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Diese Woche haben wir den letzten Neumond des Sommers erlebt, und das satte Blau des Himmels ist schon seit einiger Zeit einem wässrigen Ton gewichen. Ein weiterer Abschied steht bevor.

Ich kann mich noch an meine Zeit als Schülerin erinnern, die sich in den letzten Tagen der Sommerferien neue Schulsachen ausgesucht, später Modemagazine gewälzt hat, um irgendwie schick den ersten Schultag nach das Auszeit zu überstehen. Und ich habe mich meistens im Herbst verliebt. Für mich hat diese Jahreszeit – sie ist mir die liebste – also durchaus ihren Reiz.

Den Charakter dieser Jahreszeit verstehe ich erst langsam, dafür über umso intensiver. Er ist Ernte, einer, der Bilanz zieht und sich danach von allem verabschiedet, was weg kann. Die Trauben hängen jeden Tag schwerer an den Reben, an Ernte ist aus Zeitmangel aktuell noch nicht zu denken. Also dürfen die Vögel ernten, bis der Tag des Einsammelns, Abbeerens und Einkochens kommt. Selbst wenn das Federvieh fleißig ist, weiß ich: Es ist genug für alle da.

Eine Bilanz des Sommers habe ich bereits an dieser Stelle gezogen. Was weg kann, ist nach einem Treffen mit meinem Steuerberater das Gefühl, ich müsste mich stressen. Es sind stets heitere Treffen, ähnlich jenen mit dem Frauen- und Zahnarzt, denn danach fühle ich mich stets besser. Weil ich merke, dass mein Kopfkino halt am Ende des Tages auch nur eine Illusion ist, die mich mit mir selbst nicht gerade freundlich umgehen lässt. Weg kann auch das Gefühl, dass ich es irgendjemandem rechtmachen müsste. Nicht dass ich unliebsame Erfahrungen gemacht hätte; das Gegenteil hat mich zu dieser Erkenntnis kommen lassen. Und die eine oder andere Unsicherheit, die von außen geschürt wurde. Denn immer, wenn eine Anregung kam, die etwas optimieren wollte, was in meinem System gerade nicht zu optimieren ist, habe ich mich innerlich aufgerichtet. Auf das „MMMMMMM“ oder „NNNNNN“ in meinem Bauch gehört und dann beschlossen: „Du bist gut, wie du bist. Perfektion dient lediglich der Oberfläche.“ Äußerlich habe ich entweder gelächelt oder mich für die Anregung bedankt mit dem Hinweis, dass ich darüber nachdenken werde. Nachgedacht habe ich allerdings darüber, was die Anregung über den Menschen aussagt, der sie abgesondert hat. Sehr spannend!

Abschied

Zum bewussten Abschiednehmen von einer Person hat diese Vorgangsweise nicht geführt. Vielmehr hat durch meine Haltung ein ganz natürlicher Selektionsprozess eingesetzt, den man mit dem Gesetz der Anziehung beschreiben könnte. Wenn man mit sich im Reinen ist, zieht man auch solche Menschen an. Wenn man viel im Kopf ist, findet man sich auch im Kreis von Brainies wieder. Und ist man unglücklich, hängt an jedem Mundwinkel jemand, dessen Mundwinkel ebenfalls hängen.

Jetzt kann ich mich bekannterweise vor Gefühlen, die von außen an mich herangetragen werden, nur ungenügend schützen. Weil zu empathisch, weil zu lösungsorientiert, weil zu idealistisch. Doch auch das ist in diesem Sommer etwas besser geworden, weil ich viele Möglichkeiten hatte, zu üben. Leider aus einer persönlichen Betroffenheit heraus, weil ein mir nahestehendes Familienmitglied an einer schweren Krankheit leidet, die heuer diagnostiziert wurde. Der Jammer ist an allen Ecken und Enden groß, die Menge der Handlungsoptionen größer. Denn jeder fühlt mit, hat aber eine von anderen unterschiedliche Vorstellung davon, was jetzt zu tun ist. Ich eingeschlossen. Ich habe in diesem Sommer Stunden, wenn nicht Tage damit verbracht, mir Lösungen zu überlegen, weil das meine Natur ist. Und doch musste ich feststellen, dass mein Aktionsradius sehr überschaubar ist. Ich kann weder erzwingen, dass ayurvedische Heilkräuter eingesetzt noch Prioritäten anders positioniert oder Emotionen aus dem Spiel gelassen werden. Alles, was ich an Gefühlen und Analysen produziere, hilft dem Betroffenen rein gar nichts. Weil er um sein Leben kämpft. Und das seine oberste Priorität ist. Ich war in diesem Sommer wegen dieser Angelegenheit oft sehr wütend, aus Traurigkeit, weil man von außen immer einen kühleren Blick auf alles hat. Situationen besser durchschaut, Zusammenhänge klarer sind. Doch diese Emotionen habe ich losgelassen, sie durch reines Zuhören und Stärken der Verzweifelten ersetzt. Mehr geht nicht, weil – ganz pragmatisch – meine Befugnis begrenzt ist. Um das zu begreifen, war dieser Sommer notwendig.

Der Himmel über der Terrasse, auf der ich diese Zeilen schreibe, ist durchsichtig wie die Stimme meines geliebten Verwandten. Doch wie ich in der äußeren Fülle inmitten der Weintrauben sitze, kann er auf ein Leben in absolutem Erlebnisreichtum zurückblicken, den manchen Menschen in drei Inkarnationen nicht sammeln können. Es wird sich zeigen, ob sich daraus ein Aufschwung ergibt, den Tagen noch mehr Leben hinzufügen zu wollen oder die Erkenntnis, dass es genug ist und war. Ich hoffe auf ersteres – dieser Abschied kann noch warten.

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Bilder  ©  Pixabay 

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
Kommentare  
# Berndt 2021-09-17 07:41
Ach ja der Herbst. Für viele ein Graus, für manche die beste Jahreszeit überhaupt. Ich zähle mich zu letzterem. Die Herbstfarben, die kühlen Temperaturen und der neubeginn, alles Gründe um den Herbst zu lieben. Und auch keine Massen an Touristen überall ;)
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