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Sie kennen bestimmt diese Tests im Internet, wo man abstruse Erkenntnisse erlangen kann. Zum Beispiel wie die Hunde-Version von einem oder die Ehefrau-Lizenz aussieht und wie sexy man als Mann ist. Demnach habe ich in den letzten Monaten eine Geschlechtsumwandlung vollzogen. Damals wurde ich als Mann eingeschätzt – jetzt bin ich eine Frau Mitte 20.


Gemerkt habe ich das gestern wieder, als ich 2 ½ Stunden im Zug verbracht habe. Nach acht Stunden Lehrtätigkeit sehnt man sich nach einem ruhigen Winkerl, in dem man einfach nur vor sich hin starren, sich von Musik einlullen und eventuell versäumten Schlaf nachholen kann. Auf keinen Fall will man weitere Menschen HÖREN. Erkenntnis Nummer eins: Man nehme eine andere Abfahrtszeit, denn knapp vor 19 Uhr ist die Wahrscheinlichkeit groß, volle Abteile vorzufinden. Andererseits: Das eigene Bett kann doch eine gewisse Anziehungskraft ausüben, der man sich manchmal nicht entziehen will. Also drücke ich mich in einen Sitz und hoffe, dass die Lautstärke meines Blackberrys das Gebrabbel der Mitreisenden übertönt. Hätte klappen können, doch wenn Taubheit auf Trunkenheit trifft, kann selbst der Blackberry nur mehr w.o. geben. Eine Gruppe älterer Menschen hatte sich wohl zu einem Ausflug in die Hauptstadt getroffen und dort nicht nur Kultur, sondern auch etwas anderes getankt.
Ältere Menschen – wann gehört man da dazu? Die WHO sagt, dass man ab 61 in diese Kategorie fällt. Puh, Glück gehabt. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit meinem Jüngsten, der mich mit Mitte 30 schon als alt bezeichnet hat. Drollig, diese Kinder! Dass ich darüber nachdenke, ob ich inzwischen zu den älteren Menschen zähle, zeigt, wie entleert mein Energiehaushalt ist. Fehlt nur noch, dass ich zu weinen beginne – eine beliebte Tätigkeit mit leeren Batterien. Irgendwann fallen mir im Zug dann doch die Augen zu, denn durch die laute Musik in meinen Ohren ist die Unterhaltung der „geistreichen“ Runde zu einem Gemurmel verkommen, dass mich irgendwie einschläfert.

FrauDie Frau neben mir stößt mir ihren Ellbogen in die Rippen und weckt mich auf. Die Hoffnung, dass sie und die taub-trunkene Gesellschaft inzwischen den Zug verlassen haben könnten, hat sich leider nicht erfüllt. Und weil ich ein bisschen zu mir finden will, ziehe ich die Kopfhörer aus den Ohren. Ein Fehler! Nach 30 Sekunden überkommt mich die unbändige Lust nach einer Zigarette, der ich nicht nachkommen kann, weil es in diesem Zug leider keine entsprechende Abteile mehr gibt. Also muss ein Kaffee her. Ich remple mich vorbei an der Gruppe und strebe dem Automaten zu, der den traditionellen Speisewagen abgelöst hat. Die Maschine sei gerade gesäubert worden, die Kaffeeausgabe deshalb nicht mehr möglich, erklärt mir die Stewardess. Erkenntnis Nummer zwei: Sogar ich kann arm schauen, wenn die Not groß ist. Bald steht ein Cappuccino vor mir und sie bietet mir an, der Truppe für eine Weile in der ersten Klasse zu entfliehen. Ich lehne dankend ab und beginne ein Gespräch mit der jungen Frau.
Sie liebe ihren Job, doch manchmal sei es anstrengend. Vor allem, wenn sie sich mit älteren Menschen unterhalte, die ihr in kritischen Situationen ihr Alter unter die Nase halten würden. So nach dem Motto „Sie sind zu jung, das können Sie nicht wissen“. Sie rede oft lieber mit älteren als mit jüngeren, weil es denen oft nur ums Saufen ginge. Von älteren könne sie etwas lernen. Wir haben uns getroffen, denn bei mir ist es genau umgekehrt. Habe ich die Wahl zwischen einem jungen und einem Menschen meines Alters, entscheide ich mich vielfach für ersteres. Und nicht deshalb, weil ich – verzeihen Sie den Ausdruck – klugscheißen, sondern vielmehr lernen will. Offenbar kommt das selten vor, diese Erkenntnis. Vielfach behandelt man junge Menschen immer noch gerne von oben herab. Was nicht viel mehr bedeutet, als dass man es notwendig hat, sich auf ihre Kosten zu überhöhen.
Möglicherweise trägt das auch dazu bei, dass mich der Internet-Test als eine Frau Mitte 20 eingeschätzt hat. Denn meine Einstellungen wurden von „Altersgenossen“ nicht nur einmal als unorthodox beurteilt. Offenbar wirkt sich das aber auch auf die körperliche Ebene aus. Kürzlich wurde ich nämlich gefragt, ob ich an meinen Brüsten etwas machen habe lassen. Sie wären einer Frau meines Alters nicht angemessen. Ich habe sehr gelacht. Und an einen Spruch von Richard Rothe gedacht: „Es gibt Menschen, die im Alter ihre Jugend haben.“ Ich gehe heute Abend wieder tanzen – Sie auch?

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
Kommentare  
# Dr. Pförrer 2018-10-05 09:12
Also diesen Test stehe ich mittlerweile total kritisch gegenüber, vorallem jenen auf Facebook. Meine Tochter (damals 12) hat unabsichtlich ein "Testergebnis" an ihre gesamgte Schule geschickt, Lehrer inklusive. Das Testergebnis: Sie habe die sexuelle Energie eines Tigers - was auch immer das bedeuten mag...
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# magclaudiadabringer 2018-10-19 11:52
das ist natuerlich ein ergebnis, das irritiert! und dass es die runde gemacht hat, umso mehr. ich hoffe, ihre tochter ist einigermaßen glimpflich aus der situation heraus gekommen!
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