Im neuen Lebensjahr angekommen, stelle ich fest, dass ich an meinem Geburtstag genauso beschäftigt war wie in „alten“ Zeiten. Und doch bin ich am Abend traurig ins Bett gegangen.
Geneigte LeserInnen meiner freitäglichen Ergüssen werden sich noch erinnern, dass ich für meinen Geburtstag ziemlich genaue Vorstellungen hatte: nämlich ihn ausfallen zu lassen. Doch offenbar gehörte das wieder einmal zu den Ideen, die das Universum abgelehnt hat. Es begann damit, dass mich mein Ältester, der in Bayern wohnt, auf einer Fußgängerbrücke zwischen Österreich und Deutschland treffen wollte. Nachdem das rein vergnügliche Klügeln ja offiziell verboten war, fiel mir auf, dass ich dringend Medikamente aus Deutschland brauche, die ich hierzulande nur mit Rezept bekomme. Er erklärte sich bereit, sie für mich zu besorgen – grenzüberschreitender Warenverkehr samt Versorgung von Bedürftigen war ja erlaubt.
Zudem erreichte mich die Einladung zu einem Social Distancing-Frühstück bei meinen Nachbarn, den Großeltern meines Kleinen, der wirklich ziemlich leidet, dass er immer noch nicht zu mir darf. Und während wir politisch korrekt beim Kaffee in der Sonne saßen, hatte sich eine Freundin auf den Weg gemacht, um mir persönlich zehn rote Rosen zu überreichen. Auch hier wurde der Mindestabstand penibel eingehalten.
Das Treffen mit meinem Ältesten, dem sich seine Freundin und sein Vater anschlossen, stellte sich als Herausforderung dar. Zuerst ließ sich der Kofferraumdeckel nicht mehr schließen, dafür war die Fußgängerbrücke verbarrikadiert. Auch die alternative Übertrittslösung war geschlossen. Und so versuchten wir es auf dem legalsten Weg, den es dafür gibt, frei nach dem Motto „Let's face the enemy.“ Ich parkte also unmittelbar vor den Zelten der Grenzkontrollen, setzte mein charmantestes Lächeln auf und fragte, ob ich meine Gratulanten auf der anderen Seite der Grenze kurz treffen könnte. Und siehe da: sowohl österreichische als auch deutsche Kontrolleure waren überaus freundlich und ließen mich passieren.
Und dort warteten die drei auf mich mit ihren Geschenken und sogar einem Piccolo-Sekt zum Anstoßen. Wir wahrten natürlich auch hier den Abstand, doch als ich mich wieder auf den Heimweg machte, war mir zum Heulen. Und trotz aller Liebenswürdigkeiten, die in Form von Glückwünschen und persönlich ausgelieferten, über die diversen Eingänge gehängten Geschenken meinen Tag bereichert haben, wurde mir eines klar: Das Social Distancing in der direkten Begegnung ist schlimm für mich.
Ich habe – wie Sie bestimmt mitbekommen haben – überhaupt kein Problem damit, meine Tage alleine zu verbringen. Doch mein Geburtstag hat mir gezeigt, dass die soziale Distanz von Angesicht zu Angesicht in mein Herz sticht. Ich möchte meine Nachbarin umarmen, weil sie es ganz dringend braucht. Ich möchte meine FreundInnen umarmen, weil auch das notwendig ist. Und meine Eltern und meine Kinder sowieso. Das „bisschen“ Treffen tut mir weh. Und deshalb suche ich gerade nach einer Lösung für mich, wie ich künftig mit der Situation umgehen kann. Es ist mir bewusst, dass es nicht zur Allgemeinbildung gehört oder Standard ist, dass man sich über geschriebene oder gesprochene Worte verbinden kann. Ich kann das, auch über Video. Doch in der Öffentlichkeit Abstand halten – nein!
Vielleicht hat sich in den vergangenen Wochen auch einfach nur mein Gehirn verwandelt in einen Zustand, der nicht einmal mehr mit dem Begriff der „neuen Normalität“ etwas anfangen kann. Zumindest wie ihn die Obrigkeit definiert. Neue Normalität wäre für mich ein hohes Maß an Achtsamkeit, wie, wann und mit wem man sich abgibt. Wie man auf die eigenen Befindlichkeiten reagiert und zum Wohl aller seine Gesundheit erhält. Welche Kilometer ich fahre und welches Kleidungsstück ich brauche. Eigenverantwortung eben. Doch das scheint man uns nicht zuzutrauen. Und da stellt sich mir schon die Frage, ob wir uns als Gesellschaft das nicht wirklich selbst zuzuschreiben haben. Gesetze werden ja nicht wegen jener erlassen, die einen halbwegs vernünftigen Zugang zur Wirklichkeit haben, sondern wegen jener, die über die Stränge schlagen. Und ja, das ist ungerecht, denn die Zahl derer, die pfleglich miteinander umgehen, ist ungleich höher. Doch sie sind diejenigen, die unser immer enger werdendes Gesetzeskonstrukt zu verantworten haben. Auch in der jetzigen Situation.
Ach, ich weiß auch nicht, was das Beste für die politische Zielgruppe Österreich ist. Ich weiß nur, dass manche Dinge langsam unplausibel werden. Und je häufiger das vorkommt, umso rebellischer werde ich. Im Innen wie im Außen. Das wiederum erzeugt Stress, der mein Immunsystem schwächt. In meiner heutigen, geleiteten Meditationseinheit habe ich gehört, dass man bei auftauchenden Herausforderungen zuerst still werden und sich dann öffnen soll für die Lösungen, die das Leben einem zuträgt. Das werde ich jetzt auch tun. Ich halte Sie auf dem Laufenden – bleiben Sie bis dahin gesund!
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