Eine Freundin von mir macht jetzt einmal Pause. Einen Monat lang, und vielleicht schafft sie es ja auch, die daraus resultierende Entschleunigung in ihrem nachfolgenden Alltag zu etablieren. So etwas täte mir auch gut, weil sich meine Welt gerade in doppelter Geschwindigkeit dreht.
Vor einigen Tagen war ich bei meinen Eltern, und ich hatte mich wirklich darauf gefreut. Das verdient insofern eine Erwähnung, weil ich den Ort, wo sie wohnen, als den A....der Welt bezeichne. Dort gibt es außer meinen Eltern und vereinzelten Freunden wirklich GAR NIX, was meine Sinne auch nur irgendetwie kitzelt. Dieser Ort kommt gleich nach Sylt, wobei letzteres natürlich mit dem Meer gesegnet ist und schon insofern wieder reizvoll ist. Aber sonst kann man sich an beiden Orten angenehm langweilen. Und genau deshalb habe ich mich auf den Besuch gefreut, weil ich mich langweilen wollte.
Vielleicht haben Sie das auch schon beobachten in diesem Sommer, nämlich dass viele Menschen unglaublich gereizt, fast schon aggressiv sind. Im Konzert darf man sich nicht einmal nach unten beugen, um sich ein Pfefferminzzuckerl aus der Handtasche zu fischen, ohne mit einem Kopfschütteln oder einem „Schschschschscht“ beglückt zu werden. Im Auto werden viele sowieso zum Tier, im heurigen Sommer zum feuerspeienden Drachen. Und gestern war eine Gasse voll mit Polizisten, weil anscheinend eine Frau ihren Liebhaber erstechen wollte, da er es nicht geschafft hat, „seinen Mann zu stehen.“
Und irgendwo dazwischen tanze ich durch diesen Sommer und frage mich wieder einmal, was mit den Menschen los ist. Denn mir geht es gerade ziemlich gut. Ich darf an spannenden Themen arbeiten, lerne Menschen kennen, die sich so genial in mein Herz wanzen, dass sich Tag und Nacht verschiebt, lache mich in die Entspannung und finde einfach alles ziemlich großartig. Doch bei aller gelebten Euphorie stelle ich auch fest, dass ich eben auch ein wenig Entschleunigung bräuchte. Weil ich schon gar nicht mehr weiß, was vor einer Woche passiert ist – wenn Dinge sich überschlagen, kann die Kontemplation schon einmal zu kurz kommen.
Zu diesem Zweck habe ich in meinen FREITAG-Beiträgen zurückgeblättert, um zu sehen, was sich vor einem Jahr in meinem Leben getan hat. Und war erstaunt, wie Entwicklung konkret ablaufen kann. Denn das an sich selbst festzustellen, fällt ja meist schwer. Wenn man Glück hat, erzählen einem andere, wie man sich verändert hat – gerne, wenn sich da etwas zum Schlechteren gewandelt hat. Aber auch das ist ja meist nur eine subjektive Einschätzung. Wie auch immer. Vor einem Jahr habe ich mich als Dornröschen beschrieben und von Richards Fanbase erzählt. Der letzte Satz lautete sinngemäß, dass ich ziemlich zuversichtlich sei, dass er und ich gute Freunde würden. Tja, Leben passiert, während wir damit beschäftigt sind, andere Pläne zu machen.
Richard hat das mit der guten Freundschaft einigermaßen vermasselt, und aus dem Dornröschenschlaf bin ich auch erwacht. Und seitdem gefühlt nie wieder eingeschlafen. Ja, ich habe ein kleines Schlafdefizit, ich gestehe es. Und genau das hoffte ich, am A.... der Welt zu beseitigen. Ist auch gelungen, doch wie viel ist das wert, wenn man mit einem Minus von zehn Stunden dort aufschlägt, und die eben angefüllten Batterien dann gleich nach der Abreise wieder auf minus zehn leeren lässt? Ich hatte gehofft, dass sich der Kopf leert und die Batterien füllen. Und ich hoffe noch immer, dass ich diesen Zustand irgendwann einmal erreichen werde – der späteste, geplante Zeitpunkt ist nach Weihnachten, wo ich gaaaaaaaaaanz weit in den Süden fliege und hoffe, zwölf Tage keine Schuhe tragen zu müssen. Doch wer weiß, was bis dahin wieder passiert? Deshalb muss ich noch irgendwann auch ein paar Entschleunigungstage einbauen. Kürzlich habe ich gelesen, dass man sich zur Urlaubsentspannung einen langweiligen Ort suchen soll. Dabei dachte ich an eben jenen meiner Eltern, doch der hat sich als nicht zweckmäßig erwiesen. Jetzt suche ich weiter nach der Einschicht. Vielleicht sollte ich nach Funklöchern und dort nach Almhütten suchen. Doch ich bin fast schon überzeugt, dass auch dort der Bär tanzt. Einfach, weil es nicht meinem Naturell entspricht, mich zu langweilen. Ist mir nicht in die Wiege gelegt worden, meine Gene sind eben auf Tanzen eingestellt. Kannste machen nix. Doch um ehrlich zu sein, würden wahrscheinlich ein paar reguläre Tage ohne große externe Versuchung schon reichen, um mich wieder einzunorden. Doch was tue ich im Norden? Ich fürchte, ich bin hoffnungslos lebenshungrig.