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Mein Tag hat heute mit einem Podcast über Diversity begonnen. Und da ich ja bekanntermaßen an Serendipität glaube, bin ich dankbar für diese Inspiration. Und schummle mich nicht mehr um ein Thema herum, das mich seit Wochen umtreibt.

Schon seit Wochen trage ich mich mit dem Gedanken, über dieses Thema zu schreiben. Denn nach der Lektüre von Alice Schwarzers Anthologie „Transsexualität“ treibt mich das Thema Geschlechter ziemlich um. Sie fragt in diesem Buch danach, was eine Frau, was ein Mann ist. Und auch nach dem, was sich mit dem Gendersternchen, dem Binnen-I, dem Unterstrich oder dem Doppelpunkt identifiziert. Und wann sie was für angemessen und richtig hält. Im Zuge dieser Lektüre habe ich mir mit einer Freundin auch den Film über sie angesehen und das Dunkel des Kinosaals schwer beeindruckt verlassen. Ich bin ja mit einer Männergeneration aufgewachsen, die in dieser Frau nur eine Belästigung, im besten Fall eine Bedrohung gesehen hat. Manchmal habe ich diese Einschätzung übernommen, doch nur, weil ich einfach andere Prioritäten hatte, als mich mit ihr und ihren Ansichten zu beschäftigen. Heute muss ich sagen: Alice Schwarzer ist nicht nur eine schöne, 80-jährige Frau, sondern auch eine sehr vernünftige Frau, wenn es um Gleichberechtigung geht.

In den 1970er-Jahren hat sie über 300 Frauen dazu gebracht, sich öffentlich zu einer Abtreibung zu bekennen. Damit hat sie der Frauenbewegung neuen Schwung verliehen. 2022 wird in den USA das Recht auf Abtreibung aufgehoben. Ob manche Menschen das, beispielsweise aus religiösen Gründen, begrüßen, lasse ich einfach stehen. Was mich allerdings umtreibt, ist das zurückgenommene Recht auf Selbstbestimmung. Und das auf dem Umweg der Legislative. Vor einigen Jahren war bei uns im Gespräch, das Rauchen im Auto ganz zu verbieten. Inzwischen wird man „nur“ mit 100 Euro bestraft, chauffiert man ein Kind oder einen Jugendlichen unter 18 Jahren. Als wüsste man als Raucherin nicht selbst, dass man den Nachwuchs tunlichst nicht anqualmen sollte. Und was wir natürlich auch gelernt haben: Wenn wir uns schlecht fühlen, müssen wir uns offiziell registrieren lassen, damit auch alle wissen, dass wir uns schlecht fühlen. Und daheim bleiben. Ein Freund schrieb mir gestern: „Und vor drei Jahren hätte man gesagt, nimm Paracetamol und geh ins Büro. Heute gleich Quarantäne.“ Und wenn man freiwillig eine Maske trägt, wird einem unterstellt, dass man möglicherweise krank, aber „verkehrseingeschränkt“ trotzdem unterwegs ist. Und das alles, weil wir vollkommen verlernt haben, die Zeichen unseres Körpers zu achten und uns angemessen zu verhalten. In meiner Welt ist klar: Wenn ich mich nicht gut fühle, bleibe ich zu Hause. Punkt. Da brauche ich keine Verordnungen, maximal einen Arztbesuch. Doch auch hier leckt die Selbstbestimmung. Und ich frage mich, wie es dazu kommen konnte, dass wir dem zugestimmt haben.

Diversity

Irgendwo habe ich im Zuge des US-amerikanischen Urteils gehört, dass junge Menschen für das Abtreibungsverbot auf die Straße gegangen sind. Gleichzeitig nimmt die Zahl derer zu, die ihren Körper noch vor der Pubertät in einen anderen Geschlechterzustand operieren wollen. Das sind übrigens viermal mehr Mädchen als Burschen. Ist Selbstbestimmung inzwischen Ermessenssache? Hier gut, dort schlecht? 73 Geschlechter soll es inzwischen geben, was eine Freundin zu der Aussage veranlasst: „Ich zweifle an meiner Denkwelt trotz meiner Aufgeschlossenheit.“ Abgesehen von der Tatsache, dass ich der Meinung bin, dass uns 73 Geschlechter nur weiter in die Teilung der Gesellschaft hineintreiben – ich vermisse Gespräche mit meinen Kindern. Genau in solchen Situationen, wo ich mir vieles nicht mehr erklären kann, haben sie mir vielfach die neue Welt erklärt und mir damit ermöglicht, meine Perspektive zu wandeln. Wenn ich die nächsten Generationen derartig auf den Kopf gestellt empfinde, befinde ich mich allerdings genauso in einem Zustand der Trennung wie Menschen mit 73 Geschlechtern. Und das tut weder mir noch den jungen Menschen gut, die für mich immer mehr als alles Hoffnungsträger waren und sind. Doch um dabei ein gutes Gefühl zu haben, brauche ich Brücken. Oder Krücken? Langsam verstehe ich ältere Menschen, die das Empfinden entwickeln, den Anschluss zu verlieren. Doch dabei werde ich es nicht belassen. Ich habe jetzt in der WhatsApp-Gruppe mit meinen Kids nach einer Orientierung gefragt. Mein Jüngster schreibt, dass Abtreibung die eigene Entscheidung sein und nicht offiziell geregelt sein sollte. Meine Tochter wird deutlicher: „Eine Abtreibung zu verbieten und damit vor allem Vergewaltigungsopfern, Prostituierten oder Drogenabhängigen, aber auch jungen dummen Menschen etwas aufzudrängen, was diese nicht aufziehen können, ist absolute Qual.“ Und selbst wenn die Stellungnahme des Ältesten noch aussteht, bin ich schon beruhigter. Ganz aus der Welt gefallen scheine ich also noch nicht zu sein. Meine Kinder sind großartige Brückenbauer!

Weitere Beiträge von Claudia Dabringer finden Sie hier.

Bilder © Pixabay

Claudia Dabringer

Claudia Dabringer

Studium der Germanistik und Publizistik in Salzburg mit allem, was zu einer Studentenzeit dazugehört. Mehrjährige Konzentration aufs Radiomachen, bis alles durchexerziert war und das Schreiben wieder im Kopf präsent wurde. Seitdem freie Journalistin und als Fachtrainerin & Schreibpädagogin...
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