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Ich hatte mir viel vorgestellt, meine Fantasie wieder eingefangen und beschlossen, offen zu sein. Dass ich dann diejenige sein würde, die sich zurückhält, war ein Aha-Erlebnis.

Wie Sie lesen können: Ich habe den Urlaub überlebt. Ziemlich entspannt und gesund sogar, und alles war halb so schlimm. Wenn überhaupt. Dass diese Woche dieses Ergebnis zeitigen würde, war eine Überraschung, auch wenn ich mir das wirklich gewünscht hatte. Nichtsdestotrotz: Mehr als einmal war ich erstaunt, über die anderen und mich selbst.

Wenn man wie ich einen dieser Oberarme besitzt, der von „der“ Impfung noch verschont geblieben ist, bedeutet das: Urlaub geht nicht ohne Vorbereitung. Und das habe ich ja in Kauf genommen mit dem Wunsch, endlich wieder das Meer zu sehen und zu spüren. Sämtliche Formulare ausgefüllt, sämtliche persönlichen Vorkehrungen getroffen – und dann ab in den Süden. Durch wunderbar grüne Täler, einsame Landschaften und vorbei an durchsichtigen Seen führte der Weg, bevor er unweigerlich im Grenzchaos endete – kurzfristig. Denn offenbar hatten nicht alle, die gen Süden strebten, ihre Hausaufgaben gemacht. Wie auch immer, irgendwann einmal wollte auch ich meine gesammelten Unterlagen durchs Fenster reichen. Das müde, überhitzte Gesicht im Glaskobel warf nur einen Blick in meine Richtung und winkte mich durch. Das machte mich neugierig auf die Grenzmodalitäten bei der Rückreise.

Am Ziel angekommen in einer kleinen Wohnung inmitten eines historischen Wohngebiets, fand ich mich sehr schnell im alltäglichen Leben der Einheimischen wieder. Ganz wunderbar und genau das, was ich am Reisen so mag. Nur wenige Gehminuten entfernt war das Meer, das ich durch eine Häuserflucht sogar vom Apartment aus sehen konnte. Und für eine Spaziergängerin wie mich ein besonderes Geschenk: die zehn Kilometer lange Promenade entlang der Küste, die immer wieder Plätze zum Abbiegen und Baden bot.

Natürlich war ich nicht die einzige Flaneuse, und damit begann auch das Staunen. Denn weder beim Bummeln noch in den Geschäften und Restaurants schienen die C-Scheißerchen auch nur irgendeine Rolle zu spielen. Ganz brav hatte man an den Eingängen Desinfektionsmittel platziert, doch das war es auch schon. Einmal wurde ich sogar darauf hingewiesen, dass ich im Geschäft keine Maske tragen müsse. Durch die engen Gassen schoben sich die Menschen – jetzt nicht so wie in den Jahren vor 2020 -, und keinen schien auch nur ein Abstand von einem Meter zu interessieren. Einheimische genauso wenig wie Gäste.

Fantasie

Während ich auf einem dieser Felsen lag und aufs Meer schaute, wurde mir bewusst, dass es an mir lag. Dass Regeln nur so lange sinnvoll sind, solange sie im Alltag für jemanden Sinn ergeben. Die Menschen im Süden sahen keinen Sinn darin, offensichtlich. Ich schon. Ich achtete auf den Abstand, trug meine Maske in den Geschäften und ging auch zum Testen, weil ich unachtsamerweise zu wenig Wohnzimmertests eingepackt hatte. Und wieder einmal merkte ich, dass es jenseits von Regeln eine Sache der Eigenverantwortlichkeit ist, sich zu schützen.

Das fiel schwer, zugegebenermaßen. Gerne wäre ich durch den Strandbasar gebummelt, gerne hätte ich dort – wie früher – mit den Betreibern geplauscht und vielleicht etwas gekauft, weil deren Geschichten so gut waren. Doch dieses Mal blieb ich dem Markt fern. Im Sonnenlicht war es mir mit Maske zu heiß, am Abend zu überfüllt. Eine weitere Erkenntnis: Es fehlt mir nichts, wenn ich dem Basar fernbleibe. Und auch sonst hatte ich alles, was mich entspannt. Es ging sogar ziemlich schnell mit dem Loslassen dessen, was mich zu Hause beschäftigt hat. Und ich habe beschlossen, dort auch wieder hinzufahren, weil ich bei Weitem nicht alles sehen konnte, was mir Appetit gemacht hat.

Meinen letzten Wohnzimmertest machte ich für die österreichische Grenze. Schließlich bin ich ja eine Buhfrau, weil Reisende ja so viel zum Steigen der Infektionszahlen beitragen. Doch die Beamten haben mich durchgewinkt. Wäre es anders gewesen, hätte ich für die Fahrt vermutlich um ein Vielfaches länger gebraucht, und insofern war ich natürlich dankbar. Andererseits: Den Reisenden Unachtsamkeit vorzuwerfen und sie dann nicht zu kontrollieren, geht halt in meiner Welt auch nicht zusammen.

Während der Woche las ich, dass jemand meinte: „Istrien ist sicherer als Österreich.“ Meine Rede. Denn als ich erfuhr, dass ich bei meinen künftigen Festspielbesuchen deshalb eine FFP2-Maske tragen muss, weil ein Premierengast des „Jedermanns“ zu wenig Eigenverantwortlichkeit besaß, als Kontaktperson von einem Infizierten auf die Vorstellung zu verzichten, dann ärgerte mich das immens. Wenn wir etwas gelernt haben sollten in den vergangenen anderthalb Jahren, dann das: Es liegt an jedem und jeder Einzelnen, „safe“ zu sein. Und wenn ich hierzulande durch ein Einkaufszentrum spaziere, wo man in der Mall keine Maske tragen muss, dafür aber im Supermarkt, der Teil der Mall ist, ist das vollkommen unlogisch. Dass man dessen müde wird, verstehe ich. Aber genau deshalb bleibt es uns auch nach Monaten nicht erspart, immer wieder zu überprüfen, wie wir zur Situation stehen. Und uns eben nicht darauf zu verlassen, was gerade erlaubt oder verboten ist.

Der Schöpfer hat uns mit einem Gehirn ausgestattet, damit wir es gebrauchen. Und es ist auch flexibel genug, für veränderte Situationen Lösungen auszuspucken. Statt sich aufzuregen, Barrieren wieder zu erhöhen oder Zwänge aufzubauen, könnte man sich einfach mal einen eigenen Standpunkt überlegen. Gerne auch am Meer. Gerne auch am Berg. Hauptsache, man hat den Überblick.

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Bilder  ©  Pixabay

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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