Ärger ist einer der häufigsten Emotionszustände. Wie wir mit ihm umgehen und von ihm loslassen können. Ob ich noch pünktlich bin? Nur noch durch die Schranke (die ist aber langsam heute!), die lange Betoneinfahrt der Tiefgarage runter und dann noch mal scharf links auf meinen Stammparkplatz.
Mit quietschenden Vorderreifen hinein – Mist, was war das für ein knackendes, kratzendes Geräusch? O nein! Im linken Außenspiegel erscheint die weiße Betonsäule ohne Lücke neben meinem hinteren Kotflügel. Ich steige aus und sehe: eine dicke Beule plus weiße Farbschrammen auf meinem bis jetzt völlig makellosen, beulenfreien Auto. Was für ein Mist! Was soll das?
Liebe Leser, das ist mir vor geraumer Zeit passiert. Als vermeintlich guter Buddhist beschloss ich, dieses kleine Ereignis nicht so wichtig zu nehmen und schnell loszulassen. Allerdings habe ich an diesem Tag eine Menge Mitmenschen und Situationen nicht mehr unbelastet, sondern verdunkelt von meinem Ärger erlebt, was zu weiteren schwierigen Eindrücken führte, die wiederum nicht einfach loszulassen waren. Ich befand mich nämlich in einer schwierigen Phase, auch die Beule war schon das Ergebnis meiner Ungeduld, also Aggression, die ich bereits mitbrachte. Mir fiel Gendün Rinpoche ein, der uns darauf aufmerksam macht, dass es unmöglich ist, irgendetwas zu erleben, das nichts mit uns selbst zu tun hat. Wir befinden uns immer im eigenen Bewusstseinsraum, dessen Schöpfer wir sind. In einer mehrere Wochen dauernden Auseinandersetzung mit meiner Lage – unter anderem auch in der Meditation – tauchten Gefühle auf, die eine lange Spur altbekannten Zorns schon seit meiner frühesten Kindheit mit sich zogen.
Sobald wir Ärger in uns registrieren, schauen wir möglichst unserem Geist einfach zu, ohne in wildes Agieren zu verfallen.
Ärger ist eine Form des buddhistisch als Geistesgift betrachteten Zorns, die noch klebrige Vorstufe zu heißer Wut, und diese wiederum zu kaltem Hass, alle sind zerstörende Aggressionen. Auch sogenannter ‚kleiner Ärger' ist nicht harmlos, sondern der Keim für alles andere. In einem Wutanfall können Errungenschaften des Lebens und Freundschaften, die über Jahre wuchsen, in einem Moment zerstört werden. Und andersherum kann tiefer, unerkannter Zorn zur Vergiftung des ganzen Lebens führen. Wie viele Väter und Mütter tragen täglich ihren ‚Ärger im Betrieb' in die Familien und prägen damit die Arbeitseinstellung ihrer Kinder. Schon früh wird suggeriert, dass Papa oder Mama nicht froh, sondern explosiv sind, wenn sie von der Arbeit kommen. Wenn wir uns durch andere ungerecht behandelt, in unserem ‚Territorium' verletzt oder in unseren Erwartungen enttäuscht fühlen, mobilisieren wir schnell Ärger, auf den ersten Blick oft auch mit gutem Grund, da ja ein anderer etwas offensichtlich Falsches gegen uns unternommen hat. Ärger kann ein Indikator für die dringend nötige Veränderung einer Situation oder für Kommunikationsbedarf sein. Unter Ärger kann sich auch Trauer und Verletzung verbergen. Jeder möchte zum Beispiel gerne geschätzt werden und dazugehören. Ärger ist dann der Aufschrei eines verletzten Kindes, das schon wieder nicht gesehen wird. Ganz egal, wie berechtigt uns Ärger auch erscheint, er ist immer eine Vergiftung des gesamten Geistes und trübt unseren Blick, er ist gewissermaßen ‚klebriger' Zorn. Vor allem, wenn wir recht behalten wollen, ist höchste Vorsicht geboten. Das ist ja geradezu das Heimtückische am Ärger, dass ‚Fehler' der anderen als ‚berechtigte' Auslöser gesehen werden. Hier gilt es, besser überhaupt nichts zu tun, nicht nur die Füße still zu halten, zeitlichen wie räumlichen Abstand zu erzeugen und – mit oder ohne buddhistische Mittel – abzuwarten, bis sich der Rauch verzogen hat, und – falls nötig – erst dann zu handeln. Wir müssen die karmischen Handlungs- und Impulsketten unterbrechen, die sonst zu immer neuen Wiederholungen alter Dramen führen. Bewusste Achtsamkeit ist sehr wichtig. Sobald wir Ärger in uns registrieren, schauen wir möglichst unserem Geist einfach zu, ohne in wildes Agieren zu verfallen. Dann verwandelt er sich manchmal, zumindest aber unser Verhältnis dazu.
