Sie bekommen bestimmt auch eine erkleckliche Anzahl von Filmchen zugeschickt, die meistens einen sehr wertschätzenden Inhalt haben und danach schreien, an mindestens zehn Freunde weitergeleitet zu werden, damit man auch ganz sicher in den Himmel kommt. Doch es gibt auch andere. Freitag: Mann kann - oder nicht.
Eine Freundin von mir bekam kürzlich ein Filmchen von einem Mann, der ihr nach dessen eigenen Worten doch ziemlich wohlgesonnen schien. Zumindest war die Wortwahl seiner Nachrichten so, dass man als Frau, als deutschsprachiges Wesen und grundsätzlich als der Kommunikation mächtiger Mensch das daraus ableiten konnte. Da gibt es schließlich Triggerworte wie ‚vermissen‘, ‚Sehnsucht‘ oder ‚Sex‘, die man selbst mit einem beschränkten Wortschatz doch relativ eindeutig interpretieren kann. Viel Spielraum hat man da nicht. Denke ich zumindest. Und meine Freundin bestimmt auch nicht.
Und dann kam dieses Filmchen daher, das mitnichten aufforderte, es weiterzuleiten, um das Karma positiv zu beeinflussen. Und doch kriegte ich es geschickt und relativ zeitnah einen spontanen Anfall von Schnappatmung. Da schwadronierte ein – meiner ersten Einschätzung nach – leicht bis mittelschwer alkoholisierter Mann in bayrischem Idiom über den Grund, warum ältere Männer ‚nicht mehr könnten‘. Und die Antwort, die er sich selbst und den Zuschauern gab, war: „Ältere Frauen.“ Spätestens da war ich mir nicht mehr sicher, ob meine Vermutung mit der Alkoholisierung nicht vielleicht doch ein gravierender Fall von Grenzdebilität war. Das allerdings erst, nachdem ich wieder atmen konnte.
Und meine Gedanken sortiert hatte. Zuerst fragte ich mich, wer in aller Welt sich solche Dinge ausdenken kann. Empathie kann bei aufkeimender Schockstarre helfen. Ich brachte in meinem bisherigen Leben sehr viel Mitgefühl für betrunkene Männer auf, auch weil manche von ihnen richtig rührend waren, sogar drollig. Oft kommt das innere Kind ja erst dann zum Vorschein, wenn man sich jenseits der Drei-Promille-Grenze befindet. Geschenkt. Ich habe diese Männer nicht gezählt, aber ein paar waren es schon. Und keiner davon war jemals DUMM in seinem Rausch. Habe ich da Glück gehabt? Scheint so. Denn der scheinbar Betrunkene in dem Filmchen war ein Mitglied jener Gattung Mann, für die ich nicht einmal mehr Mitleid entwickeln kann, sondern nur noch schaue, dass ich Meter gewinne. Weil ich mit wirklicher Dummheit bis zum heutigen Tag einfach nicht umgehen kann. Und gegen diese Art von Machtlosigkeit hilft nur Flucht.
Mein nächster Gedanke galt dem Absender. Nicht dass sich meine Überlegungen über den Betrunkenen im Filmchen grundsätzlich sehr von jenen unterschieden hätten, die ich diesem Mann spendierte. Wie abgedreht kann der Humor eines Menschen sein, dass er seine Zuneigung auf diese Weise unterstreicht? Ich denke ja gerne um fünf Ecken, aber um diese sexte komme ich nicht herum. Wurde da ein Test gefahren, wie hoch der Buddy-Faktor in einem Vollblutweib ist? Ob man mit einer Klassefrau auch in der Gosse frühstücken kann?
Sie können sich vorstellen, wie man als Frau in unserem Alter auf so etwas reagiert, nachdem man Schnappatmung und Schockstarre in den Griff bekommen hat. Nachdem man sich auf seine eigenen Werte und seinen eigenen Wert besonnen hat. Nachdem man aufgehört hat, solche Aktionen verstehen zu wollen. Und um es ausdrücklich zu sagen: Wir haben wirklich mehr Humor, als manchem lieb ist. Wir können auch ziemlich abgedreht sein. Doch eines sind wir nie: tief. Nicht in dem Sinne, dass wir uns jeglichen tiefen Gedanken verschließen. Tief eher im Sinne von gossentief. Da bleibt uns einfach das Lachen im Hals stecken. Kurzfristig zumindest, bevor es vor lauter Ungläubigkeit umso explosiver aus uns herausbricht. Nur um es klar zu sagen: nicht wegen des Filmchens, sondern über den Absender. Weil frau schon allein aus Souveränitätsgründen nämlich gar nicht anders auf so etwas reagieren kann.
Das, was eine Frau unseres Alters ausmacht, ist, dass unsere äußeren Versprechungen nur eine Vorahnung dessen sind, was wir an innerem Reichtum zu bieten haben. Und je attraktiver diese Versprechungen sind, umso verrückter werden jene, die es mit der Angst vor diesem Reichtum zu tun bekommen. Die sie es ihrer Männlichkeit nicht zutrauen, zu bestehen, und es sich in vorauseilendem Gehorsam versagen, selbst auf ein neues Level zu kommen. Die es lieber beim Starren oder Filmchenverschicken belassen. Und auf das Alter einer Frau verweisen.
Einer der Steinböcke des vergangenen Jahres war damals ganz erstaunt, dass man als Frau über 50 noch Sex hat. Er dachte, wir wären damit durch. Meine Freundin wie auch ich und andere Vollblutweiber in unseren Freundes- und Bekanntenkreisen sind der beste Beweis, dass die Vollendung des fünften Jahrzehnts noch lange nicht das Ende von Intimität bedeutet. Und hin und wieder findet sich in dieser Schar dann doch der eine oder andere ‚ältere‘ Mann wieder. Der ‚kann‘. Was sagt uns das also über den Absender des Filmchens? Die ultimative Antwort überlasse ich Ihnen.
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