Man möchte es gar nicht glauben, dass wir uns im Sommer befinden. Meine Regentonnen laufen über, die Garderobe jubelt dem Zwiebellook zu, und im Ofen brennt ein Feuer.
Im Hochsommer wird idealerweise der internationale Tag des Bieres begangen. Ich als passionierte Biertrinkerin könnte das ja zum Anlass nehmen, endlich wieder einmal eines zu trinken. Es gilt schließlich, etwas aufzuholen. Die österreichischen Brauereien haben letztes Jahr 170 Millionen Krügerln weniger verkauft, das werde ich in diesem Leben nicht mehr schaffen. Doch wenn ich mir den Wetterbericht anschaue, werde ich vermutlich auf Hopfentee ausweichen, was der Brauwirtschaft nicht wirklich dient. Ein Glühbier schon eher, doch irgendwie graust es mir davor, auch wenn ich Bier gerne lauwarm trinke. Meine frühen England-Aufenthalte haben mich geprägt fürs Leben – auch was das Biertrinken angeht.
Aus ayurvedischer Sicht ist es ja für einen bestimmten Typ Mensch recht heilsam, hin und wieder ein Bier zu trinken. Und nein, es muss nicht alkoholfrei sein. Vor allem im Sommer mit normalerweise heißen Temperaturen kühlen die Ingredienzien des Hopfensaftes dieses spezielle Gemüt, sagt Ayurveda. Wie alles Bittere, also auch Kaffee, Petersilie oder Chicorée. Das macht diesen Typ namens Pitta etwas lockerer, der normalerweise gut strukturiert und fokussiert ist. Doch wenn das ins Kraut und der Mensch dadurch dem Burn-out entgegenschießt, ist ein Krügerl zu empfehlen.
Was sagt also meine Vorliebe für Bier über mich? Oder besser gesagt: Was sagt das über mein früheres Ich aus? Ja, ich habe Jahre hinter mir, die strukturiert werden mussten nach dem großen Umbruch 2014. Und ja, ich habe versucht, meinen Fokus neu auszurichten. Was seine Zeit gebraucht hat, vielleicht auch deshalb, weil ich mich eben immer mal wieder lockerer gemacht habe, als es dem Fokus gedient hat. Ich war gefühlt in einem permanenten Zappelzustand, der mich unglaublich auf Trab gehalten hat. Alles aufregend, vieles neu, manches auch extrem aufreibend. Müde war ich nie, vielleicht auch deshalb nicht, weil ich Versäumtes nachholen wollte. Nur um festzustellen, dass es nichts nachzuholen gibt.
Diese Erfahrung habe ich auch schon nach der Matura gemacht, als ich endlich quasi in die Freiheit entlassen wurde. Meine Eltern haben mich weitgehend vor den Erfahrungen beschützt, die ich unbedingt machen wollte; mit neunzehn gab es kein Halten mehr für mich. Nach zwei Jahren war ich durch mit dem Gefühl, dass ich etwas versäumt hatte. Und an einem ähnlichen Platz befinde ich mich gerade wieder. Sorry, Brauwirtschaft, aber ich vermisse die Krügerln nicht, die ihr gerne ausschenken möchtet. Ausnahmen bestätigen die Regel, beispielsweise wenn ich den Wirt meines Vertrauens aufsuche, mit Freundinnen das Leben durchkaue oder gemütlich mit meinen Eltern zusammensitze.
Ayurvedisch gesehen dürfte das bedeuten, dass ich doch mehr zu meiner inneren Balance gefunden habe. Dass es stressmäßig weniger auszugleichen gibt, dass ich meiner Natur nähergekommen bin, die locker auch ohne Hopfen auskommt. Weil die Aufgaben, denen ich mich widme, mir mehr entsprechen als jene, die ich mir in den vergangenen Jahren anzueignen versucht habe. Ich bin ein geselliger Mensch geblieben, muss mir aber nicht mehr jedes Problem anhören. Ich tanze nach wie vor, renne aber nicht mehr den Rhythmen anderer hinterher. Ich kümmere mich weiterhin um andere, verkümmere dabei aber selbst nicht mehr. Das ist das Angenehme am „Voll50“-Leben: Man weiß, was man versäumen will. Und wenns nur ein Krügerl Bier ist.
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