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Leben

Das Öl mit all seinen wertvollen Eigenschaften spielt im Ayurveda eine wichtige Rolle. Der international anerkannte und führende Pionier der Ayurveda-Medizin in Europa, Hans H. Rhyner, über die Herstellung, Anwendung und Wirkung des ‚flüssigen Goldes'.

In der traditionellen Ayurveda-Medizin, egal, ob in Westbengalen, Kaschmir, Tamil Nadu oder Kerala, wird mit den jeweils regional verfügbaren Heilsubstanzen gearbeitet. Das Arbeitsmodell bleibt gleich, während die Praxis unglaublich stark variiert. Der berühmte Ayurveda-Arzt Caraka sagte vor rund 3500 Jahren dazu:

„Die vier Eigenschaften, die ein Heilmittel besitzen muss, sind Abundanz (reichliches Vorkommen), Eignung (in Bezug zur Indikation), viele Darreichungsformen und Wirksamkeit."
(Caraka, Sutrasthana, Kapitel 9, Vers 7)

Das ausreichende Vorkommen und die beste Wirksamkeit können ausschließlich von heimischem Ausgangsmaterial erfüllt werden. In Hülle und Fülle sind nur Pflanzen erhältlich, die aus der unmittelbaren Region stammen. Lange Transportwege und komplizierte Lagerungen mindern deren Wirksamkeit. Caraka weist wiederholt darauf hin, dass vor Beginn einer Therapie sichergestellt werden muss, dass die entsprechenden Heilkräuter in ausreichender Menge vorhanden sind. Das funktioniert nur, wenn das Medikamentenlager voll ist. Ein Dilemma für uns Mitteleuropäer, sind wir doch Tausende von Kilometern vom Ayurveda-Mutterland entfernt. In den letzten 20 Jahren, seit denen in Europa Ayurveda-Ärzte tätig sind, mussten regelmäßig in großen Mengen ayurvedische Heilkräuter importiert und nach Haltbarkeitsende entsorgt werden. Natürlich waren die Ärzte nicht in der Lage, zwei bis drei Jahre im Vorhinein genau zu wissen, welche Menge sie von einer bestimmten Heilpflanze verschreiben oder anwenden werden.500mal250 UW72 Rhyner pixabay

Öle, die bei ambulanten wie stationären Ayurveda-Kuren und -Massagen zur Gesundheitsvorsorge in beachtlichen Mengen benötigt werden, bilden den größten Teil der Lagerhaltung. Schon darum ist es sinnvoll, einheimische Produkte zu verwenden und einzusetzen, die auch in kleineren Mengen zu erwerben sind.

Ein natürliches Gesundheitssystem wie Ayurveda kann in Europa langfristig nur Erfolg haben, wenn regionale Öle, Früchte, Kräuter und Gewürze von bester und frischester Bio-Qualität vor Ort zu Nahrungs- und Pflegemitteln verarbeitet werden. Der Weg vom Feld oder Baum zum Konsumenten muss möglichst kurz gehalten werden.

Heimische pflanzliche und tierische Produkte, die den örtlichen Wechsel der Jahreszeiten und Mondzyklen erleben, werden von unserem Organismus besser aufgenommen und vertragen.

Ayurvedische Öle werden in der Pharmazie als Thaila bezeichnet und sind Fettpräparate, bei denen Öle zusammen mit bestimmten wässrigen Auszügen (Kashaya), Pasten (Kalka), Frischpresssäften (Swarasa) oder anderen Zutaten gekocht werden. Dieser langwierige Prozess stellt das Resorbieren der Wirkstoffe über die Haut sicher. Das Wort Thaila kommt von Tila, was Sesamsaat bedeutet, denn größtenteils wird in der Herstellung von Thaila Sesamöl verwendet. Aber auch Rezepte mit Mischungen von Rizinus-, Kokos-, Distel-, Hanf- oder Sonnenblumenöl und Butterfett (Ghee) sind möglich.

Grundsätzlich regulieren alle Thaila überschüssiges Vata, erhöhen aber Pitta sowie Kapha. Wenn Thaila mit Pitta oder Kapha besänftigenden Kräuterauszügen gekocht werden, dann können sie auch zur Behandlung von Kapha-Vata- oder Pitta-Vata-Störungen eingesetzt werden. Idealerweise sollten Thaila in Glasflaschen in dunklen, kühlen Räumen gelagert werden. Die Wirksamkeit bleibt für mindestens zwei Jahre erhalten. Im Gegensatz zu exotischen Ölen haben regionale Pflanzen aufgrund der Kontakthäufigkeit offensichtlich weniger allergenes Potenzial.

1988 begann ich die Suche nach europäischen Alternativen zu indischen Heilpflanzen und konnte feststellen, dass ein beachtlicher Teil der europäischen Pflanzen irgendwo in den verschiedenen Klimazonen Indiens eine Schwester oder einen Bruder hatte oder gar selbst gedieh. Andere wichtige Heilpflanzen konnten anhand des umfangreichen Wissensschatzes, insbesondere der in Europa bis ins 18. Jahrhundert praktizierten Humoralthese, bestimmt werden. Ihr Ursprung liegt in der griechisch-arabischen Medizin mit einem erwiesenen Bezug zu Ayurveda. Auch modernste Erkenntnisse der Phytomedizin werden verwendet und nach dem ayurvedischen pharmazeutischen Modell aufgeschlüsselt. So konnten Formeln auf die Bedürfnisse der europäischen Kunden abgestimmt werden.

