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Die Tageszeitung, die sechsmal in der Woche meinen Briefkasten füllt, hatte eine gute Idee. Sie sammelt Ideen aus der Bevölkerung, wie man den Riss kitten kann. Die Geschichten sind Schritte in die richtige Richtung.

Seit Tagen überlege ich mir, was ich in dieser Kolumne teilen könnte. Doch jeden Tag greift ein anderer Mensch eine Facette auf, bei der ich während des Lesens „Genau so gehts“ rufen möchte. Was bedeutet: Es gibt doch Hoffnung, dass Menschen Wege im Kleinen gehen und damit auch einen Einfluss auf das Große nehmen – und wenn es nur durch die Verbreitung in einer Tageszeitung ist. Dass diese dazu aufgerufen hat, finde ich sehr beachtlich.

Das mit dem Riss durch eine Gesellschaft begleitet uns nun schon ziemlich lange. Ich erinnere mich an einen Bundespräsidenten-Wahlkampf, EU-Sanktionen, US-amerikanisches Schwarz-Weiß und jetzt eben das Drama um den Stich. Während des Bundespräsidenten-Wahlkampfs hatte ich noch eine ziemlich eindeutige Meinung, damals war ich zwanzig. Und jeder, der sich an dieses Lebensalter erinnert, weiß: Man ringt um Positionen, die dem Finden des eigenen Selbstbildes dienen. Und weil man sich da oft auf shaky ground befindet, kann man sich schon mal in einer Überzeugung festbeißen. Im Jahr 2000, als Österreich aufgrund einer Koalitionsfindung von der EU sanktioniert wurde, hatte ich auch meine Meinung, doch schon etwas differenzierter. Nämlich insofern, dass ich mit 34 Jahren schon besser unterscheiden konnte, was Sache und was Schmäh war in der Berichterstattung. Das US-amerikanische Schwarz-Weiß rund um den rothaarigen Tollenträger und schon vorher rund um die Attentate auf das World Trade Center weckte eindeutige Sympathien in mir, doch wirklich betroffen gemacht hat es mich nicht. Es wäre mir bewusst gewesen, wie sehr sich diese Denkweise zum Allgemeingut entwickeln würde. Damals dachte ich mir, dass das Verlassen einer Diskussionsgrundlage überhaupt keine Option sei. Weil man immer alles ausreden kann, wenn man will. Und speziell, wenn es Unklarheiten innerhalb der Familie gibt – wie es aus den USA kolportiert wurde -, müsse man erst recht wollen.

Richtung

Und jetzt also die Stichelei. Ich habe mir ja selbst lange Zeit gelassen dafür, und ich hatte acht Gründe dafür, die mein Jüngster im Sommer ja zum Explodieren gebracht hat. „Na ja, fast“, sagt der letzte Rest meines rebellischen Ichs. Wie auch immer: Schon damals machte ich ab und an die Erfahrung, dass ich als ungeimpfte Person Menschen dazu veranlasste, Abstand von mir zu nehmen. Ich habe das akzeptiert, weil ich um die Angst dieser Menschen wusste. Die ängstlich waren, obwohl sie ihre Injektionen abgeholt hatten. Was sie ja laut offizieller Diktion nicht hätten sein müssen. Was ich allerdings auch erfuhr: Kaum jemand der Geimpften hatte sich dafür interessiert, warum ich noch zögerte. Ich hingegen war stets aufnahmebereit, wenn mir ein Mensch erzählte, warum er sich für die Impfung entschieden hatte.

Wenn wir von einem Riss durch die Gesellschaft sprechen, ist das ein Zeichen dafür, dass wir nicht mehr zuhören, uns nicht mehr für die Beweggründe anderer interessieren wollen. Dass wir unsere Überzeugungen in eine Schublade gelegt und es ihnen dort gemütlich gemacht haben. Aber auch, dass wir zu träge geworden sind, sie wieder einmal herauszuholen und zu überprüfen, ob sie denn noch angebracht sind. Ein Entrümpelungstipp für den Kleiderschrank besagt, dass alles weg kann, was wir ein Jahr lang nicht angezogen haben. Warum machen wir das nicht auch mit unseren Überzeugungen? Warum ist es uns lieber, den vermeintlichen Riss durch die Gesellschaft hinzunehmen als aktiv etwas dazu beizutragen, dass Verbundenheit entstehen kann? Wenn wir alle diesen Transformationsprozess, der in vollem Gange ist, gut überstehen wollen, ist es allein die Verbundenheit, die wir zu schaffen im Stande waren, die uns jeden Tag optimistisch gestalten lässt. Heute wie auch in Zukunft. Und dazu ist es mindestens genauso wichtig, zu überprüfen, was man selbst Rissiges in die Welt setzt. Wo man sich selbst in einem Schwarz-Weiss-Setting, im Modus „Wir gegen die“ befindet. Wo wir selbst nur zu gerne die Eigenverantwortlichkeit abgeben an ein scheinbar größeres Ganzes, das aber im Grunde auch nur aus Menschen wie Du und ich besteht. Wir sind die Kapitäne und Kapitäninnen unserer Schiffe. Wir können jeden Tag aufs Neue darauf schauen, wie wir uns verbinden können. Gelegenheiten dazu gibt es viele – annehmen müssen wir sie halt. Wir schaffen das!

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Bilder  ©  Pixabay 

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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