Es ist noch April, und so langsam setzen sich der Frühling und die Wärme durch. Ich habe zum Osterfest das erste Mal eine COVID-Erkrankung gehabt. Ich hatte eigentlich gedacht, dass ich kein Corona mehr bekomme.
Aus irgendwelchen Gründen dachte ich wirklich, dass mir dieses Leiden erspart bleibt! Das ich davon nicht betroffen sein werde. Dass der Kelch an mir einfach vorbeigehen wird. Was für einer Illusion ich da aufgesessen bin!
Ich konnte förmlich meine Enttäuschung spüren. Die Täuschung war zu Ende. So ähnlich muss es damals dem Prinzen Gautama, den heute viele von uns heute als den „Buddha“ kennen, gegangen sein. Er lebte abgeschottet in einem Königspalast, man könnte sogar sagen, er lebte in einer Scheinwelt. Er hatte in dieser geschützten Umgebung alles, was man allgemein als wichtig erachtet: Reichtum, junge schöne Frauen, genug zu essen und zu trinken und nirgends irgendeine Form von Leiden oder Problemen.
Doch trotz alledem machte sich beim Prinz Gautama irgendwann ein Zweifel, eine Unruhe, eine Unzufriedenheit breit. Und so beschloss er, mit seinem Diener mit dem Wagen rauszufahren, aus dem Königspalast, und sich außerhalb der Gewohnheiten und der scheinbaren Sicherheit aufzumachen. So sah der Prinzen, dass es draußen in der Welt Alter, Krankheit und Tod gibt.
Er war so geschockt und desillusioniert, dass er beschloss, sein geschütztes und behütetes Leben zu verlassen, alles aufzugeben und sogar seine Frau und sein Kind zurückzulassen. Er wollte herausfinden, was der Sinn des Lebens ist und was es mit diesem Leiden auf sich hat. Er probierte allerhand Wege aus, und viele Wege führten ihn nicht weiter und in die Irre. So beschloss er, nicht mehr im Außen zu suchen, nicht mehr wegzulaufen, nicht mehr sich selber einzulullen oder sich selbst zum Narren zu halten. Er setzte sich einfach unter einen schattigen Baum, in einer guten und entspannten Körperhaltung, und fokussierte sich auf seinen Atem. Er verlegte sein direktes Schauen von außen nach innen. Er sah, dass wir als Menschen leiden, weil wir ständig gegen die Realität ankämpfen.
Wir wollen nicht akzeptieren, dass wir krank werden, altern und dass wir sterben werden. Diese erste Erkenntnis nannte Gautama später, als er der Buddha war (Buddha heißt: der, der aufgewacht ist, der Erwachte), die 1. Edle Wahrheit. Die 1. Edle Wahrheit lautet: „Leben ist Leiden.“ Wenn man die 1. Edle Wahrheit zum ersten Mal hört, könnte es passieren, dass man denkt: ‚Der Buddha ist ein ganz schön negativer Typ.‘ Leben soll Leiden sein? Finde ich nicht! Das Leben hat so tolle Zeiten. Das Leben ist doch großartig. Ja, stimmt. Zu leben ist etwas ganz Wunderbares. Es gibt viele schöne Momente und Zeiten im Leben. Und das sollte man wertschätzen und genießen, wenn es im Augenblick so ist!
Doch als der Buddha unter dem Baum saß und den Blick immer wieder nach innen wandte, sah er, dass wir darunter leiden, dass wir die schönen Augenblicke einfrieren und für immer festhalten wollen. Wir wollen nicht akzeptieren, dass sich die Dinge ständig ändern. Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz! Niemand kann einem garantieren, dass der nächste Moment auch wieder so schön wird, wie wir es uns vorstellen und wünschen. Unsere größte Angst, unser größtes Leiden, ist die Angst vor dem Tod. Dieser absoluten Realität, der sich niemand entziehen kann. Das Leben ist ein ständiger Wandel, und das kann dazu führen, dass wir leiden, unzufrieden sind und alle möglichen Formen von Emotionen entstehen: Wut, Hass, Neid, Eifersucht, Gier oder auch sehr starke Ignoranz. Leiden ist eine Realität, der sich niemand entziehen kann!
Oder etwa doch? Hier erst mal ein paar Fragen, um über die 1. Edle Wahrheit des Buddhas zu kontemplieren (Kontemplieren = tiefes Ergründen, Verstehen):
- Welche Form von Leiden oder Unzufriedenheit kenne ich in meinem alltäglichen Leben?
- Wo sperre ich mich gegen den Fluss des Lebens?
- Wie gehe ich mit dem Thema Vergänglichkeit um?
Ich wünsche euch viel Freude und Inspiration beim Erforschen dieses Themas. Bis zum nächsten Mal!
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