Das Herstellen eines Thaila dauert in der Regel sechs bis sieben Tage, dabei muss der Prozess 24 Stunden am Tag genau überwacht werden. Die Fertigung ist erst abgeschlossen, wenn wirklich alles überprüft wurde, denn selbst wenn in 20 Töpfen das gleiche Öl gekocht wird, so reift das Öl völlig unterschiedlich in jedem Gefäß. In unserem österreichischen Ayurveda-Betrieb arbeiten wir zu 100 Prozent mit biologischen Substanzen. Die Qualität zu halten ist die wahre Kunst in der Herstellung.

Fragen rund ums Öl

Wie wird das Öl für Ayurveda-Behandlungen hergestellt?
In einem handwerklichen Prozess, wobei frische Kräutersäfte und Dekokte mit Ölen vermischt und über lange Zeit gekocht, gefiltert und wiederum gekocht werden.

Was ist das Basisöl?
Sesamöl ist einzigartig, insoweit seine Qualitäten durch dieses Herstellungsverfahren nicht geschmälert, sondern verbessert werden. In japanischen Studien wurde etwa nachgewiesen, dass die Menge der Antioxidantien sogar gesteigert wird.

Wie wird das Öl, nachdem es nicht mehr gebraucht wird, entsorgt?
Diese Öle sind hochwertige Recyclingmaterialien. Unser gesamtes Öl wird in Containern gesammelt und mittels Filter von Haaren und dergleichen befreit. Einige der Abnehmer streichen dann ihre Zäune damit oder füllen ihre Traktoren damit auf. Kein Tropfen muss auf künstlichem Wege entsorgt werden.

Kommt für Behandlungen immer nur frisches Öl zur Anwendung?
Werden Öle – wenn Sesamöl die Basis ist – richtig aufbewahrt, so sind sie auch nach 100 Jahren nicht ranzig. Der Effekt kommt aufgrund der Antioxidantien sowie der natürlichen keim- und pilztötenden Eigenschaften des ‚gekochten' Sesamöls zustande. Andere Öle hingegen können schon nach ein paar Wochen oder Monaten verderben. Bei jedem Klienten kommen ein bis zwei Liter frisches Öl zur Anwendung. Nach der ersten Behandlung wird das Öl gefiltert und erhitzt, um von Haaren und Schweißpartikeln gesäubert zu werden. Nach der dritten Anwendung wird dann ein frisches Öl zusammengestellt.

Wie individuell werden die Öle zusammengemischt und nach welchen Komponenten zusammengestellt?
Wir haben vier Konstitutionsöle: Vata, Pitta, Kapha und Tridosha; dann die Funktionsöle Bhringa für den Kopfbereich, Twak zur Hautstraffung, Deva für besonders empfindliche Haut und Irivenna – das Notfallöl. Damit werden 90 Prozent der Bedürfnisse für die Praxis abgedeckt. Für die restlichen 10 Prozent muss ein geschulter Therapeut noch dazumischen.

Was bewirkt das Öl auf körperlicher Ebene?
Drei Viertel des Öls durchdringen alle Hautschichten und gelangen über die oberflächliche arterielle Zirkulation in die Gewebestrukturen. Ein Viertel des Öls reinigt die Zellzwischenräume, Schweißgänge und Haarfollikel und befördert deren Schlacken an die Hautoberfläche. Deshalb ist ein Peeling oder ein Abwaschen nach der Ölbehandlung angezeigt. Oft fragt man sich auch, warum in so großen Mengen mit Öl gearbeitet wird. Ayurvedische Öle verbleiben nicht an der Hautoberfläche – sie werden vom Gewebe auch resorbiert. Ein guter Masseur schafft es, in einer Stunde bis zu 200 Gramm Öl in das Gewebe einzuarbeiten.

Welche Wirkung hat das Öl?

  • Es nährt und regeneriert das Gewebe und verlangsamt damit deutlich den natürlichen Alterungsprozess.
  • Es ist stimmungsaufhellend.
  • Es wirkt aphrodisierend.
  • Es verbessert den Schlaf und entspannt.
  • Es öffnet die Sinne(swahrnehmung).
  • Es schützt vor Frakturen, wie zum Beispiel bei Osteoporose.
  • In Zusammenhang mit Wärme löst es Tumore auf und dient zum Lösen der Schlacken vor ausleitenden Verfahren (Pancakarma).

Hans H. Rhyner, geboren 1951, ist ein anerkannter Ayurveda-Experte und Dozent an der ‚Europäischen Akademie für Ayurveda'. Zusammen mit seiner Frau Irene Rhyner betreibt er seit 1998 ein Ayurveda-Fachinstitut in Wien, produziert Ayurveda-Produkte in Niederösterreich und führt Ayurveda-Kuren und Ausbildungen durch. www.ayurveda-rhyner.com

 
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Kommentare  
# Karin Klenk 2019-03-05 14:48
Meine Frau hat einen ganzen KAsten voller Öle, zu Beginn dachte ich es wäre nur ein Tick, aber mittlerweile verstehe ich den Sinn dahinter!
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