Ich gebe es zu: Meine Pippi-Langstrumpf-Welt ist mir heilig. Doch wenn ich Kontakt zur Außenwelt bekomme, macht mich meine Einstellung nachdenklich.
Dieser Moment, wo eine mittelgroße österreichische Landeshauptstadt zum Kulturnabel der Welt wird, hat etwas Magisches. Und am Anfang der 47 Tage Trubel an der Salzach steht traditionell die Eröffnung der Festspiele mit allem Brimborium, das so ein Festival verdient. Wunderbare Musik, aufgeräumte Gäste, elegante Garderoben – und inspirierende Reden. Ihre Inhalte scheinen sich wie Wind durch die Gasse zu verteilen, denn selten treffen sich an einem Ort begabte Redner und Rednerinnen im Dienst der Kultur. Dass sie eine Stadt mit Magie erfüllen können, erlebe ich seit Jahrzehnten, auch wenn in diesen Tagen die Kaffeepreise deutlich in die Höhe steigen.
Doch das mit den kletternden Preisen erleben wir ja schon seit geraumer Zeit. Und selbst wenn wir es nicht merken würden, gäbe es noch die Medien, die von nichts anderem reden – und das nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland. Einer Umfrage in München entnehme ich, dass die Menschen einerseits um 30 Prozent mehr Bioprodukte kaufen, sich im Zweifelsfall aber dann doch für die Eigenmarke des jeweiligen Handelskonzerns entscheiden. Es ist von Sparmaßnahmen die Rede, weil mit dem vermutlich knapper werdenden Gas im Herbst auch der Gürtel enger eingelocht werden muss. Und das alles, weil ein Mann an der Moskwa keinen anderen Kanal für sein Ego finden kann als jenen, Fortschritt rückgängig zu machen. Gut, ich möchte hier nicht politisch werden, die Reden des heutigen Vormittags drehten sich ausreichend um Situationen dieser Art.
Und bei allem Richtigen, was über Krieg, zerstörte Umwelt und mangelndes soziales Miteinander in diesen Stunden gesagt wurde, stand auch die Frage im Raum, ob man denn feiern dürfe, während andere um ihr Überleben kämpfen. Diese Frage stellt sich immer wieder in einer Welt zwischen Schwarz und Weiß. Darf man das Werk eines Schriftstellers lesen, obwohl er bei der SS war? Darf man die Musik eines Künstlers gut finden, dem kein besonders gesundes Verhältnis zu Kindern nachgesagt wird? Darf ich mir einen Film anschauen, der von einem Mann produziert wurde, während er auf irgendeinem Sofa eine Frau sexuell genötigt hat? Natürlich ist ein NEIN einfach, weil man danach seine Ruhe hat. Weil man sich mit unangenehmen Themen wie diesen nicht mehr beschäftigten muss. Doch in meinen Augen ist diese Welt vieles, nur nicht einfach. Und gerade das finde ich spannend.
Weil es zum Nachdenken anregt über die wirklich wichtigen Dinge, über die persönliche Ethik, die eigene Haltung zur Welt. Wie man Menschen begegnet, wie man Situationen immer neu einschätzt, wie wir uns in einer sich verändernden Welt zurecht finden. Dazu braucht es Inspirationen wie jene, die ich heute einsaugen durfte. Und natürlich braucht diese Welt die Kultur, ganz einfach, um aus der Distanz zum Alltag durchatmen zu können und eine vielleicht andere Position zu den Dingen zu finden. Mein Ältester hat irgendwo gelesen, dass sich die Vibration der Welt in einen positiven Bereich hebt – langsam, aber stetig. Und ich stimme mit ihm überein, dass jeder und jede von uns dazu beitragen können. Ob es eine direkte Freundlichkeit ist, die leidenden Menschen zugute kommt oder ob es tatsächlich nur der tägliche Vorsatz ist, Freundlichkeit zu leben, sobald man das Haus verlässt – das Mindeste ist, auf das Schöne dieser Welt zu schauen. Denn das gibt es auch. Und dazu gehört Kultur ebenso wie ein Lächeln, eine tanzende Frau oder ein fürsorglicher Mann. Und wenn ich nach soviel Inspiration das Festspielhaus verlasse und pfeifende Demonstrierende vorfinde, wünsche ich mir, dass sie ebenfalls diese Reden gehört hätten. Nicht dass ich etwas gegen Protestaktionen hätte: Manchmal hoffe ich halt, dass Menschen begreifen, dass durch Abschätzigkeit und negative Vibes keine Meter zu machen sind – a la longue. Das allerdings gilt natürlich für alle Seiten. Doch selbst hier gilt: Aug um Aug, Zahn um Zahn sollte gründlich überdacht werden. Die Welt ist bunt, unsere Handlungsoptionen auch. Immer.
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