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Achtsamkeit & Meditation

Wo kann Zufriedenheit gefunden werden? Ein Streifzug durch die Philosophie.

Im Volksmund, in dem sich häufig altes Weisheitswissen in einfachster Form wiederfindet, heißt es: „Das wahre Glück ist die Zufriedenheit.“ Nicht selten wird Glück mit Zufriedenheit gleichgesetzt. Damit soll der Schwierigkeit einer Wesensbestimmung des „Glücks“ ausgewichen und die tiefe Sehnsucht des Menschen nach Glück auf ein erreichbares Maß reduziert werden. Zur Unterscheidung beider Begriffe lohnt sich ein Blick auf die antiken Vorstellungen des menschlichen Glücks, wie sie weitgehend übereinstimmend in den großen Weisheitstraditionen in Griechenland, Indien und China zu finden sind.

Der griechische Philosoph Platon schreibt: „Die Erfahrung lehrt doch täglich, dass Geld und Macht nicht immer glücklich machen, ja unter Umständen Schaden bringen (...) Nicht auf die Außendinge kann es also ankommen, sondern nur auf die innere Haltung, die man ihnen gegenüber einnimmt. Von ihr hängt es ab, ob der Mensch ein gutes Leben führt und die Glückseligkeit erreicht, die sein Ziel ist. Denn sie beruht auf dem dauernden Wohlgefühl, das aus der inneren Harmonie und der ungestörten Zufriedenheit entspringt.“ Hier wird unterschieden zwischen einem „Glück“, das von Außendingen abhängt wie Geld, Ansehen oder Macht, und einem Glück, das aus dem Innern kommt. Das wahre Glück, sagte der griechische Philosoph Demokrit, liegt nicht „in Herden und Landbesitz“, sondern „im Innern der Seele“. „Psyche“ ist das griechische Wort, das hier mit „Seele“ wiedergeben wird. Es meint in der abendländischen Tradition die Gesamtheit aller Gefühlsregungen und geistigen Vorgänge und nicht etwa ein immaterielles Prinzip oder einen unveränderlichen Kern. Auch heute noch wird das Wort „Glück“ in einem doppelten Sinne verwendet. Einmal als das von außen kommende, zufällige Glück: „Ich habe Glück/Pech gehabt.“ Mit dem Wort Glück wird aber auch die Sehnsucht der Menschen, glücklich zu leben, beschrieben, also ein Zustand von einiger Dauer, „Ich bin glücklich“. Nicht immer haben beide Wortbedeutungen etwas miteinander zu tun, worauf schon Platon hinweist.

Nach ihm ist das äußere Glück allenfalls ein Mittel, glücklich zu leben, nicht das ersehnte Glück selbst. Sein Schüler Aristoteles bemerkte, dass großer Besitz eher ein Hindernis für ein glückliches Leben sei, eben dann, wenn man nicht den richtigen Gebrauch davon erlebe. Den richtigen Gebrauch von äußeren Gütern aber mache derjenige, der damit anderen Gutes tue! Denn, wie der römische Philosoph Seneca später sagte, wird nur glücklich, wer andere glücklich macht.

Je stärker die Begierden und Wünsche, umso mehr haftet der Mensch an Äußerem und verliert die innere Ruhe und Gelassenheit.

Noch wichtiger ist der Hinweis Platons auf die Ursache der „Glückseligkeit“. Sie beruhe auf einem „dauerhaften Wohlgefühl“, das aus einer „inneren Harmonie“ und einer „ungestörten Zufriedenheit“ erwachse. Für Platon war die Seele ein „vielköpfiges Ungeheuer“ von Kräften und Bedürfnissen, die häufig miteinander in Konflikt geraten und von dem jeder „Kopf“ die Tendenz habe, die anderen zu unterdrücken. Er meinte damit Menschen, die einseitig leben und „nur eines im Kopf haben“, sei es Arbeit, Geld, Macht, Ansehen oder etwa Sinneslust. Sie vernachlässigen andere Bedürfnisse, unterdrücken oder verdrängen sie und führen ein unausgeglichenes Leben. Wie aber der Körper krank werde, wenn die Organe nicht das Ihrige täten und harmonisch zusammenarbeiteten, so werde eine unausgeglichene Seele auf Dauer krank und entwickle leidvolle Affekte wie Ängste, Sorgen, Zorn, Wut, Hass, Gier, Neid, Eifersucht, Überforderung, Entfremdung und Missgunst.

Zufriedenheit

Eine „gesunde“ Seele dagegen sei gekennzeichnet von harmonischer Ausgeglichenheit der verschiedenen Bedürfnisse und Kräfte und der Bewährung dieser Harmonie im täglichen Denken, Wollen und Handeln. Für Platon war eine solche Seele eine „schöne“ Seele, weil sie in allem die rechten Proportionen, Maß und Mitte, wahre und Ordnung herrsche. Ferner war sie die „gute“ Seele, weil in ihr wohltuende, nährende Emotionen dominieren wie das Wohlwollen gegenüber anderen und das Gefühl des Einklangs mit sich selbst. In einer solchen schönen, guten und gesunden Seele entstehe eine „ungestörte Zufriedenheit“. Dieses In-sich-Ruhen wurde in der Antike als Seelenfrieden, als „Meeresstille der Seele“, als „Lust in der Ruhe“ bezeichnet. Es galt vielfach als Synonym für inneres, dauerhaftes „Glück“.

