Ich war in der vergangenen Woche ziemlich schlecht gelaunt – das Wetter, die aktuellen Beschränkungen, die Fragilität des Daseins. Inzwischen habe ich den Grund für diese Laune identifiziert.
Seit Monaten höre ich Eckhart Tolles „Neue Erde“. Warum sich das über Monate zieht? Weil seine Stimme so beruhigend ist, dass ich nach nur wenigen Kapiteln einfach einschlafe. Und deshalb immer wieder zurück hören muss, weil ich mich ja nicht mehr daran erinnere, was vor dem Wegknacken passiert ist. Passiert mir übrigens auch bei meiner Bettlektüre, doch da bin ich relativ schnell wieder drin – auch weil ich mir beim Zähneputzen schon überlege, woran ich mich denn noch erinnere. Kleines Alzheimer-Training, man kann damit ja nie früh genug beginnen.
Eckhart Tolle also. Die Kapitel des Hörbuchs sind kurz und sehr tiefgründig. Im Grunde sollte man nach jedem Satz eine Pause machen, um über das Gehörte nachzudenken. Dabei kommen seine Worte ganz einfach daher, ohne dass der Hörer oder die Hörerin durch einen intellektuellen Fachjargon verärgert wird. Und genau diese Einfachheit war es auch, die mir am vergangenen Wochenende die Erklärung für meine schlechte Laune der vergangenen Zeit geliefert hat. Tolle sagte nämlich: „Das Ego kann einrasten.“ Das entsprach genau dem Gefühl, das mich einfach nicht losgelassen hat. Ich wusste, dass manches eben gerade unveränderlich ist, dass ich meine Individualität nicht zur Gänze ausschöpfen kann, dass gewisse Einschränkungen nun eben Allgemeingut sind. Und doch habe ich mich Tag für Tag für Tag daran abgearbeitet, weil ich unbedingt etwas wollte. Wie ein aufstampfendes Kind, wahlweise wie eines, das sich an der Supermarktkasse auf den Boden wirft und sich in den Resten von Cola-Light wälzt. Mimimimimi halt.
Ich habe mir selbst dabei zugesehen, wie ich dieses Ego emsig bedient habe, und konnte trotzdem nicht von der Schiene runter. Da half nicht einmal ein anderer Tolle-Satz, der sinngemäß besagt: „Wenn du das Ego identifiziert hast, bist du schon dabei, dich davon zu lösen.“ Keine Chance, das Ego war eben eingerastet. Mein Aha-Erlebnis war vermutlich von einem Onlineworkshop getragen, den ich am Tag vorher gehalten hatte. Und was viele Menschen dabei überhaupt nicht mögen – der direkte Kontakt fehlt, man sieht keine Körpersprache, Technik kann Berührung nicht ersetzen -, macht mir Freude. Aus irgendeinem Grund kann ich Beziehung auch über die Webcam herstellen, meine Mimik hat immer schon Bände gesprochen (eine Befindlichkeitsbeschreibung aus meiner Kindheit lautete Murfel, und ich bin sicher, Sie können sich das Gesicht dazu vorstellen), und wenn es die Situation erlaubt, kann ich auch vor einer Webcam verrückte Dinge machen oder sagen.
Dieser Onlineworkshop hat mir die Schiene gelegt, einmal Pause von meiner schlechten Laune zu machen. Und siehe da, es hat sich danach einiges bewegt. Vor allem dahin gehend, dass ich doch einige Werkzeuge an der Hand habe, um mich wieder in Balance zu bringen – egal, was die Obrigkeit von mir fordert. Ich habe die Energie-Levels meiner Chakren überprüft und musste feststellen, dass es nur eines gibt, das voll geladen ist. Eine etwas schockierende Erkenntnis, aber immerhin ein Anfang. Und weil mein kluges Buch auch Tipps gibt, wie man in die restlichen Chakren Leben pumpt, füllte ich meinen Sonntagabend mit einem Plan dafür. Ohne Sie jetzt mit Details langweilen zu wollen: Es gibt seit Montag drei Yoga-Einheiten, Bewegung an der frischen Luft, stimulierende Musik von unterschiedlichen Instrumenten und ausgewählte Düfte.
Ungeachtet dessen, ob das nun eine Vorgangsweise ist, die jedem hilft: Mir schenkt der Plan Energie. Ich lasse mich in den Tag trommeln, koche zu Oud-Klängen (was passt, weil ich eh ein Fable für orientalische Gerichte habe) und lasse mich von Holzbläsern in die Müdigkeit tragen. Doch das ist nur eine Facette meines Retreats. Und sie hilft. Eine andere Aufgabe ist, viel Sonne zu tanken. Und weil sie jetzt gerade bei meinem Fenster herein lacht, werde ich ihrer Verlockung nachgeben. Mein Nabelchakra wird sich freuen.
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