Wir leiden. An Ängsten, Gedankenkreisen, Zweifeln, Perspektivlosigkeit, Kummer und emotionalem Schmerz. Die Gegenwart belastet, drückt, weil Vergangenheit sich auswirkt, weil Zukunft schwer scheint, weil wir verloren haben.
Verloren den Freund, Liebes- oder Lebenspartner, Vater, Mutter, Bruder, Schwester, das Haustier, den Job, Geld, vielleicht die „Ehre“, vielleicht sogar Vertrauen in uns, das Leben.
Wir hängen an, „haften“ an vermeintlich „Eigenem“, Sichergeglaubtem, Geliebtem, ewig Unserem, an Besitz wie an Träumen und Hoffnungen. Dann kommt der Wandel, das Aus, das Unvorhergesehene, Unerwartete, der Riss, der Stopp, das Ende all dessen, das wir für normal, sicher, ewig hielten. Das ist Leid, ist Leiden. Wir sind schockiert, aus der Bahn geraten, trauern, verzweifeln, geben auf, sind hilflos, werden krank. Wir kommen nicht los, denken an immer dasselbe Problem, Gefühltes ist eingeengt darauf, verlieren Interesse an bisher gern erlebtem anderen und die Kraft für „normalen Alltag“.
Wir vergrößern Leid und Leiden durch das Nicht-loslassen-Können, durch Anhaften und summieren Sorgen und Folgeprobleme im elenden Kreislauf. Schließlich machen wir uns Selbstvorwürfe, entwickeln Schuldgefühle, ziehen unsere Umgebung, Familie, Freunde, Kollegen in unsere Depression hinein, verändern die Welt um uns herum in weitere Tristesse, isolieren uns immer mehr und sind inaktiv.
Aus diesem Loch herauszukommen, mag psychiatrische oder psycho-therapeutische Hilfe erfordern, weil es Anstöße von außen braucht, einen „Neutralen“, „Guru“, Spezialisten, jedenfalls Fachmann (oder -frau). Daneben kann auch Budotherapie ganz Wesentliches zur Genesung, d. h. zur Reflexion und vor allem zur Beendigung des Leidens leisten.
Budotherapiei ist eine auf (buddhistischer) Kampfkunst, Budo, (genau: jap.: Bu butsu-Doii) und traditioneller Weg-Lehre (Do) iii basierende Körperpsychotherapie mit ganzheitlichem Aktivierungsansatz:
- Körperlich – Bewegung
- Psychisch – Besinnung
- Sozial – Begegnung
- Spirituell – Befreiung
Die an „Internalisierung“ ihrer „Störung“ (nach ICD-10) durch passives, defensives und vermeidendes Verhalten, Zurückhaltung im Sozialkontakt oder auch psychosomatische Folgeprobleme seelisch belastet oder „krank“ sind, bzw. an „Internalisierung“ (gedankliche, psycho-emotionale Fixierung) ihres „Leidens“ (Buddha) „behindert“, blockiert sind, benötigen zuallererst Aktivierung. Sie müssen aus dem Bann ihrer eigenen aktuell eingeschränkten negativen Weltsicht herausgeführt werden, um sie für sich selbst wieder verantwortlich werden zu lassen, denn sie „er-leben“ – und sie sind – „was sie denken“.
Budotherapie hat das Ziel, durch Budoiv den „Inneren Krieger“ (den Friedvollen Kriegerv, Spirituellen Krieger, „Krieger des Lichts“vi) zu erwecken, ihn (wieder) zu entdecken, das eigene Leben wieder in die Hand zu nehmen, in den Griff zu kriegen, zu steuern, es energievoll „zu führen“:
- Die Budo-Übungen im Energiefeld der Bewegung, also Technik-, Körper- und Kampfformen (Kihon, Kata, Kumite), bringen zuerst „Schwung“ ins physische Dasein und Selbsterleben, reaktivieren Kraft, steigern Fitness und Leistungsfähigkeit, „be-leben“ Körper und Geist.
- Mental-relaxierende und meditative (Achtsamkeits-)Budo-Übungen im Energiefeld der Besinnung initiieren und stabilisieren wiedererlangte Fähigkeiten im Bereich von Konzentration, Gewahrsein und Bewusstheit des eigenen Selbst (Ich) und seinem „In-der-Welt-sein“.
- Die Budo-Kampfübungen in intensiver Kommunikation und Kooperation mit Partnern fordern und fördern Begegnung seiner Selbst im und mit dem Gegenüber in (pro-)sozialer Interaktion und Empathie, im gelingenden Mit- und Füreinander in Gemeinschaft Gleichgesinnter (Dojo).