Wie alle Emotionen ist auch Ärger substanziell leer, vergänglich und flüchtig, wenn wir ihn nicht weiter füttern.
Wie alle Emotionen ist auch Ärger substanziell leer, vergänglich und flüchtig, wenn wir ihn nicht weiter füttern.
Hilfreich ist auch, wenn wir über einen Mitmenschen ärgerlich sind, sich seine Qualitäten vor Augen zu führen oder dass auch er oder sie glücklich sein will und sich schützt.
Mit etwas Abstand verstehen wir, was wirklich los ist, unsere ersten Impulse erscheinen uns plötzlich peinlich und eng, und wir sind froh, nichts aus Dummheit zerstört zu haben. Mit buddhistischen Mitteln durchdrungener Ärger kann sich oft in tiefere Einsicht in die Natur der auslösenden Situation verwandeln. Das wäre eine Umwandlung von Zorn in Spiegelgleiche Weisheit: Egal, was wir in diesem Spiegel sehen, wir sind bereit, ohne Egoverteidigung hinzuschauen und es zu akzeptieren, auch wenn es wenig schmeichelhaft für uns selbst ist. Loslassen von starkem Ärger und anderen Emotionen ist oft erst möglich, wenn wir nicht mehr so tun wollen, als seien wir jemand anders, sondern uns voll und uneingeschränkt zu allem Schrecklichen in uns bekennen. Es ist wie im Märchen von Rumpelstilzchen, das in dem Moment seine Macht verliert, sobald jemand es erkennt und seinen Namen ausspricht. Milarepa, einer der größten buddhistischen Verwirklicher Tibets, sieht darin den Kern der Lehre. In den ,Hunderttausend Vajra-Liedern' erklärt er: „If one feels he has nothing to be ashamed of, that will be sufficient!" Vor allem, wenn uns die Erfahrung des unbedingten Angenommen-Seins nicht vertraut ist, ist ein wohlwollendes Du unabdingbar. In der Therapie ist sie das Wesentliche. Im Guru-Yoga sowie in der Diamantgeist-Praxis des Diamantweg-Buddhismus können wir eine solche Erfahrung dank des Segens unseres Lehrers und mit Hilfe des überpersönlichen Mitgefühls der Buddhas auf eine tiefgreifende Weise machen. Andere Mittel der Übung gegen unseren täglichen Ärger oder Zorn sind das Rezitieren des Mantras des Buddha-Aspekts ‚Liebevolle Augen' (Chenrezig) Om Mani Peme Hung mit der entsprechenden Vergegenwärtigung seiner Qualitäten Liebe, Mitgefühl, Mitfreude und Geduld.
Bei starker Erregung sehr wirksam ist die Atemberuhigung mittels Wechselatmung aus dem Yoga (nadhi sodhanam) oder auch die aus dem buddhistischen Chöd abgeleitete Methode des ,Dämonenfütterns' von Tsültrim Allione, in der wir unsere Emotion im Körper lokalisieren, ihre Qualitäten intensiv erleben, sie in Gestalt eines lebendigen Wesens externalisieren und mitfühlend mit dem versorgen, was nötig ist, um sich zu verwandeln. Es geht darum, einer abgespaltenen Emotion eine fassbare Gestalt zu geben und sie mitfühlend und gewandelt wieder als kraftvollen Anteil, als neue Ressource zu reintegrieren. Eine unmittelbar wirkende Methode.
Ärger ist eine Form des buddhistisch als Geistesgift betrachteten Zorns, die noch klebrige Vorstufe zu heißer Wut, und diese wiederum zu kaltem Hass, alle sind zerstörende Aggressionen.
