Das Thema Haltung ist für mich in den letzten Jahren gemeinsam mit Achtsamkeit immer wichtiger geworden. Und dabei im Besonderen die Verbindung zwischen emotionaler Haltung und Körperhaltung. Schaut man genau hin, stellt man schnell fest, dass die beiden nicht unabhängig voneinander existieren.
Wie entstehen Gefühle in uns ?
Wir können nicht unabhängig von unserem Körper fühlen. Und das hat einen sehr tief liegenden Grund. Unsere gesamte Emotionssteuerung passiert über unseren Körper.
Unser emotionales Gehirn vergleicht alle Situationen, in die wir geraten, ständig assoziativ und intuitiv mit denen, die wir schon erlebt haben. Als Konsequenz schaltet es auf ein Gefühl, das uns in der Vergangenheit in einer ähnlichen Situation gut beschützt und uns, wenn möglich, die Zugehörigkeit gesichert hat.
So geraten wir -– je nach sozialer Situation –- immer wieder in neue Gefühle.
Ob wir dabei in einer Situation in angenehme oder unangenehme Gefühle kommen, hängt sehr von unserer eigenen Biografie ab. Während der eine sich darauf freut, eine Rede vor 500 Leuten zu halten, schnürt es dem anderen die Kehle zu und bricht ihm der kalte Angstschweiß aus. Das hat immer mit den individuellen Erfahrungen mit ähnlichen Situationen zu tun.
Habe ich in ähnlichen Situationen Verurteilung, Beschämung und Kritik erlebt, machen sich unweigerlich Angstgefühle in mir breit. Habe ich in ähnlichen Situationen Anerkennung und Zugehörigkeit erhalten, gehe ich gerne auf sie zu.
Wie kommt das Gefühl in unseren Körper ?
Interessant ist, wie sich diese emotionale Reaktion unseres Gehirns in die Gefühle umsetzt, in die wir geraten.
Zu jedem Gefühl gehören bestimmte Anspannungsmuster im ganzen Körper -– inklusive der Muskeln im Gesicht, also die Mimik. Wenn unser emotionales Gehirn uns in ein Gefühl bringen möchte, springen die zugehörigen Anspannungs- und Entspannungsmuster in uns an.
Alles, was mit Konflikt, Stress und Angst assoziiert ist, zeigt sich in Anspannungen im Körper. Alles, was mit herzlichen und weichen Gefühlen verbunden ist, wird in Entspannung spürbar.
Gefühlshaltungen sind universell
In welche Körperhaltung jemand kommt, der ängstlich oder traurig ist, - oder jemand, der aggressiv und wütend ist, jemand, der gerade etwas Tolles gewonnen hat, oder jemand, der niedergeschlagen ist –- das ist für jeden Menschen in allen Kulturen gleich. Sogar blinde Menschen, die andere nie gesehen haben, kommen in die gleichen Haltungen wie Sehende. Auch ein blinder Mensch lächelt, wenn er sich freut und wenn er sich jemandem verbunden fühlt.
Die spezifischen Anspannungsmuster im Körper, die zu bestimmten Gefühlen gehören, sind universell. Sie gehören zu unserer Biologie. Die gleichen Gefühle drücken sich bei allen Menschen gleich aus. Jedes Gefühl hat eine spezifische Haltung und eine spezifische Energie.
Und da diese Gefühle über den Körper erzeugt werden, kommt es zu einem interessanten Phänomen:
Mein Körper bestimmt, was ich fühle
Wenn ich versuche zu lächeln und dabei traurig zu sein, wird mir das genauso wenig gelingen, wie mich lustig zu fühlen, wenn ich traurig schaue. Das Lächeln ist sozusagen die Haltung der Freude und Verbundenheit.
Unser emotionales Gehirn bringt uns ständig in neue Körperhaltungen und damit in emotionale Haltungen. Aber diese Vorgänge laufen unbewusst ab. Wir merken nicht, dass das passiert.
Das emotionale Gehirn entscheidet dabei immer auf der Basis vorheriger Erlebnisse. So erhalte ich in ähnlichen Situationen immer wieder die gleiche emotionale Reaktion. Dieses Phänomen ist auch bekannt als Beziehungsmuster. Ich erlebe in Beziehungen immer wieder die gleichen Situationen.