- Die geistigen, spirituellen Budo-Übungen (Zen) und persönlichen Unterweisungen des Lehrmeisters in „intimen“ Lehrgesprächen (Mondo) zur rechten (buddhistisch-philosophischen) Denk- und glücklicheren Lebensweise dienen der Befreiung (des Geistes) von begrenzenden und leidfördernden Einstellungen und Glaubenssätzen.
So ist Budotherapie eine tatsächliche „Lebens-Kampf“-Kunst, die die Fertigkeiten des „Kriegers“ entwickelt, kultiviert und die Fähigkeit des glücklicheren Lebens lehrt, übend schult und in der Realität praktiziert: erfahrbar „am eigenen Leib“, überprüfbar an den positiven Folgen des in aktivem Tun veränderten Denkens, Wollens, Fühlens und letztlich auch eigenen Erlebens des eigenen Lebens.
Es geht darum, Menschen zu befähigen, wieder Initiative zu entwickeln, für das eigene Wohlbefinden und Glück zu „kämpfen“, als ehrenvoller „Samurai des Glücks“vii.
Die physische, psychotherapeutische wie spirituelle Heilkraft der buddhistischen Kampfkunstpraxis zur Überwindung von Leid und Leiden ist bewährte Methode der Budotherapeuten des Fachinstituts (IfBP)viii und seiner kooperierenden Partnerorganisationen, die mit großem Erfolg mit den Betroffenen arbeiten. Die Klienten/Patienten lernen, sich in Bewegung, Begegnung und Besinnung aktiv zu befreien vom Teufelskreis sich summierender negativer Gedankenspiralen und Folgeerleben selbstkonstruierter Nichtwahrheiten.
Die intensiven Übungen selbst wie die (buddhistischen) Belehrungen des „Meisters“ (Sensei) eröffnen durch initiierte Lernarrangements bedeutsamer Grenz- und Kontrasterfahrung sowie wohlwollend-kritisch-konfrontativer Reflexion sowie in deren Folge neuen Denkens und Horizonterweiterung (wieder) Vertrauen in Selbstwirksamkeit und eigene Zukunft. Erfolgsbasierte Erkenntnisse von „Ich kann“ und „Ich werde“ schaffen die Grundlage der optimistischen Lebensorientierung und -gestaltung, raus aus der Krise in die nun selbst gestalteten Chancen.
„Glück“ ist Ergebnis eigenen Gestaltens, aus neuer Stärke – die des vom Außen zum Innen gewachsenen „Kriegers“ heraus. Das kann man lernen. Ein Lächeln öffnet das Herz für die dann echte Empfindung von Freude, denn der Geist kreiert seine „wirklich gefühlten“ Wahrheiten der eigenen Lebenswelt. Auch Liebe lässt sich lernen und üben, bis aus dem Denken ernster Wille und reales Gefühl wird. Dies braucht lediglich Anleitung und Übung: Budo!
Der Budoka, Kampfkunst-Schüler oder -Patient, kann und wird unter der rechten „Führung“ (eines Budo-Lehrmeisters oder ausgebildeten Budotherapeuten) die Stufen von Ereignis, Erlebnis, Erfahrung, Erkenntnis zur „Erleuchtung“ beschreitenix , denn so ist der Weg (der Weisheitslehre) systematisch angelegt. Die Ausbildung oder Therapie zielt auf Persönlichkeitsentwicklung, „Ich-Stärke“ (Selbstbeherrschung und Selbstbewusstsein), Wohlbefinden und „Befreiung“ von den das Glücklichsein behindernden Gedanken und Gefühlen.
Die negativen, unheilsamen Gedanken und Emotionen wie Zorn, Eifersucht, Neid, Anhaftung, Gier, Stolz oder Furcht sind „leidbringende Geisteszustände“ („Störgefühle“) und sollen in positives Denken und positive Emotionen wie Freude, Zuneigung und Mitgefühl, Gleichmut und Wohlwollen überführt werden. Ist erst einmal Gelassenheit und innere Stärke entwickelt, führt dies auch zu rechtem Handeln, eigenes Leid und das anderer fühlender Mitgeschöpfe zu vermeiden oder zu lindern. „Buddhisten sind messbar glücklichere Menschen“, wie die neurologische Hirn- bzw. Meditationsforschung bewiesx, was auch auf Praktizierende buddhistischer Kampfkunst übertragbar ist, die die gleichen meditativen (Geistschulung, Mentaltraining, Zen) und Körperübungen (siehe Qigong, Taichi) anwenden, um die volle Entfaltung der jedem innewohnenden Möglichkeiten zu erlangen.
