„Müßiggang ist aller Laster Anfang“, meinte der deutsche Schriftsteller, Wissenschaftler und Revolutionär Georg Büchner mit einem Augenzwinkern. Er ließ in seinem 1836 verfassten Werk „Leonce und Lena“, einem Lustspiel, den Prinzen Leonce vom Königreich Popo, klagen: „Es krassiert ein entsetzlicher Müßiggang. Müßiggang ist aller Laster Anfang.“
Dabei ist der Prinz selbst der größte Müßiggänger. Variationen dieses Ausspruchs sind „Wer rastet, der rostet“ oder „Ohne Fleiß kein Preis“.
Aber stimmt das? Der Jahrhundert-Entertainer Harald Juhnke antwortete auf die Frage, was für ihn Glück sei, mit: „Keine Termine und leicht einen sitzen.“ Keine Termine! Müßiggang hat entgegen der Vorstellung jedoch nichts mit Untätigkeit oder gar Faulheit oder Trägheit zu tun. Und die Angst, sie würde das Laster fördern, wurzelt wohl in der protestantischen Arbeitsethik des 18. Jahrhunderts, die die Arbeit in den Mittelpunkt des Lebens rückte, um die herum sich alles andere unterzuordnen habe.
Müßiggang bedeutet auch, die Dinge SEIN zu lassen
Man kann seine Arbeit müßig erledigen, müßig Sport machen. Das bedeutet, im Augenblick des Tuns sein und nicht unter Druck eine Checkliste abarbeiten. Von der Muße ist es nicht mehr weit bis zur Muse. Der Mensch ist „von der Muse geküsst“, wenn ihm etwas Kreatives gelingt. Der besondere Einfall wird oftmals nicht mit Anstrengung erreicht, sondern durch Loslassen. Die Muse verhält sich wie eine Katze. Sie springt dem auf den Schoß, der sie ignoriert. Das werbende Anstarren verjagt sie.
Die buddhistische Tugend des Loslassens ist Voraussetzung für den gelungenen Müßiggang. Wir klammern uns an Dinge, an Ansichten und Meinungen. Etwa an die Vorstellung, Leistungen in immer kürzeren Zeiträumen erbringen zu müssen. In die damit gewonnene Zeit pressen wir dann neue Aufgaben. Der Hinweis auf den Optimierungswahn der Moderne ist bereits zum Gemeinplatz geworden. Man möchte abwinken: hundert Mal gehört. Das ändert allerdings nichts am Wahrheitsgehalt dieser Beobachtung.
Dieser Artikel erschien in der Ursache\Wirkung №. 118: „Zufriedenheit"
Müßiggang bedeutet auch, die Dinge SEIN zu lassen: In der Früh etwa nicht sofort aufzuspringen und aktiv zu werden. Statt bereits beim Morgentee oder -kaffee nebenher Mails zu checken, lieber einmal gedankenverloren aus dem Fenster in die Weite blicken. „Wer loslässt, hat beide Hände frei“, heißt es treffend. Ein Müßiggänger achtet darauf, dass sie frei bleiben. Seit ich mehr Müßiggang in mein Leben integriert habe, bin ich zufriedener. Das fällt mir als Mensch mit einem Hang zum Perfektionismus nicht leicht. Aber das Abwinken mit einem Lächeln auf den Lippen: „Ach, das lass ich jetzt so, wie es ist“, wirkt befreiend.
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