Wenn mir dieser Zusammenhang aber bewusst ist, kann ich lernen, mich bewusst mit einer anderen als der gewohnten Haltung zu verbinden und so meine gewohnten Beziehungsmuster unterbrechen.
Die Achtsamkeit arbeitet ganz bewusst damit, sich mit einer Körperhaltung zu verbinden, die einen optimal in Beziehung mit sich selbst und anderen sein lässt. Das ist mit ein Grund, warum die Achtsamkeit einen so großen Fokus darauf hat, Körperbewusstsein zu stärken. Denn in dem Moment, wo ich meine emotionalen Reaktionen im Körper verorten kann, kann ich auch bewusst meine Körperhaltung mit bestimmen. Ich kann zwar nicht ändern, was passiert, aber ich habe eine Möglichkeit, mir meine Haltung auszusuchen. Schön findet sich das in einem Zitat von Mahatma Gandhi wieder:
Du kannst nicht ändern, was Leute über dich denken und was sie über dich sagen. Alles, was du ändern kannst, ist, wie du darauf reagierst.
Wenn Achtsamkeit mich bewusst mit einer bestimmten Haltung verbindet, was ist dann die Haltung der Achtsamkeit? Wie schaut die aus, und warum ist es gerade diese Haltung?
Die Haltung der Achtsamkeit
Die Haltung der Achtsamkeit findet sich in einer klaren Körperhaltung wieder. In einer Haltung, die mit einem absoluten Gleichgewicht verbunden ist.
In einer aufrechten Haltung im Stehen, die im Yoga Berghaltung heißt. In dieser Haltung wird das Gewicht des Körpers fast vollständig vom Skelett getragen, und es müssen sich nur ganz wenige Muskeln anspannen. In dieser Haltung ist unser Körper in einem optimalen Gleichgewicht.
Die gleiche aufrechte Haltung findet sich im Sitzen in der Meditationshaltung wieder. So ist diese seit Jahrtausenden bestehende Körperhaltung beim Meditieren kein Zufall, sondern eine, die uns auch emotional in ein inneres Gleichgewicht bringt. Das emotionale Gleichgewicht stellt sich mit der Körperhaltung automatisch ein.
Diese Körperhaltung verbindet außerdem mit Wachheit und Präsenz und ist zudem eine Haltung, in der wir gleichzeitig mit uns und mit anderen in Beziehung sein können und dabei noch eine eindeutige Grenze haben.
Auch die Übung des Achtsamen Yogas richtet sich danach aus, unseren Körper in dieses Gleichgewicht zu bringen, indem es verkürzte Muskeln dehnt und wenig genutzte Muskeln stärkt. So bringen diese Übungen unseren Körper in eine klare Aufrichtung ohne Anstrengung, in der die Energie in unserem Körper gut fließen kann.
Meditation ist demnach nicht nur eine geistige Übung, sondern immer auch eine Körperübung, die uns wieder mit dieser Haltung im Gleichgewicht verbindet. So wird sie durch regelmäßige Übung mehr und mehr ein Teil von uns.
Wie bestimmt meine Haltung eine Situation?
Mit welcher Haltung ich in eine Situation gehe, bestimmt ganz wesentlich den Verlauf einer Begegnung. Habe ich von vornherein das Gefühl, dass ich einer Situation nicht gewachsen bin, werde ich unsicher und ängstlich sein –- Angst und Stress blockieren und können im schlimmsten Fall dazu führen, dass ich gar nicht mehr denken kann.
So schafft meine innere Haltung die Wirklichkeit der Situation, in der ich bin.
Gehe ich mit einer Haltung in die gleiche Situation, in der mir nichts passieren kann und in der ich zuversichtlich bin, habe ich automatisch Zugriff auf alle meine Gefühle und auf mein ganzes Wissen, ganz einfach, weil ich entspannt bin.