Budotherapie lindert Leid, Sorgen und Nöte und führt über heilsame Bewegung, Begegnung und Besinnung im Budo zur Befreiung (Bodhi).
Umso mehr sind jene, die als Kampfkünstler, vor allem Kampfkunstlehrer neben ihrer eigenen psychophysischen und spirituellen „Gesundung“ durch Budo nicht nur ihren Schülern im eigenen Dojo den rechten Weg weisen wollen, sondern helfende, heilende Arbeit für am Leben bzw. ihrem Welterleben Leidende leisten wollen, mit der Ausbildung zum professionellen Budotherapeuten eine Möglichkeit an die Hand gegeben, Budo als Methode von Genesung („Ganzwerden“) anzuwenden. Das heißt jene besondere körper- und bewegungsorientierte Form der Wiederherstellung der physischen, psychosomatischen und psychischen Integrität aus seelisch-geistiger Not oder Krankheit zu erlernen, in der Klienten/Patienten wieder aktive „Samurai des eigenen Glücks“ werden können.
Die Ausbildung am Institut für Budopädagogik und -therapie (IfBP) soll dem mitmenschlichen Engagement, den leidenden Menschen zu Perspektive und erhöhter Selbstwirksamkeit in ihrer Lebensgestaltung zu verhelfen, dienen und einen Beitrag leisten, mit diesem speziellen Ansatz auf eigene Art und Weise „selbst gemachtes“ und selbst verstärktes Leiden zu lindern oder zu beenden. Die Erfolgsbilanzen stimmen optimistisch, dass das sehr gut gelingen kann. Es braucht nur Menschen, die helfen und heilen, und jene, die das annehmen wollen …
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Quellen und weiterführende Literatur
i
Wolters, J.-M.: Budo-Therapie. Zur heilenden Wirkung asiatischer Kampfkünste bei psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen; in: Bewusstseinswissenschaften – Transpersonale Psychologie und Psychotherapie; 02/2015, S. 69–76.
Ders.: Budo-Therapie. Die Evokation heilender Effekte in asiatischen Kampfkünsten; in: Internationale Zeitschrift für Philosophie und Psychosomatik, 01/2015, online.
Ders.: Bewegung – Begegnung – Besinnung. Budo als Körper(psycho)therapie in der Kinder- u. Jugendpsychiatrie; in: körper-tanz-bewegung. Zeitschrift für Körperpsychotherapie und Kreativtherapie; 04/2018, S. 159–166.
Ders.: Kampfkunst als Therapie; Norderstedt/Hamburg, 2020.
ii Wolters, J.-M./Dorn, C.: Buddhistische Kampfkunst & Psychologie als Lebensweg & Heilkunst; in: Ursache \ Wirkung. Zeitschrift für Gesellschaft, Gesundheit, Spiritualität, Ökologie, Kultur und Politik aus buddhistischer Sicht; 05/2020, online.
iii
Bender, D.: Sport, Kunst oder Spiritualität? Münster 2012.
Möhle, K.: Der Do der Kampfkunst und die Entwicklung einer Lebensform der Achtsamkeit; Berlin 2011.
Wolters, J.-M.: Essays zum Budo; Norderstedt 2017.
iv Wolters, J.-M./Dorn, C. (Hrsg.): Budo – Das Wesen und Wirken der Kampfkunst; Norderstedt 2020.
v Wolters, J.-M.: Kampfkunst als Therapie; Frankfurt, Bern, New York, Paris 1991.
vi Coelho, P.: Handbuch des Kriegers des Lichts; Zürich 2001.
vii Wolters, J.-M.: Samurai-Tugenden und Psychotherapie heute; in: Ursache \ Wirkung (im Erscheinen), 2020.
viii Siehe: Internationales Institut für Budopädagogik u. Budotherapie (IfBP), www.budopaedagogik.de.
ix Wolters, J.-M.: Ereignis, Erlebnis, Erfahrung, Erkenntnis – Erwachen, Erleuchtung… Energie-Wandlung auf dem Weg des Friedvollen Kriegers; budopaedagogik.de, 06/2017, online.
x Siehe z. B.: www.wissenschaft.de, online, Abruf 07/2020.
Kontakt:
Wolters, Institut für Budotherapie (IfBP), Tilsiter Str.11, D-21680 Stade
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