Meine Oma sagte immer, ich solle nicht immer allen alles erzählen. Was sie wohl zu diesem Blog gesagt hätte? Fakt ist, dass ich nicht das Gefühl hatte, Geheimnisse auszuplaudern. Andere Menschen haben allerdings eine andere Einstellung dazu.
Derzeit habe ich das Gefühl, von Geheimnissen umzingelt zu sein. Wie gesagt, für meine Person habe ich den Eindruck, dass ich um nichts ein Geheimnis mache. Nicht dass mir die intimsten Dinge auf der Zunge liegen und ich sie der Kassiererin im Supermarkt rausstrecken würde – doch Geheimnisse habe ich keine. Ich unterscheide zwischen Dingen, die ich erzählen kann und jenen, zu denen ich selbst noch keinen inneren Standpunkt entwickelt habe. Kann ich mit etwas, was ich getan habe, leben, erzähle ich es auch. Hadere ich damit, schweige ich so lange, bis ich damit leben kann. Das hat nichts mit Geheimnissen zu tun. Zumindest in meiner Welt.
Natürlich gab es Zeiten, wo ich Dinge geheim gehalten habe. Beziehungen zum Beispiel. Und die vor allem dann, wenn ich selbst noch in einer gesteckt bin und diese nicht gefährden wollte. Zumindest nicht gleich. Und da ist es auch schon, das gar nicht so kleine Wörtchen „Gefahr“. Und von der Gefahr ist es nur ein klitzekleiner Schritt zur Angst, einem der Hauptmotivatoren unseres Handelns. Der andere ist die Liebe, manchmal hängt beides unmittelbar zusammen.
Wenn nun jemand Angst vor einer Auseinandersetzung hat, weil er konfliktscheu ist, dann verheimlicht er vielleicht lieber etwas, als dass er es auf den Tisch legt. Wenn jemand Angst hat, durch einen Seitensprung seine Ehe zu gefährden, dann bleibt die Konkubine eben ein süßes Geheimnis. Wenn sie Glück hat. Wenn jemand genau weiß, dass manche Erlebnisse die Oma nahe ans Ableben bringt, dann schweigt er lieber einige Monate bis Jahre. Dass Familiengeheimnisse ganze Generationen prägen und belasten können, wissen wir nicht nur aus der Literatur.
Doch wozu den Kopf in den Sand stecken? Geht man Auseinandersetzungen zu lange aus dem Weg, eskaliert die Situation irgendwann mal so, dass kein Gras mehr wächst und nachsäen völlig sinnlos ist. Fühlt man sich zu einem anderen Menschen hingezogen, ist das ein sicheres Zeichen, dass Johnny Depp Recht hat mit seinen Worten: „Wenn Du zwei Menschen zur gleichen Zeit liebst, entscheide Dich für den zweiten. Denn wenn Du den ersten wirklich geliebt hättest, hättest Du Dich nicht in den zweiten verliebt.“ Erzählt man einem besorgten Menschen nicht, was man gerade erlebt, entzieht man ihm die Möglichkeit, sich am Schönen mitzufreuen. Selbst auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Wozu also geheimniskrämen?
Was mich unter anderem zur Zeit beschäftigt, hat wieder einmal mit diesen „bescheidenen“ Social Media zu tun. Denn ich habe gesehen, wie jemand vor meinen Augen, sich vermutlich von mir aber unbeobachtet fühlend, Chatverläufe ins Archiv geschoben hat. Abgesehen davon, dass ich mich als langweiliger Gesprächspartner fühlen könnte, wenn ich weniger Selbstwert besäße: Wozu muss so etwas vor meinen Augen gemacht werden? Warum nicht zuhause, auf der Toilette oder bei der Verdauungszigarette vor der Türe, wenn ich gerade auf der Toilette bin? Ich fühlte mich provoziert, habe jedoch inzwischen gelernt, erst nachzudenken, bevor ich etwas sage. Und in diesem speziellen Fall denke ich noch immer nach. Schon klar, es scheint eine ziemlich banale Situation zu sein, doch bis ich sämtliche Konsequenzen jedes einzelnen Wortes zu Ende gedacht habe, dauert das. Und wahrscheinlich bekomme ich dann genau die Reaktion, mit der ich nicht gerechnet habe. Fakt ist, solange ich diesen Gehirnwirler habe, sage ich gar nix. Blöd für das Gegenüber, das schon gefühlte zehnmal angerufen hat, weil ich meine Kontaktkanäle momentan sehr eng halte. Doch ich will keine Angriffe raushauen, auch sonst nichts Negatives, sondern klare Gedanken artikulieren. Alles andere ist schlecht fürs Karma.
Eine Freundin hat mir eine gute Nachdenkstrategie zur Klärung an die Hand gegeben: Beobachtung – Gefühl – Bedürfnis – Bitte. Kommt aus der gewaltfreien Kommunikation. Das ist mir eh nahe, nachdem mein Ex einen entsprechenden Workshop besucht hat und jetzt GANZ vorsichtig formuliert. Ich arbeite jetzt auch daran, und Sie haben gar keine Ahnung, wie schwierig das ist. Ja, der Gedankenspiralen dreht sich ziemlich. Doch ich schaffe das, da bin ich ganz sicher.