Aus dieser „ungestörten Zufriedenheit“ wurde in der stoischen Philosophie das Ideal der „Unerschütterlichkeit des Weisen“. Es entspricht dem, was wir heute „Resilienz“ nennen, der Fähigkeit, nach einer äußeren Beeinträchtigung, einem Scheitern, einem Misserfolg oder einem Unglück schnell wieder in die eigene Mitte zu kommen. Den nach wie vor hohen Stellenwert dieser Fähigkeit spiegelt sich in der heutigen allgemeinen Wertschätzung der „Gelassenheit“ wider. Zur Gelassenheit gehört das Loslassen-Können, die Fähigkeit, sich nicht zu sehr an äußere Dinge und Verhältnisse zu binden, nicht anzuhaften. Wenn nach Demokrit „Glück und Unglück im Innern der Seele liegen“, so ist es nur konsequent, wenn alles Äußere an Bedeutung für das Glück verliert. Die Weisheit bestehe aus Losgelöstsein, heißt es in den altindischen Upanishaden. In ihr finde sich die Glückseligkeit. Ihr Kopf sei die Freude, der rechte Arm die Zufriedenheit, der linke das Entzücken, die Begeisterung.

Der Mensch hat es durch sein Wollen, seine inneren Haltungen, sein Denken und Handeln selbst in der Hand, einen Zustand innerer Ausgeglichenheit und Zufriedenheit herzustellen.

Ein letzter Aspekt in diesem Zusammenhang ist das Wollen. Je stärker die Begierden und Wünsche, umso mehr haftet der Mensch an Äußerem, entwickelt Sorgen, Ängste, Stress, Neid und Gier und verliert die innere Ruhe und Gelassenheit. Umgekehrt gewinnt er an „ungestörter Zufriedenheit“, je bescheidener, selbstgenügsamer und dankbarer er ist für das, was da ist, je entschiedener er versteht, „dem Glück ein Maß zu setzen“, wie es bei dem griechischen Dichter Pindar heißt, also sich zu sagen: „Es ist genug, mir reicht das Vorhandene.“ „Was brauche ich an Kapital, Waren und Geld, das Nutzen bringt für das Leben?“, fragte ein arabischer Dichter, „Bescheidenheit und Zufriedenheit!“ war die Antwort.

Um den skizzierten Zusammenhang von Glück, Zufriedenheit, Seelenruhe, innerer Harmonie, Gelassenheit und Selbstgenügsamkeit darzustellen, fand die Antike verschiedene Bilder. In allen kommt zum Ausdruck, dass es der Mensch ist, der durch sein Wollen, seine inneren Haltungen, sein Denken und Handeln es selbst in der Hand hat, einen Zustand innerer Ausgeglichenheit und Zufriedenheit herzustellen. So wählte Platon das Bild des Wagenlenkers. Dieser steht für die Vernunft, die Pferde für die irrationalen Seelenkräfte. Wer seinen Wagen sicher zum Ziel führen will, muss die Pferde kennen und ihnen gerecht werden, das heißt die trägen Tiere antreiben, die stürmischen zügeln, er muss sie richtig ernähren, trainieren, ausruhen lassen und einfühlsam mit ihnen umgehen. So entsteht unter ihnen Harmonie, und sie folgen der Führung des Wagenlenkers und nicht umgekehrt. Wir sind Herr im eigenen Haus, nicht Getriebene unserer Begierden und Affekte.


Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 118: „Zufriedenheit"

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Ein anderes Bild ist das des Seelengartens, dessen Gärtner der Mensch ist. Damit der Garten Blumen und Früchte hervorbringt, muss er ihn täglich pflegen. Er muss ihn umgraben, Unkraut jäten, Samen pflanzen, bewässern, entwässern sowie ihn vor Schädlingen schützen. Der schöne Garten, vor dem er dann abends sitzt, das ist die Zufriedenheit. Die Blumen und Früchte aber sind die Momente des wahren Glücks, das nicht von außen kommt, denn es wurzelt und entspringt der eigenen Seele. Man kann es nicht erzwingen, nur dafür sorgen, dass vieles davon aufblüht und gedeiht. Durch Arbeit an sich selbst kann der Mensch eine Grundbefindlichkeit heiterer Gelassenheit herstellen, er kann „sich dem Glück würdig erweisen“, wie Kant schrieb. „Nimm dir vor, in Zufriedenheit zu leben – was die Götter zuteilen, das kommt von selbst“, heißt es in einer 4.400 Jahre alten ägyptischen Weisheit.

Der Dalai Lama drückt das einmal so aus: „Auf der einen Seite sind da die angenehmen Gefühle, die sinnliche Erfahrungen mit sich bringen. Wohlstand, Gesundheit und Freundschaft tragen viel zur Entstehung solcher Gefühle bei. Auf der anderen Seite existiert eine tiefere Ebene der Zufriedenheit, die nicht durch äußere Reize ausgelöst wird, sondern durch unsere eigene innere Befindlichkeit entsteht. Auf diese zweite Ebene der Zufriedenheit beziehe ich mich, wenn ich von wahrem menschlichen Glück spreche. Wahres Glück setzt inneren Frieden und einen gewissen Grad an geistiger Sammlung voraus.“ Wohl deshalb, sagte Buddha, ist die „Zufriedenheit der größte Schatz“.

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Dr. Albert Kitzler

Dr. Albert Kitzler

Dr. Albert Kitzler, deutscher Philosoph, ist Gründer und Leiter von „Maß und Mitte – Schule für antike Lebensweisheit“. Er hält Vorträge, Seminare, philosophische Urlaube, berät Unternehmen und Einzelpersonen und versendet per täglichem, kostenlosem Newsletter kommentierte „Worte der ...
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