Ich schreibe diese Zeilen an einem Tag, an dem Vollmond, Herbstbeginn und Weltfriedenstag zusammenfallen. Alles sehr symbolträchtig, wie ich finde.
Leider verhindert der dichte Wolkengatsch, dass ich die volle Scheibe am Himmel sehe, von der ich natürlich weiß, dass sie keine Scheibe ist und auf der ich trotzdem immer ein Gesicht sehe und mir dazu den Mann im Mond vorstelle. Dabei ist der Mond ja in den romanischen Sprachen weiblich, und bei den Chinesen ist der Mann sogar tatsächlich eine Frau. Eine, die ein Unsterblichkeitselixier getrunken haben soll und sich dann auf den Mond davongemacht hat. Mir erscheint das weibliche Geschlecht des Mondes natürlicher, denn ich wüsste jetzt auch gar nicht, ob Männer die Wirkungen des Mondes so spüren wie Frauen. Eventuell beim Autofahren, aber dieses Klischee möchte ich nicht weiter ausführen. Im England des 12. Jahrhunderts sprach man allerdings davon, dass sich Männer bei Vollmond in Wölfe verwandeln. Ob rabiate Autofahrer die moderne Variante dieser Wölfe sind? Ich weiß es nicht, werde aber beim nächsten Vollmond, dem sogenannten Jägermond, darauf achten, wer so über die Straßen jagt.
Über den Abschied vom Sommer habe ich schon ausführlich geschrieben, und doch kann ich mich nicht wirklich trennen vom Sommergefühl. Obwohl die meisten Menschen, denen ich begegnet bin, bereits in Regenjacken und Schlauchschals gehüllt waren, bin ich heute noch einmal in meine Babouches und eine dünne Hose geschlüpft und habe mir fest vorgenommen, in der kurzärmeligen Strickjacke nicht zu frieren. Was gelungen ist, aber auch damit zu tun hatte, dass ich in herzerwärmender Gesellschaft war. Obwohl ich mich schon gefühlt seit Wochen auf die satten Herbstfarben freue und konstantere, wenn auch kühlere Temperaturen herbeisehne, habe ich am Wochenende doch mit Freude festgestellt: Selbst im Hochgebirge steht der Farbwechsel noch aus. Selbst die Nächte sind bei Weitem noch nicht so frostig, wie man es dort erwarten würde. Nichtsdestotrotz: Ein bisschen Sommer sollte schon noch her. Auch ein bisschen Meer – Sie merken, ich habe im Juli meinen Meerhunger wieder getriggert. Doch ich spüre, wie unentschieden ich diesbezüglich bin. EIGENTLICH habe ich mir für die nächste Woche Urlaub eingeteilt, EIGENTLICH möchte ich ans Meer, doch EIGENTLICH kann ich mich nicht entscheiden, an welches. Offensichtlich habe ich mich von einem noch nicht verabschiedet, nämlich von meiner Entscheidungsfreude, wenn es ums Reisen geht. Ich bin sogar richtig, richtig schnäkig geworden. Und das hat noch nicht einmal mit der C-Situation zu tun, sondern einfach damit, dass ich ganz bestimmte Vorstellungen habe, wie dieses Am-Meer-Sein zu sein hat. Das Quartier darf nicht zu abgefuckt, aber auch nicht zu teuer sein. Es sollte neben einem Balkon auch einen Wasserkocher, möglichst beides mit Meerblick haben. Ob ich mich anderen Gästen aussetzen will oder mich lieber in einer Ferienwohnung einniste, ist auch so eine Schwebe-Entscheidung, zu der ich mich noch nicht durchgerungen habe. Die Uhr tickt, Aufgaben sollten delegiert werden, doch selbst der Entscheidungszauber meines Ältesten hat bislang wenig gefruchtet. Heute hat er mir erklärt, dass man sich mit Warten selbst boykottiert und am gescheitesten den Zauber vergessen sollte. Daran arbeite ich jetzt, während ich vergeblich den Himmel nach der unsterblichen Frau absuche.
Ein bisschen stört diese Unentschiedenheit schon meinen inneren Frieden. Weil ich etwas will, von dem ich nicht weiß, ob ich es wollen soll. Am besten wird sein, an etwas anderes zu denken – wie immer. Arbeit bietet sich da natürlich an, doch offen wie ich bin, recherchiere ich wieder einmal. Und stelle fest: Ein Tankstellen-Kassier wurde erschossen, weil er an die Maskenpflicht erinnert hat. Und stelle fest: Eine 17jährige ist nach dem Konsum von zwölf Energy-Drinks in der Notaufnahme gelandet. Und stelle fest: Ein Schlagerfan ist an den Folgen einer Harnverhaltung gestorben, weil er falsch abgebogen ist, nachdem er es wirklich nicht mehr „halten“ konnte. Das Kopfschütteln über das, was in der Welt abgeht, schleudert auch die Reisegedanken aus meinem Hirn. Die Katze kratzt an der Balkontüre – jetzt zählt sowieso nichts anderes mehr als der Servicegedanke. Ich sag's ja immer: Sind die besten Therapeuten, die Katzen, vor allem bei blöden Gedanken.
Weitere Beiträge von Claudia Dabringer finden Sie hier.
Bilder © Pixabay