwürfe zu kopieren, sondern meinen eigenen zu finden. Diana Ross' „Upside down“ war der subtile Soundtrack dieser Zeit. Dabei das Gute im Leben zu halten und Raum für Neues zu schaffen, fällt bei den herkömmlichen 24 Stunden, die wir alle täglich zur Verfügung haben, hin und wieder schwer.

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Was ich noch gelernt habe (und darüber würde sich meine Großmutter sehr freuen): Ich kann inzwischen – verzeihen Sie den flapsigen Ausdruck – die Schnauze halten. Früher war mir sehr daran gelegen, bei vielen Unterhaltungen das letzte Wort zu haben. Nicht weil ich rechthaberisch war/bin, sondern weil ich sichergehen wollte, dass ich richtig verstanden werde. Inzwischen habe ich eingesehen, dass ich das einfach nicht in der Hand habe. Da kann ich reden oder schreiben, bis ich ohnmächtig werde. Meine Oma sagte früher immer, ich solle doch nicht immer Widerworte geben, weil es gar keinen Sinn habe. Und ich protestierte vehement, empfand das Reden als Akt der Emanzipation, dass ich anzuhören sei.
Nein. Inzwischen denke ich mir, dass Schweigen eine oft viel eindrucksvollere Methode der Reaktion ist als jeder Wortberg. Wenn mir jemand blöd kommt, reagiere ich entweder extrem sachlich oder gar nicht. Ich mag einfach nicht mehr, denn wen ich mit was triggere, ohne dass es der- oder demjenige klar ist, liegt vielfach außerhalb meiner Kontrolle. Und ist deshalb auch einfach nicht mehr meine Baustelle.
Das Faszinierende dabei ist, dass ich plötzlich mehr Zeit habe. Zum Schlafen, zum Lesen, zum Schwimmengehen. Ich bin weniger gereizt, wenn mir jemand die Zeit zum Nachdenken nimmt. Ich finde plötzlich auch während des Tages Platz für 100 Atemzüge unter der Trauerweide. Und wer weiß? Vielleicht werde ich ja auch einmal wieder den Fernseher anschalten. Zum Fußballschauen beispielsweise. Denn da habe ich einiges aufzuholen, stelle ich fest. Leroy Sané? Nie gehört. Nainggolan? Kann ich kaum aussprechen. Aber dass Zlatan Ibrahimovic bei der Fußball-WM nicht dabei sein wird, schmerzt mich schon. Denn für Außenseiter habe ich ja stets eine Schwäche gepflegt. Aber vielleicht finde ich ja ein anderes Objekt der Fußball-Begierde – falls ich mich zum Fernseher durchringen kann. Ich halte Sie am Laufenden.

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
Kommentare  
# Max 2018-06-11 17:35
Gut das jetzt die WM losgeht! Auf welchen Team setzten Sie denn, Frau Dabringer?
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# magclaudiadabringer 2018-06-22 15:20
hallo max! wie sie aus dem heutigen (22/6) beitrag ersehen koennen, brauche ich noch etwas zeit, um ihre frage beantworten zu können. auf welches setzen sie? schönes wochenende...
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