Ich habe das Gefühl, dass ich mich immer in die falsche Person verliebe. Warum ist das so?
MoonHee beantwortet hier Fragen des alltäglichen Lebens oder Fragen, die ihr schon immer einmal stellen wolltet. In ihrem ersten Beitrag „Wie geht es dir heute? Danke, gut!“ findet ihr mehr Informationen dazu.
Antwort MoonHee:
Das Verliebtsein gehört zu den schönsten Gefühlen, die der Mensch kennt. Auch ein unglücklich Verliebter kennt das Gefühl von Aufregung, Kribbeln und Schmetterlingen im Bauch. Verliebtsein, ob glücklich oder unglücklich, ist mit Sehnsucht verbunden. Aber wie schön das Verliebtsein auch sein mag, es ist eine temporäre Sache und selten von Dauer.
Verliebtsein und Lieben sind zweierlei Paar Schuhe. Das erste überkommt einen – wenn bestimmte Knöpfe gedrückt werden, das heißt, wenn Programme oder Konditionierungen in uns aktiviert werden. Dagegen ist das Lieben jedoch eine bewusst aktive Sache – eine Wahl, die wir aus uns heraus treffen müssen: Sind wir bereit zu lieben oder nicht? Deshalb wiegt die Liebe schwerer als das Verliebtsein, das uns quasi in den Schoß fällt. Doch was genau fällt uns da zu?
Sind wir bereit zu lieben oder nicht?
Wir wissen, dass Verliebtsein einen Cocktail von Glückshormonen freisetzt. Dopamin, Endorphin und Serotonin sorgen dafür, dass wir euphorisch, weicher und zugänglicher werden. Verliebtsein gleicht einem Rausch und kann obsessive Züge annehmen. Es besitzt eindeutig Suchtpotenzial. Die Erklärung dafür liefert scheinbar das Gehirn. Es werden genau die Gehirnareale aktiviert, die auf Belohnung und Sucht ansprechen. Ist Verliebtsein somit nur ein biochemischer Vorgang, etwas, das unser Gehirn uns aufoktroyiert? Wohl kaum. Denn wir verlieben uns nicht in eine x-beliebige Person, sondern in einen ganz bestimmten Menschen; einen Menschen, der unseren Wünschen und Vorstellungen entspricht. Die Wirkung folgt der Ursache und geht ihr nicht voraus. Die Ausschüttung des Hormoncocktails ist eine Reaktion, eine Konsequenz des Verliebens, aber nicht ihre Ursache.
Die Frage, warum wir uns verlieben und in wen, ist keine neurobiologische, sondern eine psychologische. Dass der Mensch sich gerne verliebt, liegt sicherlich darin, dass er sich nach Zweisamkeit, nach Innigkeit, nach Ganzheit sehnt, gepaart mit dem Bedürfnis, etwas Besonderes sein zu wollen und sich – durch den anderen – neu erleben zu können. Wie heißt es so schön: „Für die Welt bist du irgendjemand, aber für irgendjemand bist du die Welt.“ Verliebtsein ist gerade deshalb so schön, weil Verliebtsein immer auch ein Verliebtsein in sich selbst bedeutet. Ich mache mich schön, ich zeige mich von meiner besten Seite, ich erzähle dem anderen, wer ich bin, was ich mag etc., und der andere ist für mich da und hört mir zu. Wenn ich glücklich verliebt bin, geht es mir gut – der andere spiegelt mich wider, ich fühle mich selbst, und das macht mich beschwingt und happy. Im Verliebtsein, glücklich oder unglücklich, erlebe ich alles, mich eingeschlossen, intensiver. Im Unterschied dazu wird es in der Liebe ruhiger. Statt Dopamin wird mehr das Bindungs- oder auch Kuschelhormon Oxytocin produziert.
Jeder Mensch, außer ein paar Ausnahmen, sucht sein Match. Dabei ist der eine erfolgreicher als der andere. Kaum einer war noch nie unglücklich verliebt, doch neigen bestimmte Menschen mehr dazu. Warum fühlen manche Menschen sich besonders von den falschen Menschen angezogen und können schlecht davon ablassen? Was steckt dahinter? Dinge geschehen nicht einfach so. Erstens braucht es eine Offenheit, damit Dinge geschehen. Wer sich nicht verlieben will, verliebt sich auch nicht. Wir kennen Geschichten von zwei Menschen, die sich schon längere Zeit kennen und urplötzlich verändert sich etwas ... wie Klaus Lage singt: „Tausend und eine Nacht. Und es hat hat ‚Zoom‘ gemacht.“ Damit Dinge aber nicht nur einfach geschehen, sondern erfolgreich geschehen, braucht es neben der Offenheit die Bereitschaft dafür. Bin ich bereit, dann will ich es auch. Wahre Bereitschaft ist keine Kopfangelegenheit, sondern eine Tugend des Herzens. Es ist das Herz, das bereit ist, sich auf etwas vorbehaltlos einzulassen und sich hinzugeben; der Kopf möchte kontrollieren und alles im Griff haben. Es liegt in der Natur der Sache, dass man in Gefühlsdingen mit dem Kopf nicht sehr weit kommt. Auch wenn das Gehirn die passenden Hormone liefert, das Gehirn liebt nicht. Meine Gefühle und ich sind nicht das Gehirn. Liebe und Determinismus schließen sich aus. Liebe ist nur durch Freiheit möglich – Liebe und Freiheit bedingen einander. Liebe fällt nicht vom Himmel. Lieben bedeutet – ohne Zwang – zu sein. Und dafür muss ich mich freiwillig – in Freiheit – entscheiden.
Wir sprechen oder hören oft von einer unglücklichen Liebe. Doch eine unglückliche Liebe gibt es nicht. Liebe ist ein rein positives Gefühl und kennt keine negativen Gefühle. Das, was als Unglück oder Schmerz empfunden wird, ist reine Kopfsache. Im Kopf sitzen Erwartungen, Projektionen, Konditionierungen und Muster, Eitelkeit, Stolz, Verletzungen und Ängste sowie auch alle anderen negativen Gefühle – an denen wir festhalten. Negative Gefühle ziehen negative Gefühle nach sich. Das, woran wir glauben, über uns selbst und über die Welt, wird! Auf die eine oder andere Weise erschaffen wir unsere Realität. Unser Leben ist die Manifestation unserer Glaubenssätze. Wie können wir also erwarten, dass jemand anderes uns liebt, wenn wir uns selbst nicht lieben? Wie können wir in Beziehung gehen, wenn wir keinen Selbstbezug zu uns selbst haben? Jede Liebe beginnt bei uns selbst, geht zum anderen und kehrt wieder zu uns zurück. Liebe ist eine runde Sache; ein Kreis, wo wir nicht wissen, wo er anfängt oder wo er endet. Selbstliebe und die Liebe zu anderen sind nicht aufdröselbar. Liebe geht immer aufs Ganze und kennt keine Teile.
Das Muster, sich immer wieder in die falsche Person zu verlieben, weist auf zu wenig Liebe und zugleich auf zu wenig Freiheit hin
Das Muster, sich immer wieder in die falsche Person zu verlieben, weist auf zu wenig Liebe und zugleich auf zu wenig Freiheit hin. Stehe ich unter Zwängen, kann ich nicht selbstbestimmt das wählen, was wirklich gut für mich ist. Ist keine oder wenig Selbstliebe da, bestimmen hauptsächlich Konditionierungen und Themen meine Partnerwahl. Oft findet man dann die Menschen anziehend, die einen nicht wollen oder die einem nicht guttun. Der Adressat richtet sich nach dem Empfänger und nicht umgekehrt.
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