Jedem Zorn zugrunde liegt ein fundamentales Minderwertigkeitsgefühl, wie Alfred Adler, der Begründer der Individualpsychologie gezeigt hat, welches uns eine Lage als nicht zu bewältigen und als höchste Gefahr für unser Selbstwertgefühl erscheinen lässt. Wilhelm Reich wiederum hat gezeigt, dass die dann mobilisierte Aggression ursprünglich dem nackten existenziellen Selbstschutz des Säuglings und Kleinkindes diente, der Abwehr der eigenen Vernichtung. Sie kann sich später hinter Angst oder Überlegenheitsstreben verbergen. Zorn beziehungsweise Ärger ist kraftvolle Lebensenergie mit falschem Ziel und falscher Richtung.
Verdrängter oder unerledigter Zorn erscheint als heimatlose, weil nicht integrierte Energie oft als Körpersymptom: Darmentzündungen, Herzrhythmusstörungen, Asthma, Migräne, Sodbrennen, Rückenschmerzen oder allgemeine Körperspannung.
Zorn entsteht an der frühen Wurzel unserer Existenz, wenn wir uns als kleiner, hilfloser Körper in unserem Überleben oder in unserem ganzen Wert bedroht fühlen, etwa durch Misshandlung oder Ablehnung durch die Eltern. Er lässt sich auf dieser fundamentalen Ebene in einem menschlichen Leben praktisch nicht verhindern. Schwierig wird es, wenn der Zorn später generalisiert wird, so dass die Welt und die anderen als Feinde erlebt werden. Solche Menschen entwickeln als Erwachsene dann manchmal eine radikale Gesellschaftsablehnung, fühlen sich den meisten Menschen überlegen und meiden darum allzu engen Kontakt, der diese Überlegenheit in Gefahr bringen könnte. Das Überlegenheitsstreben, der ausschließende Stolz ist ein sekundärer Ableger des Zorns und ein Mittel, die eigene Schwäche nicht zu spüren. Kinder können in einer Art selbstimmunisierendem Dauertrotz bis zur Raserei und Selbstvernichtung kämpfen, wenn sie keinen anderen Weg sehen. Jeder Amoklauf ist die Raserei eines in seinem Wert tief gekränkten und rachedurstigen Kleinkindes. Hass in allen Formen ist genau betrachtet die Projektion des eigenen in früher Kindheit verinnerlichten Selbsthasses auf Menschen, die Qualitäten vorleben, die in einem selbst nicht leben durften. Darum will der Hassende diese Qualitäten bei anderen vernichten, weil er sie in sich selbst nicht ertragen oder gar schätzen kann. Das ist die Wurzel für jeden Fundamentalismus.
Auch die Depression ist ein auf sich selbst zurückgebogener Hass, der ursprünglich ein anderes Objekt hatte – meist die Eltern. Hier blockiert das schockierte, abhängige Kind zugleich mit seiner gesunden Selbstverteidigung gegen die Gewalt der Eltern auch seine ganze restliche Lebenskraft: eine tiefe Selbstbehinderung aus Not.
