Jetzt habe ich es wieder gelesen: Eine aktuelle Studie zu Frauen und Führung besagt, dass der Mangel an Kinderbetreuungsplätzen das größte Hindernis dafür ist, dass Frauen ihr volles Potenzial ausschöpfen können. Als hätten diese Kinder keine Väter!
Um es gleich vorneweg zu sagen: Natürlich ist mir klar, dass es unglückliche Familienverhältnisse gibt, in denen Kinder aufwachsen. In denen Väter sich auf die Zeugung beschränkten. In denen Väter einfach verschwinden. In denen Väter keinen Cent zahlen. Das ist mir klar, und genauso klar ist mir, dass Frauen sich in solchen Situationen auf die Hinterfüße stellen und zu Wölfinnen werden müssen. Haben sie dann zusätzlich kein reales, soziales Netzwerk zur Verfügung, sind sie selbstverständlich auf eine zufriedenstellende Anzahl an Kinderbetreuungsplätzen angewiesen. Und da gibt es noch viiiiiiel Luft nach oben.
Darum geht es mir aber heute nicht. Es geht mir darum, dass in dieser Diskussion eine Verallgemeinerung stattfindet. Nämlich die, dass es nie heißt, Männer müssten eine berufliche Herausforderung liegen lassen, weil es keine Kindergartenplätze gibt. Offenbar ist es immer noch Frauensache, die Verantwortung für den Nachwuchs zu übernehmen. Oder zumindest die Organisation. Weil wir das ja soo gut können, alles unter einen Hut zu bringen. Auch uns selbst. Als ich vor Jahren ein Gratis-Coaching-Angebot in Anspruch nehmen durfte, wurden mir zum ersten Mal die vielen Rollen bewusst, die ich als Frau einnehmen und erfüllen wollte: Geliebte und Partnerin, Mutter und Hausfrau, Karrierefrau und Künstlerin. Dazu kamen noch die Rollen der Enkelin und Tochter, Freundin und Nachbarin. Das war eine Menge Holz, die sich da plötzlich vor mir aufstapelte. Ich fragte mich, wie lange ich das wohl im Gleichgewicht würde halten können. Aber ich war noch wesentlich jünger als jetzt und dachte mir, dass es wohl irgendwie gehen würde. Ist es nicht, wie ich heute weiß.
Den gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen zu wollen, war einfach zu viel. Für mich und vermutlich auch für viele andere Frauen jeden Tag. Weil sie alles wollen sollten und natürlich jedes Recht dazu haben, andererseits aber auch nur über 24 Stunden pro Tag verfügen. Und wie wir alle wissen, brauchen bestimmte Herausforderungen einfach Zeit. Kinder brauchen sie, um gesund und geborgen aufzuwachsen. Partnerschaften und soziale Beziehungen im Allgemeinen brauchen sie, damit Menschen sich wahrnehmen können. Arbeit braucht sie, um Kompetenzen entwickeln und einsetzen zu können. Und nicht zu vergessen die Zeit für uns selbst, um auch das persönliche Reifen zu unterstützen. Und das alles in 24 Stunden? Unmöglich. Trotzdem versuchen wir es immer wieder und hängen ob der Bemühungen nicht selten komplett in den Seilen. Was wiederum bedeutet, dass eine der vielen Anforderungen oder Rollen ungenügend oder gar nicht bedient wird. Die Kraft reicht dann einfach nicht mehr. Kein Wunder!
Ich denke, es sollte in einem Frauenleben heutzutage weniger um Organisation als um Fokussierung gehen. Und am Anfang dieser Fokussierung sollte die Frage nach den eigenen Begabungen und Wünschen stehen. Spürt man den Muttertrieb gar nicht, dafür aber eine mathematische Ader, sollte Frau dem nachgeben. Sollte der Wunsch nach einem Zwergerl größer sein als nach einer Zweitwohnung, dann ist auch das völlig in Ordnung. Ich höre zwar gerade meine Oma aus dem Jenseits jaulen und nach der finanziellen Unabhängigkeit rufen, die in letzterem Fall vermutlich leidet. Und das zu Recht – aus ihrer Generation heraus betrachtet. Die Facebook-Managerin Sheryl Sandberg hat vor einigen Jahren in ihrem Buch „Lean in“ die Wahl des richtigen Mannes als die wichtigste Karriereentscheidung bezeichnet. Ich würde jetzt nicht so weit gehen, das damit gleichzusetzen, sich einen reichen Mann zu angeln. Sondern eher damit, sich einen auszusuchen, der die gleichen Ziele teilt. Aus den richtigen Gründen. Oder gar keinen – auch das ist heute möglich. Natürlich sind Mischmodelle im Kommen, und vielfach ist das eine gute, ganzheitliche Entwicklung. Doch ebenfalls aus eigener Erfahrung weiß ich: wenn alles ineinander fließt, kann auch das ziemlich erschöpfend sein.
In meinen Augen hat uns die Emanzipation zwar die Erkenntnis gebracht, dass wir alles tun und erreichen können, was wir wollen. Doch die Entscheidung darüber, was wir wollen, liegt ebenfalls bei uns. Und zu unserem eigenen Besten sollten wir sie wohlüberlegt treffen. Am besten ohne den oft verhängnisvollen Hang zum Perfektionismus auf allen Ebenen und mit Abstand zu den gesellschaftlichen Erwartungen. Denn wenn das chronische Erschöpfungssyndrom erst einmal zugeschlagen hat, lässt sich ein Leben nur mehr unter noch größeren Kraftanstrengungen oder Opfern herumreißen. Und der Mangel an Kinderbetreuungsplätzen oder Karriereperspektiven schon gar nicht mehr ausgleichen. Atmen wir also am heutigen Weltfrauentag doch einfach mal durch, überlegen uns, was ganz „unseres“ ist und konzentrieren wir uns darauf. Mal schauen, was passiert!
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Es klappt nicht immer alles zu 100%, aber wir probieren es :)