Der Unternehmensberater und Coach Christian Mayhofer, über das Burn-out-Syndrom in Firmen, seine Beobachtungen, seine Thesen und seine Herangehensweise. Ist dieses Leiden selbst kreiert und ist Wahrheit heilsam und zumutbar?
Wie erklären Sie sich das Phänomen Burn-out?
Für mich ist auffällig, dass Burn-out überwiegend in Berufen ohne körperliche Bewegung auftaucht, in Büros, bei Beamten, bei Lehrern und eher bei Angestellten als bei Selbstständigen. Meine These: Das passiert, wenn Menschen ein falsches Leben leben, wenn sie glauben, gezwungen zu sein, in der Lüge zu leben. Das ist einerseits die Lüge sich selbst gegenüber, wenn das, was ich tue und wie ich lebe, nicht mit mir übereinstimmt. Und die Lüge des Anspruchs auf erworbene Legitimationen: „Das steht mir zu, in 20 Jahren die tolle Pension, meine Unkündbarkeit, mein Beamten-Status.“ Der Preis für diese Sicherheit ist die Lebendigkeit. Die Ableitung daraus ist, krank zu werden.
Das heißt, es ist eine selbst gewählte Erkrankung?
Das Leben passiert uns nicht, sondern wir kreieren es, auch das Leiden darin, indem wir dem Wohlerworbenen unser Leben opfern. Viele Mitarbeiter verbringen Jahrzehnte ihres Lebens in Firmen durch reine Anwesenheit, ohne etwas zu arbeiten. Daraus erwächst der Zynismus, der Menschen befällt, wenn sie ihre Energie nicht nutzen, um ihr eigenes Leben zu entfalten. Dann ist das Nichtstun selbst stressig. Nach Buddha sind die Ursachen von Leid Gier, Anhaftung, Verblendung und Hass. All das zeigt sich im Burn-out. Die Gier – „Da krieg ich was!“, die Anhaftung – an Derivate, an alte Sichtweisen oder an „Das steht mir zu!“, die Verblendung – die Sicht, ein falsches Schauen ins richtige Leben, und der Hass – als Energie, die aus der Selbstlüge erwächst und zu Bösartigkeit und Zynismus wird.
Wie zeigt sich das in Ihrer Arbeit mit Unternehmen?
Ich erlebe, wie Menschen in Firmen kollektiv in Trance eintauchen und die Dinge anders benennen, als sie es wahrnehmen. Darunter liegt die diffuse Angst um die eigene Sicherheit, die in Konzernen regiert. Da beobachte ich faszinierende Absurditäten. Eine Organisation, die sich aus Angst steuert. Alle spüren, dass hier die Ursache der Probleme ist, auch die Firmenleitung. Sie wollen es aber aus politischen Gründen nicht lösen. So etwas bleibt dann stabil über 20 Jahre und führt zu einer kollektiven Wahrnehmungsverschiebung und zum kollektiven Burn-out. Das ist, als würden wir Kindern, die sich wehgetan haben, sagen: „Das tut nicht weh!“ Damit berauben wir sie des Vertrauens in ihre eigene Wahrnehmung. Es ist die Geschichte vom nackten Kaiser und niemand wagt es zu sagen.
Aber Burn-out spielt sich ja nicht nur in großen Konzernen ab. Wie ist denn die Situation außerhalb?
Auf gesellschaftlicher Ebene beobachte ich die Unfähigkeit der Menschen, Komplexität zu reduzieren, die Ohnmacht der Einzelnen gegenüber der Geschwindigkeit und dem Wandel. Auch hier liegt die Ursache in einem mangelnden Vertrauen in die eigene Wahrnehmungsfähigkeit. Aus buddhistischer Sicht geht es darum, der eigenen Wahrnehmung zu vertrauen und sich zu lösen vom Anhaften und von der Idee „Das ist mein Recht!“
Was ist Ihrer Meinung nach der Weg aus dem Burn-out?
Es geht darum, auszusprechen, zu benennen, der eigenen Wahrnehmung zu vertrauen. Das bedeutet, die Trance zu verlassen und Risiken zu wagen. Der Preis dafür ist, dass du die Geschichte über dich selbst aufgeben musst. Du gibst die Bequemlichkeit auf und gewinnst Lebendigkeit. Burn-out ist ja umgekehrt die Abwesenheit von Lebendigkeit.
Wie arbeiten Sie konkret mit Firmen?
Wenn ich zu einem Kunden geholt werde, benenne ich die Dinge. Ich gehe sofort, wenn es nicht gehört werden will. Den Menschen ist die Wahrheit zuzumuten, das sage ich auch gleich beim Einstieg. Ich ermutige die Menschen, in Organisationen auf die Ergebnisse zu schauen, wie sich ihr Leben zeigt und die Beschwerde darüber zu beenden.
Wie reagieren Ihre Kunden darauf?
Meistens ist die Reaktion darauf Erstaunen und Dankbarkeit. Meine Art ist ungewöhnlich, aber ich merke, dass die Menschen Wahrhaftigkeit schätzen und aushalten.