Wir kennen das Phänomen des ,Mobbing', wo eine Person wiederholt mit unangenehmen Begegnungen konfrontiert wird, die sie ärgerlich und ängstlich werden lassen. Obwohl die Betroffenen Mitgefühl brauchen, weil sie in einer fast unerträglichen Lage gefangen sind, ist aus buddhistischer Sicht ein einseitiges Täter-Opfer-Schema falsch. Der Betroffene begegnet auch hier den Folgen vergangenen Handelns und Denkens, das entweder längst vergessen oder vor sich selbst verborgen wurde. Wer eine tiefe Kränkung inklusive Hilflosigkeits- und Rachegefühlen bereits mitbringt und fürchtet, als Außenseiter behandelt zu werden, der erfährt durch die anderen genau die Behandlung, die er sich selbst unbewusst zufügt, und damit eine Wiederholung vergangener Situationen. Das innere Bild von sich selbst wird von den anderen spontan wahrgenommen und gespiegelt. Menschen, die ein Minderwertigkeitsgefühl oder ein vor diesem schützendes geheimes Überlegenheitsgefühl in sich tragen, können von einer Gruppe im wahrsten Sinne des Wortes gnadenlos zurückgespiegelt und abgelehnt werden. Als Buddhist sollten wir uns in solchen Situationen klarmachen, dass alles Erleben unser eigener Geist ist. Wir tragen unsere emotionalen Altlasten und Erfahrungsschemata, unseren Lebensstil (Adler) an jede Situation heran, und was wir aus dieser machen, ist allein unsere Sache. Das heißt, dass wir nicht wehrlos zusehen, sondern mutig unseren Platz einnehmen. Jemand, der sich stark fühlt und einer Lage gewachsen, wird nicht ärgerlich und kann seinen Tag auch trotz ‚Ärger im Betrieb' genießen. Wer nicht mehr um seinen Wert kämpfen muss, weil er sich mitten hinein statt über oder unter die anderen stellt, wird entspannt und natürlich. Je mehr wir innere Unabhängigkeit erlangt haben, desto mehr sind wir ‚bei uns selbst' und paradoxerweise auch bei den anderen. Wir leben dann im überpersönlichen Raum des Gemeinschaftsgefühls. Wir können die anderen einfach akzeptieren, wie sie sind, ohne ihr Verhalten persönlich nehmen zu müssen. Und wir werden selbst akzeptiert. Es wird deutlich, dass Zorn immer ein trennender und distanzierender Affekt ist. Er ist umso gefährlicher, je mehr wir seine Wurzeln in uns selbst vergessen haben und seine Ursache in die vermeintliche Außenwelt und die Mitmenschen projizieren. Es gilt aber, bedingungslos ehrlich die karmischen Ketten in uns selbst zurückzuverfolgen, zum Beispiel bis zum brüllenden, wütenden Kind, das die ganze Welt hasst und sich geschworen hat: „Wenn ich groß bin, werde ich es euch heimzahlen!" Solche kindlichen Wünsche und Versprechungen machen wir tatsächlich, vergessen sie aber und wundern uns Jahre später, dass wir nicht glücklich sind, weil sie uns noch binden, obwohl es das ‚alte Kind' längst nicht mehr gibt. Selbst die ‚Vergangenheit' und ihre Reaktualisierung ist noch unser Produkt – im Dienste der Selbstsicherung.
Zorn beziehungsweise Ärger ist kraftvolle Lebensenergie mit falschem Ziel und falscher Richtung.
Buddhistisch würden wir vom Kampf des Ego um seine Vorherrschaft sprechen. Das Ego überwinden heißt, konsequent zu Ende gedacht, den existenziellen ‚heiligen' Selbstverteidigungszorn im tiefsten möglichen Sinn loszulassen. Nicht an Leben, Stellung oder Besitz zu kleben und sie wütend zu verteidigen, sondern sich dem Lebensstrom vertrauend zu überlassen, in der Gewissheit, der unzerstörbare Raum des Erlebens zu sein und nicht das Erlebte. Hier hilft echtes Mitgefühl mit sich selbst, die buddhistische Form der Selbstbeziehung, die auch auf alle anderen Beziehungen zurückstrahlt. Da wächst jeder über sich hinaus und der Blick wird überpersönlicher. Die Selbstbeziehung wird schon beim Verb ‚sich ärgern' deutlich, es ist ein reflexives Verb, das heißt, der Handelnde ist Subjekt und Objekt zugleich, was ja für Buddhisten besonders wichtig ist. Man tut etwas mit sich selbst, und nur wir selbst können damit aufhören. Und so wie wir uns selbst behandeln, so behandeln wir immer auch die anderen, denn sie sind nur ‚alter egos' in der Außenwelt. Wir können gar nichts anderes in ihnen sehen als das, was in uns ist.
Als Kind habe ich mich immer gefragt, warum das Spiel ‚Mensch ärgere Dich nicht!' heißt, und wie das eigentlich geht, dieses ‚sich selbst ärgern'. In meiner Welt haben nur andere mich geärgert. Mir war nicht bewusst, dass es eine Selbstbeziehung gibt. Ich kannte mich lange nur als passiv Erleidender und suchte den Schuldigen für mein Unglück bei den anderen – es gab dafür eine ganze Menge guter Gründe, doch ist das eben nur die halbe Wahrheit.
