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Das „alte“ Leben hat mich wieder. Und das merke ich daran, dass ich mit den Einschätzungen anderer bezüglich meiner Person konfrontiert werde. Wie konnte ich nur ohne sie leben?

Seit Kurzem absolviere ich eine Ausbildung, die sich mit Biografiearbeit beschäftigt. Was daraus wird, habe ich schon grob im Kopf, doch die Umsetzung wird sich mit der Zeit klarer ausformen. Und wie Sie sich vielleicht schon denken können, arbeitet man da auch ganz schön im eigenen Leben herum. Man versucht, ein bestimmtes Lebensalter mit bestimmten Ereignissen zu verknüpfen, sucht nach frühen Erinnerungen und leitet davon seine Daseinsthemen ab. Und wie bei fast jedem Eintritt in ein neues Lernfeld gibt es die unvermeidlichen und auch notwendigen Vorstellungsrunden.

Vor Jahren, als mein Selbstständigsein etwas ruckelte, habe ich einen Selbstmarketingkurs gesucht. In der Vorstellungsrunde mussten sich zwei Menschen gegenübersitzen und sich ohne weitere Information einschätzen. Der Mann, der mich in irgendeine Schublade zu legen versuchte, zog jene heraus, wo „Buchhalterin“ draufstand, und da wusste ich, dass ich diesen Kurs wirklich dringend nötig hatte. Letztens eine ähnliche Situation, nur zu dritt. Zwei mussten über den anderen in dessen Beisein Ideen sammeln, die ihnen zu seiner/ihrer Erscheinung einfielen. Und siehe da: So schlecht lagen sie nicht, auch wenn ich keine Kunsthandwerksstücke verkaufe, die ich selbst herstelle. Und weder verheiratet noch glücklich geschieden bin. Doch der Rest passte. Und ich freute mich, weil es mir zeigte, dass ich inzwischen eine gewisse innere und äußere Kongruenz erreicht habe.

Was mir mit der nächsten Einschätzung etwas schwerer fiel. Denn da wurde ich als – Zitat - „kleine Herzensbrecherin“ eingestuft. Und obwohl es charmant gemeint war, würde ich das nie wollen. Denn ein Herz zu brechen, ist eine höchst unschöne und schmerzhafte Angelegenheit. Selbst wenn man es nicht absichtlich tut, wie in meinem Fall. Und ich frage mich natürlich auch, was an meinen Verhaltensweisen so herzbrecherisch sein soll. Ich bin freundlich und zugewandt zu nahezu jedem Menschen, der mir über den Weg läuft. Eigentlich kenne ich nur einen, vor dem ich Reißaus nehme, weil er eine derart düstere Aura hat, dass ich Angst habe, davon angesteckt zu werden. Ich höre zu, wenn mir jemand etwas erzählt, ohne daran zu denken, ob ich mit den mitgeteilten Konsequenzen leben kann. Ich komme auch nicht in Sack und Asche daher, weil ich einfach glaube, dass die Welt mehr Farben braucht. Und wenn dann noch etwas glitzert oder durchscheint, ist es auch in Ordnung. Allerdings scheint das jetzt auch schon auszureichen, um Fantasien anzureichern.

Leben

Was mich zur nächsten Einschätzung bringt: „Du glühst so sehr, dass du bestimmt noch aus dem Grab heraus glühst.“ I beg your pardon? Hätte ich etwas Rotes getragen – geschenkt! Doch halt: Mein Lippenstift war rot. Doch ist das genug, um mich zu einer Wiedergängerin zu machen? Eine gute Seite hat das allerdings. Meine Nachfahren müssen wenigstens kein Geld in Grabkerzen investieren, weil das ganze Plätzchen sowieso erleuchtet ist. Nein, aber ernsthaft. Eine Freundin sagte, ich solle es als Kompliment nehmen, was ich ja auch tue. Denn offensichtlich gibt es wenige Männer, die heutzutage noch Äußerungen in diese Richtung machen. Kann ich nicht unterschreiben, aber vielleicht hängt das mit meiner herzbrecherischen, glühenden Kunsthandwerksverkäuferinnenexistenz zusammen. Die Erzählerin in mir findet das ziemlich aufregend, denn aus diesen drei Worten kann man einen Roman schreiben. Vielleicht kein Stück Hochliteratur, aber doch etwas, was man am Wörtherseestrand oder in der Hängematte gerne liest.

Die Wochen der Ausgangsbeschränkungen hatten mich von Einschätzungen dieser Art weitgehend befreit, auch wenn ich in schriftlicher Form mit Begrifflichkeiten wie „Hexe“ und „grammatikalisch brutal“ bezeichnet wurde. Aber wenn man sich danach wieder einschwingen kann, verkraftet man auch das. Jetzt steigert sich das alles langsam, wechselt die Ebene von virtuell zu 3-D, was auch entsprechende Energien mit sich bringt, die in der kürzlichen Vergangenheit durch das WWW abgefangen wurden. Bin gespannt, wie mein System dieses Mal reagiert, ob es sich wieder zurückzieht oder sich daran gewöhnt. Momentan weiß ich nicht, was ich mir wünschen soll.

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Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
Kommentare  
# Andrea 2020-06-08 08:36
Ich habe auch arbeitsbedingt mehrere Kurse in den letzten Wochen besucht und fand die Pause relativ erfrischend! Durch mein engagement habe ich auch zum glück relativ schnell wieder einen job gefunden :)
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# magclaudiadabringer 2020-06-10 12:51
hallo andrea, ich freue mich ueber jeden, der die vergangenen wochen positiv fuer sich selbst nutzen konnte. gratulation zum neuen job! herzliche gruesse...
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