Wir haben Juni und jetzt ist sie da, die heiße Zeit. Lange war Deutschland unter einer Kälteglocke. Mal ist es zu kalt, dann wieder zu warm. Das erinnert mich daran, dass es keinen perfekten Zustand gibt.
So sehr man es sich auch wünscht. Es soll so bleiben, wie es immer war. Alles soll immer für uns angenehm verlaufen: Dinge, Menschen und Lebenssituationen. Doch das Leben ist im ständigen Wandel. Wenn man trotzdem versucht, an den Dingen festzuhalten, werden wir leiden. Das ist das, was der Buddha mit der ersten edlen Wahrheit ausgedrückt hat: „Leben ist Leiden.“ Das Wort für Leiden lautet im Buddhismus „Dukkha“.
Man kann es auch als Unzufriedenheit bezeichnen. In der zweiten edlen Wahrheit oder Erfahrung, von der der Buddha als Nächstes sprach, geht es um die Entstehung oder den Ursprung des Leidens. Die zweite edle Wahrheit lautet: Die Ursache des Leidens entsteht aus den drei Geistesgiften Gier, Hass und Verblendung (Unwissenheit). Im tibetischen Buddhismus sind sie in der Abbildung vom tibetischen Lebensrad ganz in der Mitte des Bilds zu sehen: Der Hahn steht für Gier, die Schlange steht für Hass und das Schwein steht für Verblendung (Unwissenheit). Alle drei Tiere bilden zusammen einen Kreis und symbolisieren so, dass wir durch diese drei Geistesgifte den Kreislauf des Leidens aufrechterhalten. Wie ein Motor, der ständig alles am Laufen hält. Dieser unendliche Leidenskreis wird im Buddhismus „Samsara“ genannt. Aus diesen sogenannten Geistesgiften entstehen alle leidvollen, impulsiven Emotionen wie zum Beispiel Wut, Zorn, Groll, Eifersucht, Neid, Begierde, Gleichgültigkeit, Trägheit, Prokrastination etc. Diese leidvollen Emotionen und tiefen Gewohnheitsmuster nannte der Buddha auch „Kleshas“.
Ein Bild für das erste Geistesgift Gier ist, dass wir versuchen, unseren Durst mit Salzwasser zu stillen. Wir trinken dieses salzige Wasser und, anstatt den Durst damit zu stillen, wird der Durst immer größer. Dieser Durst, diese Gier, dieses endlose Verlangen wird in unserer Gesellschaft sogar ganz bewusst erzeugt. Durch zum Beispiel die Werbeindustrie oder auch im Internet durch sogenannte Influencer, wo Schauspieler oder gekaufte Alltagsmenschen in uns Emotionen erzeugen, die uns zum ständigen Kauf von Produkten beeinflussen sollen. Nur wenn ich das neueste Konsumgut erwerbe, dann bin ich glücklich und zufrieden. Doch nach einigen Wochen verblasst der Effekt des Neuen, die Gewöhnung setzt ein und das Glück ist weg. Also schnell wieder was Neues kaufen. Aber das ist nicht nur die Begierde nach Dingen. Wir kleben auch an Meinungen, Sichtweisen, Vorstellungen und Begriffen. Doch umso mehr wir an etwas festhalten, desto mehr Ärger, Wut und Streit entsteht. Im größeren gesellschaftlichen Kontext kann das bis zu einem Krieg führen. Aktuell können wir das im Krieg in der Ukraine sehen.
Ich will das so nicht, ich will es anders. Das ist alles verbunden mit dem zweiten Geistesgift Hass. Solange wir nicht erkennen oder es nicht erkennen wollen, dass wir ständig zwischen Gier und Hass hin- und herspringen, setzen wir den Leidenskreislauf endlos fort. Das hat mit dem dritten Geistesgift Ignoranz (Unwissenheit) zu tun. Wenn wir immer wieder die gleichen Dinge tun, die Leiden erzeugen, wie soll sich da etwas verändern? Zu sehen ist diese Ignoranz gerade in der ganzen Welt im Hinblick auf das Thema Klimawandel. Beim Klimawandel weiß man ganz genau, wodurch er verursacht wird. Da sich aber so starke Gewohnheitsmuster in der Welt gebildet und etabliert haben, die den Klimawandel beschleunigen, schafft es die menschliche Gesellschaft zurzeit noch nicht, aus diesem Leidenskreislauf auszusteigen. Die zu starke Fixierung auf sich selbst wird im Buddhismus auch als „Ego“ bezeichnet. Hier erst einmal ein paar Fragen, um über die zweite edle Wahrheit des Buddhas zu kontemplieren (kontemplieren = sich intensiv Gedanken machen):
1.) Kenne ich es, dass ich manchmal nicht genug von etwas bekomme, obwohl es mir nicht guttut?
2.) Wenn die Dinge nicht so verlaufen, wie ich es mir wünsche, werde ich dann schnell wütend und ärgerlich?
3.) Wo blende ich Dinge einfach aus oder ignoriere Menschen und Situationen, nur um mich nicht davon berühren zu lassen?
Ich wünsche euch viel Freude und Inspiration beim Erforschen dieses Themas. Bis zum nächsten Mal!
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