Wer eine tiefe Kränkung inklusive Hilflosigkeits- und Rachegefühlen bereits mitbringt und fürchtet, als Außenseiter behandelt zu werden, der erfährt durch die anderen genau die Behandlung, die er sich selbst unbewusst zufügt, und damit eine Wiederholung vergangener Situationen.
Oft benutzen wir die Taten der anderen, das Wetter oder andere ‚Ursachen' als Ausrede, um nicht selbst die Verantwortung für unsere Gefühle und Taten übernehmen zu müssen. Einer meiner Klienten führt seinen Jähzorn gegen seine Frau auf eine organische Krankheit zurück, an der er seit Jahren leidet – mit anderen ist er aber interessanterweise nicht jähzornig. Damit sagt er: „Ich kann nichts dafür!" Das stimmt aber niemals, denn es sind immer alte, selbst gesäte Eindrücke im Bewusstsein, die hier zur Reife kommen. Das gilt für alle Emotionen. Wenn man eine einzige davon ausnehmen würde, gäbe es nur roboterhaftes Agieren, aber keine Verantwortung und keine Freiheit.
Ähnlich reflexiv ist der Ausdruck ‚es sich gut gehen lassen' – wir allein sind es, die den grundlegenden Zustand der Offenheit, Furchtlosigkeit und des wachen Mitgefühls durch verschleiernde Gedanken und Emotionen stören. Wir müssten uns eigentlich nur in Ruhe lassen. Alfred Adler antwortete Patienten, die ihn fragten, wie sie mit ihren Ersatzhandlungen aufhören sollten: „Ich kann Ihnen zwar sagen, wie man ein Pferd besteigt, doch ich kann Ihnen nicht sagen, wie man ein Pferd nicht besteigt."
Und das ist auch Buddhismus: zu lernen, nicht mehr auf unseren geliebten Störungen zu reiten, mit denen wir uns so tief identifizieren. Aufhören statt agieren. Denn der natürliche Zustand des Geistes ist anfangslos da.
Eine nachhaltige und wirkliche Veränderung der eigenen Erlebens- und Reaktionsmuster ist ein mühsames Geschäft, und oft ärgern wir uns, dass wir uns schon wieder ärgern, obwohl wir doch so viel an uns gearbeitet haben. Hier ist es wichtig, sich selbst gegenüber nicht streng zu sein, sondern geduldig und mitfühlend, sich selbst ermutigend, den Weg unermüdlich weiterzugehen.
Nicht an Leben, Stellung oder Besitz zu kleben und sie wütend zu verteidigen, sondern sich dem Lebensstrom vertrauend zu überlassen.
Eine wunderbare Metapher für kontinuierliche, geduldige und erfolgreiche Arbeit an sich selbst verdanke ich einem Schreibwarenhändler: Er demonstrierte mir, wie er hartnäckig klebende Etiketten völlig rückstandsfrei von einem Plastikstift entfernte. Dazu hob er das Etikett ein winziges Stück an, hauchte seinen Atem unter das so geschaffene kleine freie Feld, damit der Klebstoff nicht wieder greifen konnte, und wiederholte den Vorgang in winzigen Schritten. Das Ergebnis war, dass das Etikett erstaunlich schnell vollständig vom Stift entfernt war. Mit Knibbeln und Reißen hätte man nicht die halbe Wirkung erzielt. Und genauso sieht eine gute Arbeit an sich selbst aus: Winzige Schritte gehen, nicht umkehren und jedes Stück ‚gewonnenes Land' nicht wieder zerstören. Abschließen möchte ich mit einem Zitat von Gendün Rinpoche, der uns daran erinnert, dass unangenehme oder schwierige Erfahrungen mit Mitmenschen notwendiger Rohstoff für Wachstum sind: „Drei der sechs zur Befreiung führenden Tugenden – Freigiebigkeit, ethisches Verhalten und Geduld – können nur in der Gemeinschaft mit anderen lebenden Wesen entwickelt werden, die freundlich genug sind zu erlauben, dass wir uns mit ihrer Hilfe üben."
- leider machen wir das viel zu oft...