Ein Zitat von Henry Ford greift diese Haltungsfrage für mich sehr schön auf: „"Egal ob du glaubst, daß du etwas kannst oder ob du glaubst, daß du etwas nicht kannst, du hast recht.“"
Lernen wir also unsere Haltungen bewusst mitzubestimmen, gehen wir mit für uns schwierigen Situationen anders in Kontakt, als wir es gewohnt sind. So erleben wir neue Beziehungserfahrungen. Wir erweitern den Spielraum unserer Persönlichkeit und können Beziehung anders erleben.
Das ist im Prinzip nur eine Frage des Körperbewusstseins und eine Frage der Übung. Bin ich mir meiner körperlichen Haltung bewusst, kann ich jederzeit in die gewohnten unbewussten und automatischen Reaktionsmuster eingreifen und mit bestimmen. Ich kann mich in einer gegebenen Situation für eine andere Haltung entscheiden als die, die in meiner Persönlichkeitsstruktur angelegt ist.
Zwei Wege zu einer anderen Haltung
Indem ich mich bewusst mit einer Körperhaltung verbinde, verbinde ich mich automatisch mit dem zugehörigen Gefühl. Es werden dann in meinem Körper auch alle Hormone ausgeschüttet, die zu diesem Gefühl gehören.
Das heißt, rein durch Körperhaltung kann ich ein Gefühl erzeugen. Was es dazu nur braucht, ist eine Klarheit, was alles zu dieser Körperhaltung gehört. Habe ich diese Klarheit, geht es ganz einfach.
Im Fall der Achtsamkeit werden die Berghaltung und Sitzhaltung in der Meditation als Haltung im Gleichgewicht sehr klar eingeübt.
Ich kann aber auch auf einem anderen Weg sehr leicht in eine andere Haltung kommen. Nämlich, indem ich meine Aufmerksamkeit auf eine Situation lenke, in der ich in einem bestimmten Gefühl war.
Wenn ich mich innerlich mit allen Sinnen mit dieser Situation verbinde, verbinde ich mich sofort mit dem Gefühl, das ich in der Situation hatte. Und mein Körper kommt sofort in die zugehörige Körperhaltung. Das alles passiert unwillkürlich. Ich muss dabei nichts steuern. Alles, was es braucht, ist, die Aufmerksamkeit konsequent dort hinlenken zu können.
Stehe ich also vor einer schwierigen Situation, habe Angst und fühle mich blockiert, kann ich mich immer innerlich mit einer Situation verbinden, in der ich sehr entspannt war –- oder in der mir etwas ganz besonders gut gelungen ist. Wenn ich den Fokus dort halten kann, finde ich in diese Haltung.
Und mit dieser Haltung kann ich dann in die bevorstehende schwierige Situation gehen.
Das heißt, ich kann mich jederzeit mit einer Haltung verbinden, die mir in der Situation erlaubt, maximal gut bei mir –- und damit die beste Version von mir selbst zu sein.
Wenn ich lerne, meine Haltung bewusst mitzubestimmen, erlebe ich dadurch automatisch neue Beziehungserfahrungen, die die gelernten Konzepte meiner Persönlichkeit erweitern.
Übung
Die Einladung zu diesem Beitrag ist, sich der eigenen Körperhaltung und eigenen Anspannungsmuster bei Konflikten bewusst zu werden. Besonders gut geht das, wenn man regelmäßig Achtsames Yoga betreibt und dabei bewusst auf die persönlichen Anspannungsmuster aufmerksam wird.
Jeder von uns hat Körperregionen, in denen er sich immer wieder anspannt. Im Nacken, im Bauchbereich, im oberen Rücken, beim Zwerchfell, im Herzbereich und so weiter. Beobachtet man den Körper beim Achtsamen Yoga aufmerksam, werden diese individuellen Muster bewusst.
Alles, was uns in Bezug auf unseren Körper bewusst wird, öffnet eine Tür dahin, unsere Haltung auch bewusst anders zu wählen..
Die zweite Einladung ist, sich als Übung ganz bewusst mit geschlossenen Augen mit guten und belastenden Erinnerungen zu verbinden und dabei bewusst darauf zu achten, wie sehr Gefühl und Körperhaltung miteinander verbunden sind. Auch hier –- je bewusster mir diese Verbindung wird, desto bewusster wird mir meine Körperreaktion im Alltag. Und umso einfacher kann ich meine Haltung im Alltag bewusst mit bestimmen.
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